Eigentlich war ich der festen Überzeugung gewesen, dass unsere Tochter vor dem ET auf die Welt kommen würde…waren doch meine drei Geschwister und ich selbst sowie die Halbgeschwister unserer Tochter alle vor ET geboren worden…ich vermute, unser Töchterchen wollte uns gleich mal zeigen, dass mit Kindern vieles anders ist als man plant / denkt 😉
Und so verbrachte ich die ersten Tage nach ET mit der Vornahme, die Zeit noch „genießen“ zu wollen – nichts mehr tuend, Dokus anschauend, mit meinem Mann essen gehend, wartend… am Freitag Morgen, 4 Tage nach ET, redete ich meiner kleinen Tochter – noch im Bett liegend – gut zu, dass wir die Geburt dieses Wochenende anpacken würden. Ein ruhiges Wochenende, inklusive Feiertag, liege vor uns, Papa sei daheim – wunderbare Voraussetzungen für eine Geburt. Am Vormittag ging ich noch in Rottenburg Kaffee trinken und Zeitung lesen – das hatte ich auch schon ewig nicht mehr gemacht (und seitdem auch nicht mehr 😉, liegt aber auch an Corona).
Am Abend um ziemlich genau 0 Uhr begannen die Wehen. Für mich war sofort klar, dass das Geburtswehen waren. Schon seit zwei Monaten hatte ich Senkwehen gehabt, die Kleine saß daher schon sehr tief im Becken und ich konnte gut einschätzen, dass das nun keine Senkwehen mehr waren. Diese Wehen fühlten sich mehr wie Regelschmerzen an und waren intensiver. Sie kamen von Anfang an im 6-Minuten-Takt und dauerten anfänglich etwa 20 Sekunden. Um Mitternacht waren sie noch gut auszuhalten und ich schickte meinen Mann ins Bett – ich würde ihn wecken, wenn ich glaubte, dass es Zeit für den Aufbruch sei.
Der Schleimpfropf ging dann auch bald ab (das war auch eindeutig der Schleimpfropf – in den Wochen davor war ich immer mal wieder unsicher gewesen, ob er nicht schon abgegangen wäre, aber das war dann doch eindeutig rot 😉) und die nächsten Stunden verbrachte ich auf der Couch – Wehen veratmend und zwischendurch schlafend. Ich wollte noch so viele 6-Minten-Intervalle wie möglich Kraft sammeln und ich muss sagen, das klappte erstaunlich gut: Wehe – schlafen – Wehe – dösen – Wehe – … im Nachhinein bin ich erstaunt, wie ruhig ich war. Wahrscheinlich war ich in dieser Zeit schon in diesem „Tunnel“. Auch dank der Tage, die nach ET vergingen, war ich relativ gut auf die Geburt „vorbereitet“. Ich hatte viele Geburtsberichte gelesen, die mir viel gegeben hatten (daher schreibe ich nun auch einen Bericht), Hebammen-Youtube-Videos angeschaut, Schwangerschaftsyoga gemacht und so war ich anscheinend irgendwie sicher, dass wir auf dem „richtigen Weg“ waren.
