Zehn Monate nach der Geburt unserer Tochter Louisa im Geburtshaus, wurde ich wieder schwanger. Der Bauch wuchs schnell. So schnell, dass ich nach den Weihnachtsferien (obwohl erst in SSW11) zu meinem Chef ging, um ihn zu informieren. Außerdem vereinbarte ich einen Termin mit Chris für ein Vorgespräch, da für meinen Mann und mich klar war, dass auch unser zweites Kind nirgendwo anders als im Geburtshaus zur Welt kommen sollte! Die Vorsorge wollte ich ebenfalls wieder zwischen Chris und meiner Gynäkologin aufteilen, denn auch damit hatte ich während meiner ersten Schwangerschaft gute Erfahrungen gemacht. „Never change a running system“ war meine Devise.
Wir machten wieder keine Nackenfaltenmessung, sondern gingen nur kurz vor Ostern zum Organscreening in die Frauenklinik, um irgendwelche Komplikationen für die Geburtshausgeburt auszuschließen. Es war alles bestens und Louisa würde einen kleinen Bruder bekommen.
Mein Bauch wuchs und wuchs und im Mai fragten mich bereits die ersten Leute, ob das Baby denn bald kommen würde. Das nervte ein bisschen, da der Termin schließlich erst Anfang August sein sollte! Meine Frauenärztin meinte, ich hätte einfach viel Fruchtwasser und der große Bauch fing schon an, sehr beschwerlich zu werden. Chris sagte: „das schaffst Du schon“ und erklärte mir, dass es normal wäre, wenn bei zwei so schnell aufeinanderfolgenden Schwangerschaften der Bauch größer werde.
Da im Mai und Juni das Wetter eher bescheiden ausfiel, hatte ich kaum Probleme mit Wassereinlagerungen in den Beinen und auch sonst war alles einigermaßen erträglich. Dann, Ende Juni, begann mein Mutterschutz und als auch der Sommer endlich da war, wurden mit der Hitze auch die Stützstrümpfe wieder unumgänglich. Ich erinnerte mich gerne an meine Winterschwangerschaft mit Louisa, während der ich die doofen Dinger unter Hosen und Strumpfhosen verstecken konnte. Jetzt wurde ich von vielen Leuten seltsam gemustert und weil ich im Freibad dauernd gefragt wurde, ob ich Zwillinge bekommen würde, hatte ich auch nicht mehr wirklich Lust dort hinzugehen. Es nervte! Meine knapp 18 Monate alte Tochter war von dieser Ausnahmesituation auch nicht gerade begeistert: Mama sah komisch aus, konnte nicht mit ihr rennen, nicht richtig kuscheln und es war überhaupt alles anders. Da war ihr der Papa, der in Elternzeit war, viel lieber. Das schmerzte manchmal schon sehr!
Was mich aber zusätzlich beunruhigte war, dass meine Frauenärztin beim Vorsorgetermin Ende Juni feststellte, dass es zu viel Fruchtwasser wäre und sie mir empfahl ein paar Tests zu machen und außerdem noch einmal zum Ultraschall in die Pränataldiagnostikabteilung der Frauenklinik zu gehen. Sie meinte zwar, es wäre nichts, aber sicher wäre doch sicher! Obwohl ich die ganze Zeit das Gefühl hatte, dass mit meinem Kind alles in Ordnung sei, war mir nicht ganz wohl bei der Sache. Erst nahm sie mir Blut ab, um eine Infektion auszuschließen. Dann durfte ich ein zweites Mal zum großen Diabetestest antreten. Zum Glück hatte ich weder eine Schwangerschaftsdiabetes, noch irgendwelche Infektionen. Den Termin bei der Pränataldiagnostik bekam ich erst in der darauffolgenden Woche. Auch dort konnte der Arzt nur feststellen, dass ich viel Fruchtwasser hätte und meinte, dass mit dem Baby augenscheinlich alles in Ordnung wäre. Dennoch gäbe es aber ein geringes Risiko, dass etwas nicht so wäre, wie es sein soll und in diesem Falle wären wir in der Klinik besser aufgehoben, als im Geburtshaus. Er entließ uns mit der Bitte, uns darüber noch einmal Gedanken zu machen. Zum Glück ließen mein Mann und ich uns dadurch nur ganz leicht und ganz kurz verunsichern. Auch Chris freute sich darüber, dass alles gut war und sagte mir, dass der Arzt sich einfach absichern und mir diese Information geben müsse, sie aber, wie wir, der Meinung sei, dass alles in Ordnung wäre und wir für die Geburt ins Geburtshaus kommen könnten. So ein Glück!
