Nora

Es sind noch zwei Wochen bis zum Geburtstermin und wir sind uns sicher, dass unser Kind sich noch etwas Zeit lässt. Schließlich gab es nie irgendwelche Anzeichen, dass es losgeht. Der Bauch ist noch überschaubar groß, an Fruchtwasser mangelt es nicht, und es haben sich auch noch nie Wehen angedeutet. Wir sind daher sehr überrumpelt, als ich plötzlich nachts um 3 Uhr einen Blasensprung habe. Nicht schwallartig wie im Film, sondern Tröpfchen für Tröpfchen, sodass wir uns zunächst nicht sicher sind, ob es sich wirklich um Fruchtwasser handelt. Da die Teststreifen uns etwas uneindeutige Signale senden, gehe ich am nächsten Morgen zu meiner Frauenärztin, welche uns den Blasensprung bestätigt. Da ich nun nur ganz vereinzelt sehr leichte Wehen spüre, vereinbarten wir mit Theresa noch etwas abzuwarten. Die Wehen werden im Laufe des Nachmittags etwas stärker und wir verabreden uns auf 17:30 Uhr mit ihr im Geburtshaus. Da die Wehen nicht von allein stärker werden und mein Muttermund nur minimal geöffnet ist, entscheiden wir mit in Rizinusöl gebratenen Spiegeleiern nachzuhelfen. Die waren zwar nicht lecker, brachten die Wehen aber wie versprochen in Schwung. Um circa 21:30 Uhr sind die Wehen bereits so stark, dass ich sie veratmen muss. Die Wehen werden immer stärker und ich teste verschiedene Positionen: liegend im Bett, kniend davor und im Stehen. Theresa kontrolliert immer wieder die Herztöne, nennt uns verschiedene Optionen und Positionen, ist jederzeit für uns da und hält sich trotzdem im Hintergrund. So vergehen ein paar Stunden, in welchen wir auch ein paar Mal durch das nächtliche Hagelloch spazieren. In der Wehe stütze ich mich auf meinen Mann und nehme tatsächlich auch nur wenig Rücksicht auf nächtliche Ruhestörungen. Im Geburtshaus zurück wechsle ich weiter immer wieder die Positionen und töne in den Wehen. Ich empfinde die Wehen als sehr intensiv. Kein Versuch bleibt ungenutzt, weshalb ich nun auch versuche zu visualisieren wie das Köpfchen nach unten schiebt. Berührt oder gestreichelt werden möchte ich in den Wehen nicht. Das nimmt meinem Mann zwar eine Möglichkeit mich zu unterstützen, aber so ist es nun mal. Dafür kümmert er sich um eine stets volle Flasche Wasser und sorgt für entspannende Musik. Um Mitternacht untersucht mich Theresa erneut. Einen wirklichen Fortschritt können wir trotz der harten Arbeit noch nicht verbuchen, was wohl vor allem daran liegt, dass mein Muttermund leider nach hinten verschoben ist. Um den Muttermund nach vorne zu bekommen, veratme ich die kommenden Wehen nach Anleitung von Theresa fast auf dem Bauch liegend, ein Bein angezogen, erst eine Seite, dann die andere. Die Wehen kommen zu diesem Zeitpunkt im Abstand von 3 Minuten. Für etwas Entspannung hat Theresa für mich Wasser in die Wanne eingelassen, in welche ich um 1 Uhr steige. Das warme Wasser ist angenehm, ich veratme die Wehen auf den Knien und dem Oberkörper auf dem Wannenrand. Ich verspüre einen starken Druck in der Wehe nach vorne, fast schon Richtung Schambein. Nach einer Weile finde ich in der Wanne keine angenehme Position mehr und steige daher aus. Da wir nun schon bald einen ganzen Tag unter Geburt sind, lässt uns Theresa wissen, dass sie mich demnächst erneut untersuchen sollte, da bei einem Blasensprung nach dieser Zeit die Gabe eines Antibiotikums empfohlen wird, was mit einer Verlegung einhergehen würde. Wir haben Angst, dass der Muttermund sich noch immer nicht weiter geöffnet hat. Wir zögern die Untersuchung deshalb noch etwas heraus und