Lara

Geburtsbericht 

 

Ich war am Samstag den 21.07.2023, ET+11 das letzte Mal bei euch im Haus. Leider haben die Wehen bisher nicht von selbst begonnen und nach einem Kaiserschnitt wird mir im Geburtshaus kein Rizinuscocktail gegeben. Alle Alternativen zur natürlichen Einleitung hatte ich schon durch. Daher habe ich mich nun in der Klinik vorgestellt. Mir wurde ganz viel Kraft und Ruhe gewünscht, dass alles so wird, wie wir es uns wünschen und erhoffen. Wir haben uns ganz ganz fest gedrückt und so wie die Tür hinter mir zu gefallen ist, so bin ich in Tränen ausgebrochen, weil ich wusste, es wird nicht so schön wie ich es bei euch hätte haben können. 

 

Zuhause habe ich die Geburtshaustasche in einen Klinikkoffer umgepackt und mit meiner Mama abgeklärt, dass sie jetzt eine Woche meine große Tochter zu sich nimmt um ihr ein hin und her zwischen Papa und Omi und Klinik zu ersparen. Sophia ging also in Urlaub zu ihrer Omi. 

 

Am nächsten Morgen haben wir nicht wie sonst ein schönes Sonntagsfrühstück gehabt, sondern wir haben Sophia weggefahren und sind zur Kontrolle ins Krankenhaus gefahren. Wie zu erwarten war, wollten sie mich ungern wieder gehen lassen und ich habe zugestimmt zu bleiben. Ich hätte zu wenig Fruchtwasser war die Aussage. Wir sind also zum Auto und haben den Koffer geholt. Gelandet bin ich in einem 4-bettzimmer. Wow… komischer Start irgendwie. 

 

Mir wurde direkt ein Kaiserschnitt anstatt eine Einleitung angeboten, weil gerade Zeit war. Habe abgelehnt. Natürlich! Ich wollte ja auch nie wieder einen Kaiserschnitt. 

 

Weiter ging es dann erst am Montagmorgen mit einem Wehencocktail zum Frühstück. 2 Stunden später, leichte regelmäßige Wehen. Alles super easy. Sind aber über den Tag wieder verflogen. Denis war eine Weile da, ist aber dann auch wieder nachhause. Meine Freundin, die gerade Hebammenwissenschaft  studiert, kommt mich besuchen. Sie arbeitet auch gerade in der Frauenklinik. Sie hat mich die ganze Zeit nebenher betreut, in ihrer Freizeit. Zum Glück! Sie war meine Rettung. 

 

Dienstag morgen. Einleitung mit einer mini Dosis Gel. 

2 Stunden später, regelmäßige Wehen, total aushaltbar. Denis ist gekommen, es war schon Nachmittag. Wir sind Kaffee trinken gewesen und ein bisschen spazieren. Die Wehen werden stärker. Gegen Abend habe ich angefangen sie zu veratmen. Im Kopf immer bei meiner erlernten Atemtechnik aus meinem Hypnobirthing Buch. Mit gehts gut, es freut mich, dass ich Wehen habe, die mich meinem Kind näher bringen. Ich kann alles gut aushalten und habe Spaß meinem Körper zu lauschen, zu beobachten was passiert. Ich bin absolut entspannt und vertrau mir, dass alles was kommen mag, machbar ist. Ich schicke Denis kurz vor Ende der Besuchszeit heim. Die Wehen sind da, alle 4-5 Minuten und ich muss sie weiterhin veratmen aber ich spüre das erst mal nichts weiter passiert. 

 

3 Stunden später rufe ich Denis wieder an er soll bitte kommen, auch wenn es laut Hebamme nicht geht, da ich keine Geburtswehen habe. Ich mach das aber nicht allein. Keine Chance. Ich habe Schmerzen, ich brauche eine vertraute Person bei mir.  Die Hebamme im Dienst, die allein für den ganzen Flügel verantwortlich ist, bringt mich ins Wehenzimmer. Da sitz ich auf meinem Ball wie schon den ganzen Abend. Allein in einem Zimmer, die Wehen sind superstark. Ich schau wie schon den ganzen Tag selbst nach meinem Muttermund. Er ist immer noch bei nur 1-2 cm. Mittlerweile habe ich über 7 Stunden Wehen ohne das sich was an meinem Muttermund tut. 

