Mathis Miro

Die Zeit vergeht anders, seit der Kleine auf der Welt ist. Die vergangenen sieben Wochen kommen mir wie eine Ewigkeit vor, als hätte es ihn schon immer gegeben. Die Erinnerungen an die Schwangerschaft waren schnell verblasst und auch die Geburt kommt mir wie ein weit zurückliegender Traum vor. Trotzdem hier ein Versuch, über unsere Erfahrungen im Geburtshaus zu schreiben:

Ich habe meine Schwangerschaft sehr positiv erlebt – voller Zuversicht, dass alles seinen richtigen Weg nimmt. Die körperlichen Veränderungen erlebte ich weniger als Probleme, sondern eher als Vorbereitung auf das neue Leben danach: Nächtliches Durchschlafen ist gegen Ende der Schwangerschaft auch nicht mehr möglich; man lernt die Dinge langsamer anzugehen, sich nicht allzuviel vorzunehmen und so weiter. Schwangerschaft ist keine Krankheit, bedrohlich und überwachungsbedüftig. Die Vorsorge-Termine im Geburtshaus waren für mich daher auch eher Gesprächszeit und Möglichkeit um einander kennenzulernen. (Die zwei Ultraschall-Termine beim Frauenarzt habe ich dagegen als relativ hektisch wahrgenommen.)

Die Geburt hat sich recht langsam angekündigt: blutiger Schleimabgang am Samstag, leichte Wellen am Sonntag, die gegen Nacht stärker wurden. Um 3 Uhr nachts haben wir Chris angerufen, ich wollte so bald wie möglich in’s Geburtshaus um die Autofahrt hinter mir zu haben. Die 15-minütige Fahrt war dann aber doch ganz erträglich und ich war guter Dinge als wir im Geburtshaus ankamen. Die Nacht und der Morgen vergingen zeitlos, die Wellen kamen mit regelmäßigen Abständen und ich habe sie in den verschiedensten Positionen durchgeatmet.

Die Geburt habe ich teilweise wie in Trance erlebt, das Bewusstsein ausgeschaltet. Mein Freund war immer bei mir. Ich wusste, ich musste diese starken Empfindungen alleine durchstehen, aber seine Anwesenheit, seine Worte, sein Berührungen gaben mir Kraft und Vertrauen in den Moment. Ich war nur im Jetzt, habe nicht nach vorne gedacht, sondern jede Welle wie eine Stufe nach der nächsten wahrgenommen. Es war aber kein Schmerz, dem man nur ohnmächtig ausgeliefert war, sondern ich konnte ihm entgegen gehen und ihn in Bewegung, Atem und Töne umwandeln.

Auch Chris war immer da, wenn ich sie gebraucht habe. Am Anfang hat sie uns noch viel Zeit alleine gelassen. Dann hat sie mich immer wieder zu neuen Positionen ermuntert und ich bin dankbar für ihr Wissen, aber auch ihre Einfühlsamkeit, diese Geburt so individuell zu begleiten. Die Geburt hat sehr lange gedauert (14 Stunden im Geburtshaus) und Chris hat immer wieder die Herztöne des Kindes mit einem kleinen Ultraschall-Gerät abgehört. Es hat mich jedes Mal sehr erleichtert zu wissen, dass dieses Kind die Kraft für diese lange Geburt hat und wir weiter Schritt für Schritt gehen können.

Ich bin auch stolz auf meinen Körper, das alles geschafft zu haben. Die Geburt war für mich (im Nachhinein betrachtet) eine gute, unglaublich starke, wundersame Erfahrung. Bestimmt war ich zwischendurch auch verzweifelt, wollte dass die Schmerzen vorbei sind und ich endlich das Kind in meinen Armen halten kann – aber die Erinnerungen sind trotzdem keineswegs negativ. Stattdessen fühle ich Kraft, Vertrauen und Glück, wenn ich an die Geburt zurück denke. Und Bilder und Gefühle, die ich wohl nie vergessen werde: Der Moment, als ich zum ersten Mal selbst das Köpfchen fühlen konnte, so weich und voller Haare…wieviel Kraft und Zeit es noch gebraucht hat, bis der Kopf dann wirklich geboren war (und sich auch gleich sehr darüber „beschwert“ hat)…wie leicht der restliche Körper geboren wurde…das Glücksgefühl, dieses warme, feuchte, zarte – und sehr lebendig laut schreiende – Wesen im Arm zu haben. Dieses Wesen aus einer anderen Welt, vom ersten Moment an haben wir uns verliebt.

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