Je mehr es auf den Morgen zuging, umso länger und intensiver wurden die Wehen. Irgendwann musste ich zwischen jeder 2. bis 3. Wehe auf Toilette und das war auch gut so, ansonsten hätte ich mir im Geburtshaus glaube ich einen Einlauf geben lassen – da hätte ich mich wohler gefühlt. Gegen 3 Uhr lies ich Wasser in die Wanne laufen und nahm ein Bad. Eine Frau hatte in einem Geburtsbericht mal geschrieben, dass sie sich in der Wanne wie ein Wal in der Sardinenbüchse fühlte und genauso ging es mir auch…unbequem, keine Bewegungsfreiheit – also wieder raus aus der Wanne. Irgendwann schlugen mir die Wehen auf den Magen – ich hatte Brechreiz und hing nun vorwärts über der Toilette…Wahnsinn, wie der Körper nach 33 Jahren – ohne sowas zuvor schon einmal geleistet zu haben, plötzlich ein automatisches Programm auffährt, um alle Energie nun in die Geburt zu investieren und dieses Kind hinaus zu befördern…faszinierend! Und das läuft völlig automatisch ab… Irgendwann war ich schon richtig im Tunnel, das einzige, worauf ich noch achtete, war, dass ich mein Kindchen in regelmäßigen Abständen noch strampeln spürte. In den frühen Morgenstunden beschloss ich, die Wimperntusche, die ich gegen 23 Uhr entfernt hatte, nun wieder aufzutragen. Wenn ich gewusst hätte, wieviel Schweiß man in der Endphase der Geburt verschwitzt, hätte ich das wohl bleiben gelassen…nach der Geburt war die Wimperntusche überall, aber nicht mehr auf den Wimpern 😉
Gegen 7 Uhr morgens schaute mein Mann nach mir und ich sagte, dass ich nun bald die Hebamme anrufen würde. Die Wehen waren stark, kamen ca. alle vier Minuten und dauerten inzwischen ca. 45 Sekunden. In einer Wehenpause rief ich Antje an und kündigte an, dass wir bald kommen würden. Antje sagte, dass sie nun bald im Geburtshaus wäre und wir jederzeit kommen könnten. Mein Mann (der ja schon 2 Kinder hat), war wohl der Meinung, dass das noch eine Weile dauern könnte und redete mir gut zu, noch nicht gleich aufzubrechen. Ich wechselte ins Bett, wo er mir Musik abspielte. Es war eine Mischung aus Meeres- / Windrauschen und Vogelgezwitscher und tat sehr gut. Ich versank in eine Art Trance, die Wehen kamen und gingen. Noch einmal mit Brechreiz zur Toilette – wieder zurück aufs Bett.
Durch die Schwangerschaftsyogapraxis hatte ich mir eine bewusste Atmung angewöhnt: tief einatmen und beim Ausatmen (Mund o-förmig und mit Atemgeräusch, aber ohne tönen – irgendwie lag mir das nicht so) zählte ich die Sekunden. So ließen sich die Wehen einigermaßen gut veratmen. Der Gedanke, die Wehen als „Freundinnen“ anzusehen, die mich Stück für Stück meinem Kind näherbringen, half über den gesamten Geburtsprozess hinweg.
So verbrachte ich noch einige Zeit auf dem Bett. Als die Wehen im 3-Minuten-Takt kamen und sehr stark waren, wollte ich ins Geburtshaus aufbrechen. Allerdings hatte mein Mann, der nun Antje erreichen wollte, mit Netzproblemen zu kämpfen, wodurch sich unsere Abfahrt nochmal um einige Zeit nach hinten verschob. Gegen 11 Uhr kamen wir dann dort an.
Auf der Autofahrt kamen drei weitere Wehen und als wir im Geburtshaus ankamen begrüßte uns Antje und führte uns in ein Vorsorgezimmer, da das Geburtszimmer noch fertig gerichtet werden musste – eine andere Familie war gerade gegangen. Während der nächsten Wehe platzte die Fruchtblase und Antje tastete in der nächsten Wehenpause, dass der Muttermund bei ca. 8 cm war. – Wechsel ins Geburtszimmer – Ich bekam dann schon relativ bald Pressdrang und Antje ermutigte mich, dem noch zu widerstehen, damit sich der Muttermund noch vollständig öffnen könne. So veratmete ich 2 Wehen in der Knie-Ellenbogen-Lage. Antje hörte nun in regelmäßigen Abständen die Herztöne unseres Kindes ab – alles gut – wie erleichternd!
