Lasse Nino

Morgens war ich bei der geburtsvorbereitenden Akupunktur gewesen und hatte mich danach nochmals hingelegt und geschlafen. Dann hatten Lukas und ich gemeinsam zuhause Mittag gegessen. Ich setzte mich nach dem Essen noch kurz auf seinen Schoß und sagte, dass ich die Wehen schon deutlich spüre und die Geburt vielleicht bald losginge – und meinte damit die nächsten Tage. Dann legte ich mich nach dem Mittagessen nochmals hin und wunderte mich schon über mich selbst, da das sehr untypisch für mich war, hatte ich doch erst vor dem Mittagessen ein Schläfchen gemacht. 

 

Wie ich so auf der Couch lag, achtete ich stärker auf das, was ich spürte und bemerkte, dass die Wehen innerhalb einer viertel Stunde – die ich gut anhand der Kirchturmglocken ausmachen konnte – zweimal auftraten. Ich hatte das Bedürfnis, mich zurückzuziehen und bekam kalte Füße. Mit einer Wärmflasche ausgerüstet wechselte ich vom Sofa in das Bett und hatte zuvor im Schlafzimmer die Läden verschlossen, sodass ich im Dunkeln lag. Lukas gegenüber äußerte ich, dass ich gerne allein sein würde. Später berichtete er mir, dass ihn das verunsicherte, weil er in diesem Moment nicht unterstützen konnte. Ich achtete weiterhin auf die Abstände der Wehen – sie blieben gleich und schon ziemlich bald wurden sie stärker. Schnell war der Punkt erreicht, an dem ich meine Vertretungshebamme kontaktieren wollte. Um 15.19 Uhr rief ich sie an und sagte ihr, dass ich glaubte, dass die Geburt nun losginge. Sie fragte mich, ob es meine erste Geburt sei und als ich bejahte, sagte sie, dass wir dann ja noch genügend Zeit hätten. Ich stellte mich auf mehrere Stunden Eröffnungsphase ein – bis zu 14 Stunden kann das dauern hatte ich im Kopf.

 

Von nun an begann ich, meine Wehen zu veratmen und dazu zu tönen – und behielt dieses Vorgehen während der gesamten Geburt konstant bei. Lukas unterstützte mich bestens, indem er all meinen Wünschen nachkam, die ich mal besser und mal schlechter kommunizieren konnte. Im Voraus hatte ich mir diese Phase der Geburt im Wohnzimmer vorgestellt und begleitet von unterschiedlichsten Haltungen und Techniken. Nun blieb ich im Bett im abgedunkelten Schlafzimmer und behielt meine intuitive Atmung in Kombination mit dem Tönen bei. Mir war es bald wichtig, jeden Moment losfahren zu können, weshalb ich Lukas bat, das Auto schon mal in dem nahe gelegenen Parkhaus zu parken. 

 

Schon um 17.07 Uhr rief ich die Hebamme erneut an und berichtete ihr, dass die Wehen nun regelmäßiger kamen. Sie schlug mir vor, zuhause in die Badewanne zu gehen. Das konnte ich mir sofort sehr gut vorstellen und Lukas ließ ein Bad ein, stellte Kerzen auf und machte Musik an. Die Wehen im Wasser zu veratmen fühlte sich sehr gut an. In diesem Moment merkte ich, wie wichtig es ist, sich psychisch und physisch zuzumuten – auch wenn manches davon schambehaftet ist. Ab diesem Moment war mir Lukas Anwesenheit extrem wichtig. Und für mein Gefühl war es mir dann relativ plötzlich sehr wichtig, ins Geburtshaus zu fahren. Ich merkte, dass ich den Weg in meinem aktuellen Zustand noch würde bewältigen können und war mir gleichzeitig sicher, dass  sich dies sehr bald ändern würde. Um 17.56 Uhr musste dann alles sehr schnell gehen. Zum Glück war alles bestens vorbereitet, nur das Auto musste noch vom Parkhaus zu uns und einige Gegenstände aus dem Gefrierfach eingepackt werden. Ich bat Lukas, dies zu tun und versicherte ihm, dass ich einen Moment alleine klar kommen würde. Lukas packte alles zusammen und es brach kurz Hektik aus – ich konzentrierte mich auf meine Wehen und darauf, mich nicht anstecken zu lassen. 