 

Und auf einmal sind da nur noch wenige Sekunden Pause zwischen den Wehen. Mir war sofort klar, ich habe einen Wehensturm. Meine absolute Horrorvorstellung wird wahr. Panik macht sich in meinem Körper breit. Denis ist noch nicht da. Nach 1,5 Stunden geht die Tür auf, er ist da. Ich breche in Tränen aus und sage leise, dass ich einen Wehensturm habe und hier ganze Zeit allein bin. Ich wusste nicht was ich tun soll. Wir haben geklingelt. Die Hebamme kommt. Was los sei fragt sie mich. Ich kann nicht antworten. Denis übernimmt. Er erklärt die Situation. Ich soll mich frei machen und sagen wann keine Wehe da ist, sie möchte auch nach meinem Muttermund schauen. 

Okay… vielleicht spürt sie was anderes als ich. 

Natürlich schafft sie es nicht in den 10 Sekunden ohne Wehe zu tasten. Die Wehe kommt, ich beiß auf die Zähne, halte es aber nicht aus. Ich drücke ihre Hand weg. 

Es tut sich leider nix, sagt sie. Meine Welt bricht zusammen. 

 

Ich halte weiter aus bis in die frühen Morgenstunden. Denis ist längst zuhause. Ich hab ihn heim geschickt. Mir war klar, mein Baby kommt heute nicht, also kann er auch nach Hause und schlafen damit wenigstens irgendwer hier ausgeschlafen ist. Nach 6 std Wehensturm, in denen ich permanent bei meiner Atemtechnik geblieben bin, war ich am Ende. Ich habe meinem Körper immer wieder gesagt, er darf aufhören, wir brauchen eine Pause und ich brauche gerade keine Wehen. Morgens um 4 hatte ich meine letzte Wehe. Danach bin ich sofort eingeschlafen. 

 

Als am Mittwochmorgen dann die Visite rein kam wachte ich auf. Ich wurde gefragt ob ich es nochmal mit Gel probieren wollen würde. Ja. Aber nur die Hälfte. 

Sie stimmten zu. 30 Minuten später bekam ich das Gel. Denis kam vorbei. Keine Wehen. Ich wusste, dass mein Kopf keine einzige künstliche Wehe mehr zulassen würde. Meine Freundin kam wieder. Sie hat mich ans CTG angeschlossen. Nichts zu sehen. Ich hab ihr gesagt das mein Kopf zu ist, das da nix mehr gehen wird und das ich eigentlich schon eine Entscheidung getroffen hab. 

 

Ich hatte so sehr Angst, wieder in so einen fürchterlichen Sturm zu kommen. Diese Schmerzen waren für mich nicht auszuhalten und doch hab ich es 6 Stunden durchgezogen in der Hoffnung mein Baby bald auf mir liegen zu haben. Aber es stand fest, auch schon bevor ich das 2. mal Gel bekommen hab. Kaiserschnitt.

Es wird wieder ein Kaiserschnitt.

Nie im Leben könnt ich mich nochmal auf diese unnötigen Schmerzen einlassen wenn mein Baby doch einfach nicht raus möchte. Mein einziger Ausweg in diesem Moment war der Kaiserschnitt. 

 

Diese Verzweiflung, dazu vermisste ich unser erstes Kind Sophia schrecklich, die Angst vor den schlimmen  Wehen und das Gefühl allein gelassen zu werden haben, mich dazu gedrängt. 

 

Ich habe also den Ärzten Bescheid gegeben, ich möchte einen Kaiserschnitt. Wäre ich nüchtern gewesen, hätte dieser sofort stattfinden können. War ich aber nicht. Termin um 17 Uhr. Meine Freundin und Denis waren die ganze Zeit da. Ich unterschreib gefühlt 100 Papiere, hatte Aufklärungsgespräche und zog OP-Kleidung an…

17:10 Uhr. Die OP wird auf 20 Uhr verschoben. 

Ich bekomme Wehen. Mein Kopf dreht durch. Sie will jetzt doch raus. Sie ist bereit. Ich bin es auch. Aber nicht mehr auf natürlichem Weg. Ich kann nicht. Ich habe zu große Angst allein gelassen zu werden, vor einem Wehensturm, vor unplanbaren Dingen. Ich brauche jetzt Struktur und einen sicheren Weg für uns. Alles in mir schreit plötzlich laut, auf keinen Fall eine spontane Geburt. 

 

20:30 die Wehen muss ich veratmen. Ich kann nicht glauben das sie JETZT raus will. Ich bekomm Angst. Ich weiss nicht mehr was ich will. Eine Ärztin kommt rein. OP wird verschoben. Auf morgen. 

