Es war der 01. November 2019 und mit diesem Tag kam die Erleichterung, es bis in die Rufbereitschaftszeit geschafft zu haben. Nachdem uns unser erstes Kind über zwei Wochen vor dem ET überraschte, bereitete ich mich darauf vor, dass Nummer zwei wohl auch nicht ewig auf sich warten lassen würde.
So kamen die Tage und gingen wieder und ich verspürte, wie auch vor der ersten Geburt, ziemlich starke Senkwehen. Am 07. November ging ich mal wieder zum Schwangeren-Yoga und hoffte insgeheim, dadurch vielleicht die Wehen anstoßen zu können. Und tatsächlich wachte ich am Morgen darauf schmerzgeplagt auf und konnte nicht mehr schlafen. Es waren keine normalen Wehen, die kamen und gingen, sondern eher ein dauerhaftes, schmerzhaftes Gefühl im Unterbauch, das mal fast unerträglich stark war, mal einfach nur stark.
Mein Freund und ich verbrachten den Tag damit, alles bereit zu machen und für die Kinderbetreuung zu sorgen. Nur an der Intensität dieser Wehen oder Schmerzen änderte sich den ganzen Tag über nichts und dann, in der Nacht darauf, verschwand alles so schnell wie es gekommen war. Ich stand am Morgen auf und fühlte mich wie neu geboren. Keine Rückenschmerzen mehr, kein anstrengendes Rumwälzen, mir ging es plötzlich so gut wie lange nicht mehr und ich fühlte mich fabelhaft. Abgesehen davon, dass die Enttäuschung natürlich riesig war, der Kühlschrank ganz umsonst bis oben hin mit Vorräten vollgestopft und Freunde in unnötige Aufregung gebracht.
Und so begann die Warterei. Zwar genoss ich es, wieder fit zu sein, aber dieser Fehlalarm hatte mich ziemlich durcheinandergebracht.
So rückte der ET immer näher, ich ging wieder zum Yoga.. und eine Woche später wieder.. und es rührte sich absolut gar nichts. Dann kam der Tag, an dem laut Berechnungen unser zweites Kind geboren werden sollte, der 22.11., und wir erhielten die freudige Nachricht von Freunden, dass IHR Baby nun auf der Welt war. Schön..
Obwohl mein Freund es hasste, massierte er meinen Rücken mit Wehenöl und ich meinen Bauch, ich versuchte mein Glück mit einer Fußreflexzonenmassage und trank Tee ohne Ende. Dass unsere Nummer zwei sich so lange Zeit lassen würde, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
Doch dann, vier Tage nach dem ET, als ich am Abend zu einer Freundin meinte, er würde wohl für immer im Bauch bleiben, machte sich der kleine Mensch langsam auf den Weg. Ich wachte um 03:30 das erste Mal auf und konnte aber noch einmal einschlafen. Um 04:30 erwachte ich wieder und mit mir unsere Tochter. Ich brachte sie meinem Freund ins Bett, damit die beiden noch etwas Schlaf bekommen. Bei mir war nicht mehr damit zu rechnen.
Ich ging ins Wohnzimmer und richtete alles für die Kita her, dann machte ich mir zwei Wärmflaschen und versuchte, auf dem Sofa etwas zu entspannen. Die Wehen kamen noch unregelmäßig und ich versuchte, nicht allzu laut zu sein.
Gegen 06:30 schrieb ich meiner Hebamme Silke, dass es wohl tatsächlich losgehen würde und die Wehen etwa alle 10 Minuten kämen. Um 08:00 waren es nur noch 6-7 Minuten Abstand. Mein Freund brachte unsere Tochter also in die Kita und ich aß, eher aus Vernunft als aus Appetit, ein Brötchen, während ich über einem Stuhl hockend immer wieder laut durch die Wohnung aaaahte und oooohte.
Die Fahrt ins Geburtshaus war zum Glück kurz, trotzdem veratmete ich bestimmt 5-8 Wehen über Schlaglöchern und an Ampeln. Um 09:15 erreichten wir das Geburtshaus und ich war so unendlich glücklich, Silke zu sehen! Sie holte mich zusammen mit Pia am Auto ab und beide brachten mich ins kleine Geburtszimmer. Dort konnte ich mich direkt auf die Matte vors Bett knien, sitzen ging nämlich gar nicht.
Die Wehen wurden immer schlimmer und es fiel mir schwer, mich über sie zu freuen und zu denken: „Jede Wehe bringt mein Baby ein kleines Stückchen weiter.“
Irgendwann taten meine Knie weh und Silke schlug vor, mich in den Schoß meines Freundes zu legen, sodass sie einmal nach dem Muttermund tasten konnte. 8cm hatte ich schon geschafft, wunderbar!
