Als ich mich in der 7. Schwangerschaftswoche im Geburtshaus anmelde, mache ich mir Gedanken, ob das nicht viel zu früh ist. Was, wenn noch was passiert?
Und dann, drei Wochen später, ist es wirklich passiert, das, wovor ich mich so sehr gefürchtet habe. Ich erfahre beim regulären Vorsorgetermin, dass das Herzchen meines Babys in der 10. Woche aufgehört hat zu schlagen. Ich sehe es mit eigenen Augen und kann es doch kaum begreifen, dass nun alles vorbei sein soll, was so schön und aufregend angefangen hat. Mein Arzt ist einfühlsam und findet die richtigen Worte. Dann fragt er, wie es weitergehen soll und meint damit, ob ich heute noch ins Krankenhaus möchte, um die Ausschabung machen zu lassen oder erst nach dem Wochenende. Sofort denke ich, dass ich gar keine Ausschabung möchte, nicht heute und nicht später. Ich frage nach Alternativen. Er verneint, dafür sei das Baby schon zu groß und auch bei einer medikamentösen Einleitung könnten Reste in der Gebärmutter verbleiben, was mit Risiken verbunden sei. Wir vereinbaren also, dass ich am Montag in die Klinik gehe – innerlich bin ich aber überzeugt, dass es eine andere Lösung für mich geben muss. So verbringe ich das Wochenende damit, die Nachricht langsam zu begreifen und durchforste das Internet nach Erfahrungsberichten. Und dass ich mich schon im Geburtshaus angemeldet hatte, erweist sich nun als wahrer Segen. Denn dadurch habe ich Kontakt zu Silke und sie wird in den nächsten Wochen eine wertvolle Begleitung auf meinem Weg sein. Am Montag telefoniere ich mit ihr und sie bestätigt mir, dass es auf jeden Fall möglich ist, auf einen natürlichen Abgang bzw. eine „kleine Geburt“ zu warten und dass mir dabei nichts passieren kann. Es tut so gut, dass mich jemand versteht und bestärkt. Ich wünsche mir sehr, mein Baby sehen und verabschieden zu können und stelle es mir tröstlich vor, es in unserem Garten begraben zu können. Ich beschließe also, erst einmal zu warten. Das ist nicht immer leicht, weil ich ja nicht weiß, ob es sich um ein paar Tage oder mehrere Wochen handeln wird. Aber ich denke mir, dass die Psyche ja auch Zeit braucht, eine solche Nachricht zu verdauen und dass es deshalb wahrscheinlich gar nicht so schlecht ist, wenn ein paar Tage ins Land gehen. Ich habe gelesen, dass es oft bis zum rechnerisch nächsten Zyklusbeginn dauern kann. Am Anfang erschreckt mich das, da es bis dahin noch fast 3 Wochen sind. Irgendwann setze ich mir diesen Tag jedoch als Etappenziel. Bis zu diesem Tag werde ich warten und wenn bis dahin nichts passiert ist, kann ich weitersehen. Zwei Tage vor diesem Datum setzt eine leichte Blutung ein. Ich bin erleichtert, dass es nun wohl bald losgeht und gleichzeitig traurig, denn so anstrengend diese Wartezeit ist, so sehr ist sie auch irgendwie ein Schutzraum, eine Art Zwischenzeit, in der ich immer noch schwanger bin, mein Baby noch in mir trage. Die folgende Nacht verbringe ich mit regelmäßigen Wehen, die mich am Schlafen hindern, aber noch ganz gut auszuhalten sind. Am Morgen werden sie deutlich unangenehmer. Ich denke in diesen Momenten, dass der Begriff „kleine Geburt“ das, was gerade mit mir passiert, für mich viel treffender beschreibt als „natürlicher Abgang“. Ich telefoniere mit Silke und gehe in die Badewanne, was mir gut tut. Nachdem ich kaum noch Pausen zwischen den Wehen habe, bin ich beim zweiten Telefonat mit Silke froh über ihr Angebot vorbeizukommen. Als sie da ist, komme ich etwas zur Ruhe und habe wieder mehr Pausen. Dann dauert es nicht mehr lange und unser Baby liegt in der Schüssel, die wir ins WC gestellt hatten. Ein paar kräftige Wehen später kommt auch die Plazenta in einem Stück. Danach geht es mir körperlich fast schlagartig wieder gut. Ich bin in diesem Moment unglaublich erleichtert, dass ich es geschafft habe, das alles so gelaufen ist, wie ich es mir gewünscht habe, fast ein bisschen euphorisch. Wir schauen uns das kleine Menschlein genau an und machen ein paar Fotos. Wir staunen, was man alles deutlich erkennen kann: Zehen und Finger, Ohren, Nase, Augen, Mund, … Silke bleibt noch eine Weile da und wir besprechen das Erlebte. Am Nachmittag und in den Tagen danach kommt wie erwartet die große Traurigkeit, noch stärker als in den Wochen des Wartens. Es ist jetzt alles so endgültig vorbei… Ich bin krankgeschrieben und versuche, so gut es geht im Moment zu sein und zu schauen, was mir gerade gut tut. Silke kommt in diesen Tagen noch drei Mal vorbei, was sehr hilfreich ist. Wie ich es mir vorgestellt habe, bekommt unser Baby einen schönen Platz in unserem Garten.
Und ganz langsam, fast unmerklich, tritt tatsächlich das ein, was ich mir anfänglich nicht vorstellen konnte: Es wird ein bisschen leichter, ich kann wieder eine Weile an etwas anderes denken und auch mal lachen.
Es war der richtige Weg für uns, auf diese Weise von der Schwangerschaft und von unserem Baby Abschied zu nehmen und wir sind Silke sehr dankbar für ihre einfühlsame Unterstützung in dieser Zeit!