Die kleine Geburt unseres Sternchens *Finni*
„Unser Sternenkind Finni ist heute zuhause und friedlich auf die Welt gekommen. Wir sind traurig und glücklich zugleich.“ Das waren die Zeilen, die wir nach unserer kleinen Geburt an Familie und Freunde verschickt haben. Für uns eine große Erleichterung und irgendwie auch selbstver-ständlich, da wir schon allen erzählt hatten, dass wir Nachwuchs erwarten und unser Sternenkind es genau wie ein Erdenkind verdient hat, in einer „Geburtsnachricht“ erwähnt zu werden.
Die Zeilen der Geburtsnachricht hat mein Mann kurz nach der kleinen Geburt verfasst und sie spiegeln unsere Gefühle während der Geburt und in der Zeit danach so gut wider. Die kleine Geburt war für uns ein magisches Ereignis. Sie hatte etwas Kraftvolles, etwas Ruhiges, etwas Erleichterndes und natürlich auch große Traurigkeit. Ich war und bin immer noch fasziniert und gestärkt davon, was der weibliche Körper leistet.
Dass wir die kleine Geburt in dieser Weise erleben und wahrnehmen durften, haben wir vor allem auch unserer wundervollen Hebamme Charlotte und dem Geburtshaus in Tübingen zu verdanken.
Es war unsere erste Schwangerschaft und wir freuten uns sehr auf die kleine Seele, die sich zu uns auf den Weg gemacht hatte. Die Frühschwangerschaft verlief nahezu symptomlos und ich konnte nicht glauben, dass sich „Schwanger sein“ so anfühlt. Leider hatte ich in der 9. und in der 14. Schwangerschaftswoche Blutungen. Beides mal gingen wir zur Kontrolle und es konnte nichts Auffälliges festgestellt werden. Aufgrund dieser Erfahrung machte ich mir auch keine Gedanken über die Schmierblutungen in der Folgezeit. Das Gefühl von „Schwanger sein“ stellte sich allerdings auch in dieser Zeit nicht ein und ich wurde langsam etwas ungeduldig, wann denn der Babybauch wächst und wann ich die ersten Bewegungen spüren würde. Ende der 19. Schwangerschaftswoche stand der Zweittrimester-Ultraschall an, bei dem mein Mann zum ersten Mal mitkommen durfte. Die Frauenärztin schallte zum ersten Mal über die Bauchdecke, war jedoch sehr ruhig und schüttelte leicht den Kopf. Nach kurzer Zeit teilte sie uns dann mit, dass unser Kind nicht mehr lebe, der Größe nach wohl schon 2-3 Wochen nicht mehr. Sie gab uns eine Überweisung für die Klinik zur Einleitung. Auf meine Nachfrage, ob ich nicht abwarten könne, dass es von selbst los ging, erwiderte sie, dass das eher unwahrscheinlich sei.
Zum Glück hatte ich mich bereits kurz nach dem positiven Schwangerschaftstest im Geburtshaus in Tübingen angemeldet und wir kannten schon unsere Hebamme Eva Lotte für die Geburtsbegleitung und unsere Wochenbetthebamme Charlotte. Ich kontaktierte zunächst Eva Lotte, die mich beruhigte und mich darin bestärkte, dass ich das Wochenende auf jeden Fall zuhause abwarten könne. Sie selbst war an dem Wochenende unterwegs, hat mir aber angeboten, dass ich mich telefonisch jederzeit melden dürfe, wenn etwas sein sollte.
Mir war klar, wenn es von alleine losgehen soll, dann nur wenn ich in Ruhe zuhause bin, daher sagten wir unsere Wochenendpläne alle ab und machten es uns zuhause auf dem Sofa gemütlich. Mich beschäftigte vor allem die Frage, was mich bei einer kleinen Geburt wohl so erwarten würde. Ich hatte keinerlei Vorstellung davon, ob es sehr schmerzhaft sein würde, wie man merkt, dass es losgeht, ob es ähnlich wie bei einer großen Geburt verschiedene Phasen geben würde… Wirkliche Antworten auf diese Fragen habe ich in der Zeit nicht gefunden, dennoch war ich dankbar über den Podcast „die friedliche Geburt“ (insbesondere die Folgen über kleine Geburten) und den Podcast „Sternenkindliebe“. Gemeinsam mit meinem Mann hörten wir uns einige Folgen davon an und bestellten uns abends noch etwas zu Essen, wenngleich wir beide nicht wirklich hungrig waren. Die folgende Nacht war sehr unruhig, ich überlegte mir, wie groß unser Bauchwunder wohl sein würde, wie es aussehen wird und musste auch immer wieder weinen. Neben meinem Mann war vor allem ein kleines Plüschrenntier „Finni“ in der Nacht mein treuer Begleiter, ich hatte Finni die ganze Nacht in meiner Hand.