Aufgrund des vielen Fruchtwassers warnte mich meine Gynäkologin vor einem frühen Blasensprung. Auch Chris mutmaßte, dass das Kind eher im Juli als im August zur Welt kommen würde. Weil ich keine Lust mehr hatte, schwanger zu sein, ließ ich mich davon sehr beeinflussen. Obwohl Louisa im Januar 2015 mit einer Verspätung von 11 Tagen mit Hilfe eines Wehencocktails zur Welt gekommen war, glaubte ich fest daran, dass mein Körper jetzt wüsste, was zu tun sei und mein zweites Kind sogar vor dem Termin geboren werden würde und ich stresste meinen Mann ziemlich mit meinem Vorbereitungswahn und meiner Torschlusspanik in Sachen Babyvorbereitungen. So baten wir auch meinen Schwiegervater, Louisas Opa, bereits zwei Wochen vor dem errechneten Termin zu uns zu kommen, um unsere Tochter während der Geburt zu betreuen.
Bestimmt hatte ich auch deshalb, weil ich so fest mit einer frühen Geburt rechnete, immer wieder ordentliche Übungswehen. Wir gingen viel spazieren, unternahmen Ausflüge in die nähere Umgebung und warteten. Dennoch verstrich der errechnete Termin am 4. August, ohne dass wirklich etwas passierte. Ich war frustriert: sollte das etwa doch wieder so werden wie bei Louisa? Chris hatte Mitleid mit mir und meinem riesigen Bauch und gab mir wehenfördernden Tee, Senfmehl für Fußbäder und schließlich am fünften Tag nach dem Termin den ersten Wehencocktail. Ich bekam dadurch zwar wieder ein paar Wehen, aber die waren nach ein paar Stunden auch schon wieder weg.
Eine Woche nach dem Termin befand mich meine Frauenärztin für absolut geburtsbereit und versuchte es mit einer Eipolablösung. Außerdem beschwor sie mich, da sie nun in den Urlaub verschwand, wenn nötig in die Frauenklinik zu gehen. Was dachte die eigentlich von mir? Zwei Tage später, am Samstag, ging wenigstens einmal der Schleimpfropf ab. Bei der Vorsorgeuntersuchung im Geburtshaus bekam ich von Chris, nach einer weiteren Eipolablösung, meinen zweiten Wehencocktail und verließ Hagelloch in der festen Überzeugung, dass es nun endlich losginge mit der Geburt unseres bummeligen Sohnes. Aber das ganze Wochenende und auch zu Wochenbeginn ließ der kleine Kerl weiter auf sich warten. Zum Glück hatten wir schönstes Sommerwetter und verbrachten den Sonntag mit einem tollen Mittagessen im Waldhorn, Spaziergang im Schönbuch, Besuch von Kloster und Dorf Bebenhausen und gemütlichem Ausklang des Wochenendes im Schwärzlocher Hof. Wir nutzten die Tage ohne neugeborenes Baby also noch einmal richtig aus und trotz aller Warterei waren wir sehr froh, dass es unserem Kind offensichtlich in meinem Bauch richtig gut ging.
Am Montagabend begannen nun endlich einmal stärkere Wehen. Leider kamen sie zunächst nur in sehr langen Abständen, die erst ganz allmählich kürzer wurden. Damit wenigstens mein Mann noch ein bisschen schlafen würde, beschloss ich, im Wohnzimmer zu bleiben. Ich legte mich aufs Sofa, um in den Wehenpausen auszuruhen. Während der Wehen stand ich auf, ging herum. Irgendwann legte ich mich in einer Pause hin und schlief ein. Als ich wieder aufwachte, waren die Wehen weg. Langsam dachte ich, dass ich spinne! In dieser Nacht konnte ich nicht mehr richtig schlafen und machte mir viel zu viele Gedanken.