ich veratme die nächsten Wehen kniend und im Vierfüßler-Stand auf der Matte vor dem Bett. Ich arbeite so fleißig ich kann und nehme auch immer wieder Kontakt zu meiner Tochter auf. Kurz nach 5 Uhr untersucht mich Theresa erneut, wobei sich die Arbeit der letzten Stunden allerdings nur teilweise in Erfolg ausgezahlt hat. Der Muttermund ist nun endlich zentriert und das Köpfchen drückt genau auf die richtige Stelle, jedoch ist der Muttermund leider immer noch nur bei 1-2 cm. Vermutlich brauchen wir noch mehr Wehenkraft. Wir sind weiterhin sehr motiviert, möchten es eigentlich hier im Geburtshaus schaffen, denn hier fühlen wir uns sehr wohl und bei Theresa so gut aufgehoben. Wir starten einen letzten Versuch die Wehen nochmal anzukurbeln, durch eine Bauchmassage und einen weiteren Spaziergang. Die Wehen kommen weiterhin in gleichem Abstand, die Intensität nimmt aber leider immer mehr ab. Schweren Herzens beginnen wir um kurz nach 6 Uhr mit den Vorbereitungen für die Verlegung. Theresa ruft dafür in der Filderklinik an, welche auch einen Platz für uns hat. Telefonisch macht sie eine Übergabe an die Nachthebamme und bereitet einen Weiterleitungsbericht vor, mit welchem wir uns kaum noch etwas kümmern mussten und die Klinik trotzdem wusste was bereits alles geschehen war. Sie fragt uns, ob sie uns begleiten solle. Wir hätten sie sehr gerne bei der Geburt dabeigehabt, aber in der Klinik wäre nur eine Übergabe erfolgt. Wir entscheiden uns daher dagegen und möchten Theresa nicht noch länger wachhalten. Mein Mann packt unsere Sachen zusammen und zieht das Bett ab. Die Wehen werden wieder intensiver und ich töne kräftig. Zur Sicherheit, dass wir nicht umsonst verlegen, untersucht mich Theresa noch einmal. Der Muttermund ist zentriert, aber weiterhin bei 1-2 cm. Theresa verabschiedet uns am Auto. Wir sind alle sehr geknickt und enttäuscht, dass es nicht im Geburtshaus geklappt hat. Wir waren so motiviert. In der Filderklinik zieht sich die Geburt leider noch eine ganze Weile weiter. In den ersten Stunden merken wir leider immer wieder, warum wir uns für das Geburtshaus entschieden hatten. Die Atmosphäre ist natürlich eine andere und unsere Theresa, die jederzeit für uns da war, wurde getauscht gegen regelmäßig die Schicht wechselnde Hebammen, deren Arbeitspensum so groß ist, dass man hier auch mal länger warten muss, als dass man es als angenehm empfindet. Trotzdem hat sich auch das Team der Filderklinik große Mühe gegeben, dass wir uns wohlfühlen können und natürlich gaben sie uns mit all der Technik und den Mittelchen die Zuversicht zurück, dass wir schon bald unsere Tochter willkommen heißen dürfen. Gewünscht hatten wir es uns sicherlich anders, doch manchmal muss man die Dinge eben nehmen, wie sie kommen. Die Filderklinik hatten wir uns nicht grundlos für unseren Plan B herausgesucht und wir können sie auch voll und ganz weiterempfehlen. Als wir dann endlich unsere Tochter Nora in den Armen halten dürfen, sind wir überwältigt und überglücklich, dass wir es nun endlich geschafft haben. Vielen Dank, liebe Theresa und liebes Geburtshaus-Team für die Begleitung während der Schwangerschaft und der Geburt. Auch wenn unsere Tochter letztendlich nicht im Geburtshaus geboren werden konnte, möchten wir die Nacht dort nicht missen. Es war ein schöner und geborgener Start in eine lange Geburtsreise. Die Entscheidung für das Geburtshaus haben wir keine Sekunde bereut und würden uns jederzeit wieder dafür entscheiden. 

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