Als der Muttermund soweit war, dass die Austreibungsphase beginnen konnte, wechselten wir in den Wehenpausen zunächst zwischen Kniestand vor dem Bett und Gebärhocker. Im Gebärhocker fand ich aber keine gute Position und so blieb ich dann einfach in der Hocke vor dem Bett. Mein Mann saß auf dem Bett, ich meine Arme / Oberkörper auf seinem Schoß. So konnte er mich super unterstützen, indem er in den Wehen einfach Widerstand leistete / ich kräftig an seinen Armen ziehen konnte. Ich glaube, am Ende habe ich ihn sogar gebissen. Ich finde es immer noch gewaltig, welche Kraft der Körper in dieser Phase entwickelt. Ohne dass ich etwas tun musste, katapultierte mich mein Körper von einer in die nächste Wehe, in der mein gesamter Unterleib – ausgehend von der Gebärmutter – nach unten drückte / sog …ich glaube, ich hatte aber auch wirklich starke Wehen. Aber die Natur hat das schon gut eingerichtet: Die Wehenpausen geben einem immer wieder kurz Zeit zum aufatmen und kommunizieren. Antje konnte inzwischen schon die Haare unseres Kindes sehen und schlug vor, dass ich nach dem Köpfchen tasten könnte. Das „traute“ ich mich zuerst nicht, machte es später doch und fühlte etwas so Weiches, dass ich nicht glauben konnte, dass ich nun das Köpfchen berührt hatte. In dieser Geburtsphase kamen während der Wehen Geräusche aus meinem Mund, die ich davor weder geübt noch gehört hatte…Ur- /Pressgeräusche die ich wohl auch nicht wiederholen könnte und einfach nur intuitiv waren. In den Tagen nach der Geburt stellten wir fest, dass unser Töchterchen sehr starke Oberschenkelmuskeln hat und diese setzte sie zum Ende der Geburt auch ein: Ich bin mir sicher, dass sie sich bei der „letzten“ Wehe im Bauch abgedrückt und nach draußen gestoßen hat. Sie kam in einer Wehe ganz raus. Das war um 12:30 Uhr. Anscheinend hatte sie die Nabelschnur einige Male um den Hals gewickelt, wir sahen das nicht. Antje entfernte die Nabelschnur vom Hals und legte sie dann so zwischen meine Beine, dass ich sie sehen und hochnehmen konnte. Ein wunderschöner Augenblick – sie schaute mich mit ihren dunklen Augen direkt an. Weil sich meine Gebärmutter (vielleicht auch weil die Nabelschnur einige Male um den Hals gewickelt und damit verkürzt war) „nach Duncan“ und nicht „nach Schultze“ (wie in 80 % der Fälle) löste, verlor ich direkt nach der Geburt relativ viel Blut. Ich glaube, diese Situation war für die Hebammen etwas stressig, weil sie erst einmal die Ursache für den Blutverlust herausfinden und sich dann um die Stillung der Blutung kümmern mussten. Aber sie haben das wunderbar gemacht und ich habe mich die ganze Zeit in sicheren Händen gefühlt. Jedenfalls musste unsere kleine Jara dann erst einmal noch kurz warten, bis sie gestillt und gekuschelt werden konnte. Das forderte sie dann auch mit sehr lautem Schreien ein 😊 Während Antje und Chris meine Geburtsverletzungen nähten durfte Jara dann mit Papa kuscheln. Eine Hebammenschülerin, die bei der Geburt dabei war, vermutete direkt danach, dass unser Kindchen rote Haare bekommen würde und sie sollte Recht behalten – ein paar Tage später konnten wir das dann sehen 😊
Wir sind froh und dankbar, dass wir die wertvolle Unterstützung und Begleitung der Geburtshaus-Hebammen während der Schwangerschaft und Geburt hatten. Das Geburtshaus vermittelt einem durch die guten Menschen, die dort arbeiten, ein totales „Wohlfühl-Gefühl“, was für die Geburt wahrscheinlich unbezahlbar ist, weil man sich dann richtig „fallen lassen“ kann. Auch das Gefühl, gebären zu können, habe ich hier vermittelt bekommen. Herzlichen Dank dafür Antje – es war einfach die beste Entscheidung ins Geburtshaus zu gehen und ich muss sagen, ich war fast ein wenig traurig, als durch die Geburt die „Geburtshaus-Zeit“ erst einmal endete 😉