 

Ich breche in Tränen aus. Ich habe Panik meine Tochter spontan gebären zu müssen. Ich werde laut und sehr wahrscheinlich auch unfair. Ich sage das die OP nicht morgen stattfindet, sondern heute! HEUTE! 

 

Meine Freundin war nämlich drüben im Kreißsaal um zu gucken was da los ist und wieso sie jetzt wieder verschoben wird. Der OP war leer! 

 

Es wird mit mir Ewigkeiten diskutiert.  Warum ein Kaiserschnitt, warum heute Morgen noch Gel, warum hab ich mich umentschieden? 

WEIL ICH DAS SO WILL. MEIN KÖRPER, MEINE ENTSCHEIDUNG. 

 

 OP um 22 Uhr! 

 

22:15 

Sorry, Not OP! 

Ich weine. Mein Mann und meine Freundin sind immer bei mir und fangen mich auf, sprechen mir Mut zu! 

Meine Wehen werden stärker, meine Angst auch. 

 

23:20

„ Sind sie sich sicher mit dem Kaiserschnitt? Sie haben Wehen die etwas bewegen können!“ 

„Ja ich bin sicher und die Wehen bewegen gar nix! Mein Muttermund war noch immer gleich. Es tut sich nichts.“

„Also gut dann bekommen sie morgen früh ihren Kaiserschnitt.“ 

Ich flippe völlig aus! 

„Morgen früh? Wollt ihr mich verarschen? Ich unterschreibe 100 Blätter, liege seit 17 Uhr in OP-Kleidung rum, meine OP wird andauernd verschoben und jetzt soll das erst morgen früh sein? Ihr schneidet auf der Stelle meinen Bauch auf und gebt mir mein Kind auf den Arm sonst verpiss ich mich in 5 Minuten in ein kompetentes Krankenhaus“

Meine Freundin erklärt der Ärztin meine Worte in einer freundlichen Version und ruhigem Ton noch einmal und sagt der Ärztin das sich wirklich nix tut am Muttermund und dass ich meine Entscheidung gut überdacht hab und ich wirklich gehe, wenn jetzt nix passiert. 

Die Ärztin geht wortlos raus. 

Denis nimmt mich in den Arm. Meine Freundin auch. Ich bin völlig aufgelöst. Hab unendlich Angst, dass jetzt gar nix mehr passiert. Hasse das Gefühl, dass meine Meinung nix wert sei und mir meine Meinung abgesprochen wird. 

Die Ärztin kommt rein. 

„Sie können jetzt in den OP“

 

Ich gehe mit Denis und meiner Freundin in den OP. Die 2 gehen sich umziehen. Ich lege mich hin, veratme meine Wehen. Die Reinigungskraft ist noch da und grüßt freundlich. Ich mach meine Augen zu und lege mich aufs Bett. Ich konzentriere mich wieder voll und ganz auf meine Atmung. Menschen kommen rein und raus. Ein bisschen hektisch fühlt es sich an. Macht mir aber nix. Ich bin in meiner eigenen Welt und atme einfach. 

 

Denis und meine Freundin kommen. Wir gehen vom Vorraum in den OP. Alle möglichen Leute stellen sich vor, ich hör nicht richtig zu, bleibe mit meinem Kopf bei der Atmung. Ich setzte mich hin. Der Anästhesist erklärt und macht was er machen muss. Spritze für die Spinalanästhesie zu kurz, wie beim ersten Kaiserschnitt. Ich hab ständig Wehen. Ich veratme. Meine Freundin und Denis übernehmen das Sprechen für mich. Ich soll mich hinlegen. Er wird gemacht was gemacht werden muss. Ich bleib ruhig. 

Meine Freundin erklärt mir zu jeder Zeit was passiert und was sie sieht. Das ist so beruhigend für mich. Sie macht das unendlich gut. Denis hält meine Hand. Ich werde aufgeschnitten. Ich frage ob ich sehen darf, wie sie raus geholt wird. Das Tuch wird runter gemacht. Ich sehe alles! Ich darf sehen wie mein Kind zur Welt kommt.

 

0:50

 Ich hör mein Kind schreien. Die Tränen laufen über mein Gesicht. Wir freuen uns. 

Denis darf zu unserer Lara. 