 

Um 18.25 Uhr fuhren wir los Richtung Geburtshaus. Sowohl auf dem Weg zum Auto als auch während der Fahrt hörte ich nicht damit auf, meine Wehen laut tönend zu veratmen – eine Nachbarin war gerade dabei, ihren Müll zu entsorgen und wünschte uns viel Erfolg. Im Auto wollte ich hinten bei den abgedunkelten Scheiben sitzen, sodass ich möglichst wenig von der Außenwelt mitbekam und mich voll und ganz auf meinen Körper konzentrieren konnte. 

 

Im Geburtshaus angekommen überkam mich noch im Gang eine Wehe, die mich auf die Knie brachte. Auf allen Vieren legte ich den Weg zum Bett hinter mich. Ich erinnerte die Hebamme vor dem Blick auf meinen Muttermund daran, dass sie den Befund nur Lukas mitteilen solle – ich hatte mir vorgenommen, diesen nicht wissen zu wollen. Nachdem sie mich untersucht hatte bat sie mir den Wechsel in die Badewanne an, die sehr schnell vollgelaufen war. Ab diesem Zeitpunkt durfte Lukas nicht mehr von meiner Seite weichen. Er saß außerhalb der Wanne und hielt mich in den Armen. 

 

Ich bemerkte am Rande, dass die Hebamme nun telefonierte, um die zweite Hebamme zu informieren. Einen kurzen Moment dachte ich, dass die Geburt dann wohl schon sehr weit fortgeschritten sei, da ich wusste, dass die zweite Hebamme erst in der Austreibungsphase dazu käme. Dann konzentrierte ich mich wieder auf meine Wehen. Mit einer der Wehen ließ der Druck plötzlich nach und ich wusste, dass nun die Fruchtblase geplatzt war. Auch waren Stücke der Blasenhaut im Wasser zu sehen.

 

Ich verspürte einen Pressdrang, dachte jedoch, dass es noch viel zu früh sei, wenn ich jetzt pressen würde. Daher fragte ich, ob ich schon pressen dürfe. Als die Hebamme bejahte, wusste ich, dass meine Geburt nun schon sehr weit fortgeschritten sei. Ich hatte das Gefühl, mir die Seele aus dem Körper zu schreien und dachte einen kurzen Moment darüber nach, dass das andere Menschen im Umfeld störe. Dann konzentrierte ich mich wieder auf den aktuellen Moment. Die Hebamme erklärte mir, wie ich mit den Presswehen arbeiten solle. Es dauerte drei Wehen, bis ich verstanden hatte, was sie meinte. Mit der vierten Presswehe war ich sehr plötzlich ziemlich erschöpft. Ich äußerte, dass ich nicht mehr lange könne. Lukas sprach mir gut zu. Die Hebamme machte mich darauf aufmerksam, dass man das Köpfchen schon ertasten könne. Und tatsächlich, ich fühlte es. Dies gab mir neue Kraft und Energie. Gleichzeitig nahmen die Schmerzen zu. Und nur zwei Wehen später war das Köpfchen geboren. Ich konnte es im Wasser halten und spürte die vielen weichen Haare. Was für ein Freudenmoment.

 

Eine Wehe später wurde auch der Körper geboren. Was für eine Erleichterung, wir hatten es geschafft.

 

Mit Ausnahme von ein paar Safteiswürfeln und einem Riegel trug ich die Snacks, die ich für die Geburt vorbereitet hatte, wieder nach Hause – ich hatte mich durchaus auf eine sehr viel längere Geburt vorbereitet.

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