Am nächsten Morgen informierte ich Chris, die langsam auch genug von der Bummelei unseres Babys hatte. Sie bat uns, ins Geburtshaus zu kommen, um mir einen geburtsfördernden Nelkenöltampon zu verabreichen. Wir sollten schon mal all unser Geburtsgepäck mitbringen. Das sollte doch jetzt klappen, fanden wir! Leider half auch der Nelkenöltampon nicht. Wir warteten erst im Geburtshaus, gingen dann noch am Schönbuchrand spazieren. Am Ende fuhren wir unverrichteter Dinge wieder nach Hause und fanden einen ungläubigen Großvater und eine sehr freudige Tochter vor, die uns schon vermisst hatte. Wir waren jetzt beim 12. Tag nach dem errechneten Termin angekommen. Für die Geburtshausgeburt blieb nur noch wenig Zeit. Ich bin eigentlich selten richtig mutlos, aber an diesem Nachmittag legte ich mich ins Bett und weinte. Wie sollte das bloß ausgehen? Musste ich nun doch noch in die Frauenklinik gehen, um die Geburt einleiten zu lassen? Mein Mann und ich redeten lange miteinander und kamen zu dem Schluss, dass wir uns zwar alles anders vorgestellt hatten, dass wir aber den Tatsachen ins Auge sehen müssten. So sah das auch Chris, die bei Ihrem Hausbesuch um 20.00 Uhr für mich einen Termin für den nächsten Nachmittag in der Frauenklinik zur Einleitung vereinbarte. Nun gab es drei Optionen: 1. Entweder die Wehen kämen noch in der Nacht von selbst. 2. Ein dritter (!) Wehencocktail am nächsten Morgen würde diesmal helfen. 3. Die Einleitung in der Klinik am Nachmittag des 13. Tages nach dem errechneten Termin. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich mich an diesem Abend des 16. August noch einmal von Chris untersuchen ließ, denn sie stellte fest, dass der Muttermund doch tatsächlich bereits 2 cm geöffnet war. Das machte mir nun doch wieder neuen Mut und ein bisschen Hoffnung, darauf, noch eine zweite Geburt im Geburtshaus erleben zu dürfen. Also verabschiedeten wir uns ein bisschen hoffnungsfroh und ich ging in den Keller, um Getränke zu holen. Ich hatte es während der letzten Zeit vermieden, solche Dinge zu tun, aber jetzt war es mir langsam egal und so kam es auch, dass mich auf dem Weg vom Keller nach oben in unsere Wohnung, die erste richtige Wehe erwischte. Da war Chris gerade mal eine halbe Stunde fort. Unglaublich! Ich beschloss meinem Mann und meinem Schwiegervater erst einmal nichts davon zu sagen. Mein Mann merkte aber bald, dass es nun womöglich wirklich ernst werden könnte und beschloss, sich vorher noch einmal hinzulegen. Im Fernsehen lief eine archäologische Wissenssendung, aber ich bekam schon nichts mehr mit und informierte lieber mal Chris per WhatsApp. Sie schrieb nur „Oh“ zurück und meinte dann, ich solle mich wieder melden, wenn wir ins Geburtshaus kommen wollten oder sie bräuchten. Das war um viertel vor zehn. Bereits um viertel vor elf hatte ich das Gefühl, dass es vielleicht besser wäre, bald los zu fahren. Ich war aber von den vergangenen Tagen und Wochen mit den vielen Fehlalarmen sehr verunsichert und so rief ich Chris an, um sie zu fragen. Wir verabredeten uns für halb zwölf im Geburtshaus und ich weckte meinen Mann. Da unser Geburtsgepäck noch in Hagelloch war, konnten wir schnell aufbrechen und waren ein wenig vor Chris vor Ort. Während der viertelstündigen Fahrt, waren meine Wehen etwas abgeebbt. Ich war mir schon wieder unsicher, ob ich nicht doch übertrieben hatte. Diese Sorge war aber gänzlich unbegründet, denn kaum waren wir im Geburtshaus drinnen, musste ich mich am nächsten Türrahmen festhalten, mit so einer Heftigkeit überkam mich die nächste Wehe und so ging es nun alle drei bis vier Minuten. Ich war sehr froh, als Chris und mein Mann mir ins warme Wasser der Wanne halfen. Dort verbrachte ich nun tönend die nächste Zeit und freute mich, dass bei der Untersuchung durch Chris um 0.25 Uhr der Muttermund bereits acht Zentimeter geöffnet war. Die Wehen waren heftig, aber im warmen Wasser und mit häufigen Positonswechseln gut auszuhalten. Mein Mann war bei mir und massierte mir mein extrem schmerzendes Kreuzbein. Chris fragte mich, ob die Hebammenschülerin Annika, die ich bereits bei den vorangegangenen Vorsorgeterminen kennen gelernt hatte, zur Geburt dazukommen durfte. Klar durfte sie. Als sie eine halbe Stunde später kam, musste ich zwischen zwei Wehen ein bisschen schmunzeln, denn sie war perfekt gestylt und geschminkt, was mir in meiner Geburtswanne sehr fern war. Als um 1.25 Uhr der Muttermund vollständig geöffnet war, begann ich zu