Ich verblieb ein paar Wehen halb auf der Seite liegend im Schoß meines Freundes, danach ging es wieder auf die Knie vors Bett. Silke fragte mich ein paar Mal, ob ich in die Wanne wolle, aber mir war eh schon so unheimlich warm. „Ich weiß nicht“, flüsterte ich verzweifelt. Und plötzlich wurde es noch wärmer, denn die Fruchtblase platzte.
Wenig später ließ ich mich überzeugen, es in der Wanne mal zu versuchen. Erst kniete ich wieder, danach setzte ich mich hin und bekam einen kalten Waschlappen auf die Stirn – das tat gut! Mein Freund machte den Lappen immer wieder ganz kaltnass und Silke lobte mich nach jeder Wehe und sagte, ich solle mich zwischen den Wehen entspannen und die Pause genießen. Leider hallten die Wehen allerdings ziemlich nach, dass ich zumindest nicht das Gefühl hatte, mich wirklich erholen zu können.
Die Wehen wurden immer stärker und mit jedem Mal dachte ich, das halte ich nicht nochmal aus. Aber dort in der Wanne gab es dann natürlich auch keine andere Möglichkeit, als einfach weiterzumachen. Und bewegen hätte ich mich auch nicht wollen. Und machte weiter, ooohte und aaahte und hoffte, dass es bald vorbei sein würde.
Und plötzlich, ganz anders als bei der ersten Geburt, bei der ich nur Schmerzen verspürte und auch die Wehen kein bisschen auseinanderhalten konnte, musste ich pressen und mein Körper tat es einfach. Silke war kurz rausgegangen, aber als sie mich hörte kam sie sofort wieder. Im Nachhinein muss ich etwas darüber schmunzeln, dass ich anscheinend nochmal so viel lauter war als zuvor..
Ich hatte vor der Geburt wahnsinnige Angst vor einer Dammverletzung, weil die beim ersten Kind relativ tief war. Auch in der Wanne hatte ich noch Angst, doch ganz anders als beim ersten Mal spürte ich, wie sich unser Baby durch mein Becken schob! Was für ein abgefahrenes Gefühl! Und ich wollte unbedingt nach seinem Köpfchen tasten und ja, da war es tatsächlich, gar nicht mehr so weit weg – auch ganz anders als beim ersten Mal, wo ich mich eher davor gefürchtet hatte.
Es kamen weitere Presswehen und ich sprach mir und meinem Baby Mut zu. „Gleich haben wir es geschafft. Gleich kannst du in meine Arme!“
Ich tastete, dass das Köpfchen schon ganz am Ausgang war, lange konnte es nicht mehr dauern. Und dann kam wieder dieser unangenehme Druck nach hinten auf den Damm, doch ich hatte vorher so viel geübt und alle möglichen Techniken angewandt, eine Verletzung zu vermeiden. Pressen! Pressen! Und unten entspannen! Pressen!
Und dann war das Köpfchen geboren und schwamm im Wasser. Ich konnte meine Augen nicht öffnen, aber ich fühlte es. Und mit der nächsten Wehe kam der Körper hinterher. Wow! Unser Baby war geboren!
Silke half mir, es auf die Brust zu nehmen und umwickelte es mit Handtüchern. Was für ein wunderbares Gefühl, diesen kleinen warmen, zarten Körper auf der Haut zu spüren! Ich konnte meine Augen nicht von ihm lassen und war überglücklich.
Silke ließ dann das Wasser ab und die Nachwehen kamen. Sie waren kräftiger als beim ersten Kind, aber die Entschädigung für all das hielt ich ja zum Glück bereits in den Armen.
Ich blieb in der Wanne bis die Plazenta geboren und mein Freund nach dem Auspulsieren die Nabelschnur durchtrennt hatte.
Er ging dann mit unserem kleinen Karl Lowis in den Armen ins Geburtszimmer und Silke und Anja halfen mir, mich abzuduschen.
Im Bett hatten wir dann viel Zeit, uns kennenzulernen und weiterzukuscheln.
10:56 war es, als der Kleine geboren wurde. Wow, nur 6h30 hatte alles gedauert, ich war beeindruckt von meinem Körper – hatte die erste Geburt doch fast 15h gedauert.
Das Gefühl, im Geburtshaus anzukommen und meine Hebamme zu sehen, unter den Wehen ihre ruhige Stimme zu hören, mich an den Armen meines Freundes festzuhalten – das alles half mir so sehr, über die Wehen hinweg zu kommen. Ich wünsche jeder Frau, der es möglich ist und die es möchte, solche eine schöne Geburt zu erfahren. Und auch wenn ich während der Wehen zu meinem Freund sagte, ich wolle auf gar keinen Fall noch ein Kind, so sind es doch nur ein paar Stunden (zugegeben ziemlich starker und einnehmender Schmerzen) – und wert sind sie es allemal!