Samstagmorgens wachte ich auf, da ich leichte Unterleibsschmerzen verspürte. Ich hörte eine weitere Podcastfolge an, in der es darum ging, dass es bei kleinen Geburten im zweiten Trimester teilweise erforderlich sein kann, zusätzlich eine Ausschabung zu machen, da die Plazenta in diesem Zeitraum nicht darauf eingestellt ist, sich zu lösen. Aufgrund dieser Tatsache entschied ich, dass ich für die kleine Geburt in eine Klinik gehen möchte, sodass ich nicht während oder kurz nach der Geburt noch einen Ortswechsel haben würde. Sicherheitshalber packte ich also eine Tasche für die Klinik. Ich telefonierte nochmals mit Eva Lotte und zusätzlich auch mit Charlotte. Beide bestärkten mich und gaben mir einige Dinge an die Hand, wie lange ich zuhause bleiben kann und wann es erforderlich wäre, in die Klinik zu fahren. Zudem meinte Charlotte, ich solle mich melden, falls die Geburt doch zuhause losgehen sollte. Ich legte mich nochmals zu meinem Mann ins Bett und rückblickend hatte ich da vermutlich einen Blasensprung, jedenfalls spürte ich eine ungewöhnliche Flüssigkeit in meiner Hose. Anschließend bin ich aufgestanden und hatte das Bedürfnis zu duschen. Ich merkte, dass mein Kreislauf nicht so ganz auf der Höhe war und machte es mir daher nach dem Duschen direkt wieder mit einer Wärmflasche auf dem Sofa bequem. Die Unterleibsschmerzen vergleichbar mit meinen Regelschmerzen hielten an und ich musste öfter auf die Toilette. Einmal löste sich dabei vermutlich auch der Schleimpfropf. Zudem hatte ich auch das Bedürfnis kleine Yoga-Übungen wie den Yogi-Squat (Malasana) zu machen. Ein Toilettengang später spürte ich, dass etwas anders war – und hatte plötzlich unser Sternenkind geboren. Ein Glück war die Nabelschnur noch intakt, von der Notwenigkeit in einer solchen Situation ein Sieb mit auf die Toilette zu nehmen, hatte ich bis dahin nämlich noch nichts gehört. Ich nahm unser Sternchen vorsichtig in die Hand und mein Mann baute mir im Badezimmer mit Yogaklotz, Handtuch und Schüssel einen bequemen Platz vor der Heizung. Dort saß ich dann und wir riefen Charlotte an und berichteten ihr, dass unser Sternenkind nun doch zuhause geboren sei. Sie fragte, ob die Plazenta auch schon da sei, was wir verneinten. Charlotte machte sich nach kurzer Rücksprache mit ihrer Kollegin aus dem Geburtshaus auf den Weg zu uns. Mein Mann machte mir von der friedlichen Geburt eine Hypnose zur Förderung der Plazentageburt an. Ich bat ihn mir eine weitere Schüssel zu bringen, da ich erneut den Drang verspürte auf Toilette zu müssen, aber unser Sternenkind mit der Nabelschnur noch mit mir verbunden war. Kurz darauf stellte sich heraus, dass ich nicht wirklich zur Toilette musste, sondern dass nun die Plazenta geboren wird. Wenige Minuten später war Charlotte eingetroffen und als sie mit uns die Plazenta anschaute und meinte, es sieht so aus, wie wenn sie komplett und unversehrt sei, ist mir ein riesengroßer Stein vom Herzen gefallen. Ich war einfach nur froh und dankbar, was mein Körper geleistet hatte und dass die Notwendigkeit eine Klinik aufzusuchen damit auf ein Minimum gesunken war.
Charlotte zeigte uns, dass wir unser Sternenkind in ein Wasserglas geben können, sodass wir uns in den nächsten Stunden bzw. ein paar Tagen von ihm verabschieden können. Wir waren so fasziniert, dass einfach alles sichtbar war an unserem Sternchen – Zehen, Beine, Finger, Arme, Augen, Ohren, die Nabelschnur, über die es mit der Plazenta verbunden war… Eigentlich ein fertiges Baby, nur in sehr klein, unser Sternchen war ca. 10 cm groß – genau wie mein Plüschrenntier. Insofern waren wir uns schnell einig, dass unser Sternchen den Namen Finni bekommt.
Charlotte kam am Abend nochmal vorbei, um zu schauen, wie es mir ging, fühlte, ob sich die Gebärmutter bereits zurückgebildet hat und gab uns noch einige Tipps, worauf wir achten sollten. Da ich aber weder Fieber noch sonstige Anzeichen einer Infektion bekam, konnte ich die Folgetage – mein Wochenbett – ganz in Ruhe zuhause verbringen. Wir waren so froh und dankbar über die Unterstützung durch Charlotte und das Know-How des Geburtshauses. Charlotte kam anfangs täglich und hatte immer wieder neue Informationen und gute Ideen für uns. Sie brachte uns zudem eine kleine Box mit, die der Verein „Stilles Wunder“ ehrenamtlich zur Verfügung stellt. Darin waren liebevoll gestrickte Mützchen, Socken, Handschuhe und ein Stoffdeckchen, in welches wir Finni nach ein paar Tagen liebevoll und weich betten konnten. Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir so selbstbestimmt, liebevoll und in unserem eigenen Tempo Abschiednehmen konnten. Aufgrund einer glücklichen Fügung hatten wir die Möglichkeit, dass Finni gemeinsam mit anderen Sternenkindern des Klinikums verabschiedet und im Sternenkindergrab beerdigt werden konnte.
Gerne möchten wir uns an dieser Stelle nochmals bei dir liebe Charlotte, dem Geburtshaus Tübingen und allen weiteren in diesem Bericht erwähnten Personen und Vereinen bedanken. Wir haben uns nach der kleinen Geburt sehr gut betreut und begleitet gefühlt und sind wirklich dankbar dafür, welche Unterstützungsmöglichkeiten es inzwischen gibt. Unser größter Wunsch ist, dass wenn Eltern ein Kind verabschieden müssen, sie es so oder so ähnlich erleben dürfen, wie wir es erlebt haben. Eine kleine Geburt muss nicht zwangsläufig ein traumatisches Ereignis sein, sondern kann durchaus auch ein magisches und stärkendes Ereignis für das weitere Leben sein.