hoffen, dass mein Sohn um 3.00 h auf der Welt sein könnte. Ich war frohen Mutes und Annika schrieb im Bericht „sie macht es toll“ über mich. Nachdem alle Welt mich im Vorfeld vor einem frühen Blasensprung gewarnt hatte, war meine Fruchtblase zu diesem Zeitpunkt immer noch intakt. Chris informierte mich darüber, dass sie sie gerne öffnen würde, aber auf die Ankunft von Silke, als zweiter Hebamme, warten wolle. Sie kam und ich erklärte meinem Sohn, dass wir nun die Fruchtblase öffnen würden und alles gut sei. Danach konnte ich noch eine kleine Weile in der Wanne bleiben, bis Chris mich aus der Wanne und ins Geburtszimmer bat. Langsam wurde mir klar, dass um 3.00 h wohl doch nichts vorbei sein würde und mir eine ähnliche Geburt, wie die von Louisa bevorstand, denn ich durfte jetzt in den Wehen verschiedene Positionen einnehmen, stand mal auf die Theke gestützt, wechselte in die Seitenlage auf die Matte, dann auf die andere Seite, in den Kniestand und Chris lockerte mein Becken durch Schütteln in den Beinen. Da ich nun die zweite Nacht ohne Schlaf absolvierte war ich langsam auch ziemlich erschöpft. Als Schutzmechanismus des Körpers lassen bei Erschöpfung dann auch die Wehen nach. Chris, Silke, Annika und mein Mann unterstützten mich mit homöopathischen Mitteln, Uterustonikum, Cola und allen erdenklichen Mitteln. Im Geburtsbericht lese ich, dass ich „tapfer“ war. Die Herztöne unseres Kindes waren zum Glück bei allen Kontrollen gut. Als Chris mir (genau wie bei Louisas Geburt) sagte, dass es in einer halben Stunde, wenn weiter nichts voranginge, nur noch den Weg in die Frauenklinik gäbe, raffte ich all meine verbliebenen Kraftreserven zusammen und beschloss dieses Kind hier und jetzt im Geburtshaus auf die Welt zu bringen und nirgendwo anders hinzugehen.
Ich lag auf der Seite und zog mein rechtes Bein in jeder Wehe hoch und presste und zog so sehr, wie ich überhaupt nur konnte. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich mir bei dieser Geburt sprichwörtlich „ein Bein herausgerissen“ habe. Ich war Tage nach der Geburt nicht in der Lage normal zu laufen, da mein rechtes Bein zur Seite wegschlenkerte und fühlte mich dermaßen unrund und verschoben, dass mir nur der Weg zum Osteopathen blieb.
Aber zurück zum Tag der Geburt:
Mit Hilfe all dieser Mittel und meiner großen Anstrengung, wurde um 5.22 Uhr der Kopf unseres Sohnes geboren. Im selben Moment bat mich Chris in den Vierfüßlerstand und ich war kurz sehr schockiert, als ich gefühlt von 8 Händen geschnappt und umgedreht wurde. Dann sollte ich die Yogaübungen Katzenbuckel und Pferderücken machen. Was war denn das jetzt? Ich konnte doch in der Situation nicht auch noch sowas machen! Dann sollte ich in den Kniestand gehen und mich nach hinten lehnen, um dann in den Vierfüßlerstand zurückzukehren. Ich wusste überhaupt nicht mehr, wie mir geschah, aber es half, denn um 5.24 Uhr glitt ein leicht deprimierter kleiner Junge aus mir heraus und ich konnte es kaum fassen, dass es tatsächlich wahr war und ich es doch noch geschafft hatte. Im Nachhinein erzählte mir Chris, dass unser Sohn mit der Schulter hängen geblieben war und all diese Aktionen dabei halfen, ihn ohne mit der Hand einzugreifen, aus seiner Lage zu lösen. Er war, genau wie seine Eltern, von der Anstrengung ein bisschen schlapp, aber er schaute mich an und als er an meiner Brust lag, fing er ordentlich zu schreien an und wurde dadurch auch gleich ein bisschen rosiger. Marius Paul war endlich, am 13. Tag nach seinem Termin, zu uns herausgekommen!
Schnell fühlte ich, dass die Plazenta nicht auf sich warten ließ und ich gebar sie leicht und schnell im Kniestand. Marius ruhte sich in der Zwischenzeit bei seinem Papa aus. Als ich wieder für ihn bereit war, saugte er sofort kräftig an meiner Brust, als hätte er nie etwas anders getan. Er war einfach perfekt und brachte sage und schreibe ganze 4 kg auf die Waage. Um 8 Uhr waren alle angezogen, alles gepackt und wir fuhren sehr, sehr erledigt, aber überglücklich nach Hause und überraschten Opa und große Schwester mit frischen Brezeln.
Eines weiß ich heute sicher: Ohne Chris und ihre große Erfahrung, ihre Einfühlsamkeit und Professionalität hätte ich meine beiden Kinder niemals so natürlich und selbstbestimmt zur Welt bringen können. Es war die 1:1-Betreuung und das große Gefühl der Sicherheit im Geburtshaus, die mir das ermöglicht haben und wir sind Dir, liebe Chris und dem ganzen Geburtshausteam unendlich dankbar dafür!