Meine Freundin ist pausenlos bei mir, streichelt mich, hält mich, gibt mir Sicherheit, erklärt was passiert. Ich bin in Trance. Ich weiß nicht wie lang das alles ging, was zwischendurch passiert ist und wer da alles was gemacht hat. Aber es war gut, es war sehr gut. Ich fühl mich gut. Denis kommt mit Lara zu mir. Ich darf sie küssen, sie liegt neben meinem Kopf und wir sind alle zusammen. Mir kommen die Bilder von Sophia in den Kopf. Im Brutkasten, verkabelt, mit Sauerstoffmaske, ich konnte sie nicht berühren und sie kam sofort in die Kinderklinik. Ich bin so froh das Lara bei mir liegt. Neben meinem Kopf. Meine Freundin hält sie, Denis und ich schauen sie an. 

 

Es war so perfekt wie es in dem Moment war. Es war trotz allen Umständen eine wunderschöne Geburt. Entspannt, ruhig, ohne Stress. 

 

Es passieren alle möglichen Dinge. Bilder werden gemacht, ich werde zugenäht. Wir werden beglückwünscht. Ich werde wieder ins Bett umgelagert und plötzlich sind wir in einem andern Raum. Meine Freundin macht mein OP Hemd auf. Sie legt dieses winzig kleine Kind auf meine Brust. Ich mach die Augen zu und kann nicht fassen das sie auf mir liegt. Mein eigenes Kind das vor 10 Minuten noch in meinem Bauch war. Ich liebe sie so sehr. Ich spüre nichts als Liebe.  Mein 2. Kind, aber das Erste das als Neugeborenes auf meiner Brust liegt während wir beide nackt sind. Ich weine. Ganz viel und lang. Sophia lag mit 5 Wochen das Erst mal auf mir. Ich bin so glücklich über genau diesen Moment. Ich kann meine Augen nicht auf machen. Ich kann wirklich nicht glauben das sie einfach völlig zufrieden und gesund auf mir liegt. 

 

Nach einer Weile legen wir sie das erste Mal an. Sie trinkt. Es klappt wunderbar. Ich stille zum aller ersten Mal in meinem Leben. Überwältigend! Denis ist stolz auf uns. Er streichelt uns die ganze Zeit. Wir sind alle zusammen auf Wolke 7. 

Ich weiss nicht mehr was dann alles passiert ist. Ich war so so so sehr müde und überwältigt von der Situation. Meine Freundin und Denis sind irgendwann zusammen nach Hause und ich war irgendwann wieder auf Station. 

 

07:05

Richtig geschlafen habe ich nicht. Richtig wach war ich aber auch nicht. Wir liegen immer noch nackt im Bett. Ich bin in einer ganz neuen Welt. Ich habe zum ersten Mal ein Neugeborenes um das ich mich kümmern darf. 

Das Frühstück kommt. Lara schläft. Ich esse etwas. Visite kommt rein. Ob ich Schmerzen habe, werde ich gefragt. Ich habe keine Schmerzen. Gar keine. Ich bin einfach nur glücklich und genieße jede Sekunde. 

 

 

Ihr Lieben, alles was danach passiert ist würde jetzt den Rahmen absolut sprengen. Aber ich hoffe ihr habt einen kleinen Einblick bekommen, wie alles abgelaufen ist. Danach ging es ungefähr so weiter wie es vor dem Kaiserschnitt war. Unbefriedigend. Ich war oft sauer und hatte ein Gefühl von Ohnmacht. Aber gut.. wir sind nach 5 Tagen nach Hause. Ich hatte keinen Besuch außer Denis und Sophia. Unser richtiges Kennenlernen zuhause war Wunder Wunder schön. Ich hatte ein wundervolles Wochenbett eine tolle Hebamme und wahnsinnig tolle Freunde die mich unterstützt haben. 

 

Ich bin unendlich dankbar und stolz auf Denis und meine Freundin die mich so so so gut unterstützten. Ohne meine Freundin hätte ich in dieser Nacht diesen Kaiserschnitt nicht in diesem Krankenhaus bekommen! Sie hat das alles in ihrer Freizeit für mich gemacht. Ich bin ihr so krass dankbar für immer! 

 

Liebes Geburtshausteam, ich hoffe ich darf bald trotzdem mal vorbei kommen und euch Lara vorstellen. Ich würde mich sehr freuen euch nochmal zu sehen und zu drücken und vielleicht einen kleinen Kaffee zu trinken und mich dann nochmal persönlich bei euch für eure krasse Unterstützung, eure Hilfe und eure wundervolle Arbeit zu danken. 

 

 

Ganz liebe Grüße

 

 

 

 

Anmerkung des Geburtshauses:

 

Jaaaaaa,

unbedingt vorbei kommen. Wir wollen die kleine Lara kennenlernen. 😊

 

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