Meine Mutter hat mich als eines der ersten Kinder im Hamburger Geburtshaus zur Welt gebracht. Was sie mir davon erzählte, stand in großem Kontrast zu den schmerzhaften, vollkommen fremdbestimmten und irgendwie einsamen Geburten, die ich als Medizinstudentin in deutschen und ecuadorianischen Krankenhäusern miterlebt hatte. Während der Schwangerschaft spürte ich sehr deutlich, dass ich für die Geburt meines ersten Kindes einen Ort suchte, an dem ich mich geborgen und gut aufgehoben fühlte und dass ich mir eine Hebamme wünschte, die ich schon in der Schwangerschaft kennenlernen konnte und der ich vertraute.
In der Nacht nach dem errechneten Termin ging ein Schleimpfropf ab und ich spürte, dass sich in meinem Bauch immer wieder etwas tat, mal mehr, mal weniger. Die Rückenschmerzen in der linken Flanke, die ich schon in den Wochen davor immer wieder hatte, wurden bohrender. Am Freitagmorgen, zwei Tage nach dem errechneten Termin, hatte ich einen Kontrolltermin bei meiner Frauenärztin. Sie fand das CTG so schlecht, dass sie mich am liebsten direkt in die Klinik geschickt hätte. Sie meinte, die Fruchtblase sei kurz vorm Platzen, der Muttermund schon 3-4cm geöffnet, mein Kind würde auf jeden Fall heute noch auf die Welt kommen, vielleicht ganz schnell. Damit hatte ich nicht gerechnet und ich heulte erst einmal los. Die Frauenärztin schlug vor, dass meine Hebamme bei mir zu Hause noch einmal ein CTG schreiben würde. Als Katharina gegen Mittag kam, waren die Herztöne meines Kindes ganz wunderbar und sie beruhigte mich. (Dass sie in der Praxis so schlecht waren, lag vermutlich an meiner Körperlage…)
Bald nachdem Katharina wieder weg war, hatte ich beim Herumlaufen in der Wohnung immer wieder eine stärkere Wehe, die ich im Stehen mich abstützend gut veratmen konnte. Mein Mann kochte ein Mittagessen, von dem ich nur wenig aß, und packte dann die letzten Sachen zusammen. Wir legten uns zusammen ein bisschen auf unser Bett, aber lange hielt ich es wegen der jetzt fast unerträglichen Rückenschmerzen nicht aus. Ich versuchte es in der Badewanne, was die Schmerzen für eine kurze Zeit verbesserte. Die Wehen waren mal mehr, mal weniger intensiv, und mein Mann bestärkte mich darin, bald zum Geburtshaus aufzubrechen. Nach einem Telefonat mit Katharina riefen wir ein Taxi, das uns gegen 19 Uhr ins Geburtshaus brachte. Katharina begrüßte uns wie immer sehr fröhlich und wir kamen erst einmal in Ruhe an. Ich saß ein paar Minuten auf dem Ball; die Wehen waren nun gar nicht mehr so intensiv und die Abstände groß. Katharina schlug vor, einen Spaziergang zu machen, und mir gefiel die Idee. Langsam, mit vielen Pausen, spazierten wir hoch bis zum Waldrand und wieder zurück ins Dorf. Mein Mann redete fast die ganze Zeit und schaute sich ausgiebig um, was mich schön ablenkte und mir das Gefühl gab, einen ganz normalen Spaziergang zu machen. Das tat gut, aber zurück im Geburtshaus hatte ich das Gefühl, es passierte überhaupt gar nichts mehr und wir könnten wieder nach Hause – ich war frustriert. Katharina bot mir ein homöopathisches Mittel an, das dafür sorgen sollte, dass die Geburt entweder richtig in Gang käme oder sich beruhigte – wie es eben sein sollte. Obwohl ich an der Wirkung homöopathischer Globuli zweifle, nahm ich das Angebot gerne an, vor allem, weil ich Globuli aus der Kindheit kannte und sie mir in dieser Situation ein Gefühl der Geborgenheit gaben. (Darüber muss ich mittlerweile sehr schmunzeln.) Ich legte mich auf das Bett in Seitenlage, weil ich hoffte die Rückenschmerzen so besser aushalten zu können, und mein Mann massierte mir das Kreuzbein. Jetzt waren die Wehen deutlich stärker als zuvor und darüber war ich froh. Irgendwann spürte ich etwas Nasses zwischen meinen Beinen und überlegte, ob es Fruchtwasser sei. Ich ging auf die Toilette und testete danach mit einem Streifen, der meine Vermutung bestätigte. Ein paar Wehen später musste ich mich übergeben, kurz darauf kam ein großer Schwall Fruchtwasser. Ich hätte gedacht, ich würde mich jetzt furchtbar eklig fühlen, aber seltsamerweise störte mich das alles gar nicht und ich fühlte mich ein bisschen wie befreit. Ich kniete jetzt vor dem Bett und stütze mich auf den Knien meines Mannes ab, die Wehen waren stark und ich konzentrierte mich vollkommen auf meinen Atem. Bald hatte ich das starke Bedürfnis, aktiv mitzuschieben und fragte Katharina (überflüssigerweise), ob ich dürfe. Es tat gut, die Wehen nicht nur wie eine Welle über mich strömen zu lassen und aushalten zu müssen, sondern selbst etwas zu tun. Ich war jetzt ganz bei mir selbst und schob langsam – so, dass es sich für mich richtig anfühlte – unser Kind nach unten. Es war gut, zu wissen und zu spüren, dass mein Mann da war und mich hielt und Katharina neben mir saß, ab und zu die Herztöne kontrollierte und mich ermunterte. Ich spürte, wie mein Kind langsam tiefer kam, zwischendurch tastete ich selbst das Köpfchen, bis es schließlich kurz vor 23 Uhr vor mir auf dem Boden lag. Vorsichtig nahm ich es hoch und legte es auf meinen Bauch – gar nicht so einfach, wo es doch noch ganz glitschig-nass war und auch noch an der Nabelschnur hing… Katharina versorgte uns mit einer Wärmflasche und Handtüchern und dann konnten wir erst einmal ganz für uns zu dritt sein und uns kennenlernen.
Die Geburt unserer kleinen Tochter ist für mich eine Erfahrung, die mich bis jetzt immer wieder beschäftigt, ein irgendwie ganz neues, großes, einschneidendes Ereignis in meinem Leben, mit unheimlich viel Kraft. Es macht mich stolz und gibt mir immer wieder Selbstbewusstsein und Mut für die Aufgaben und Herausforderungen als Mutter.
Liebe Katharina, ich möchte dir von Herzen Dankeschön sagen für deine liebevolle, aufmerksame, respektvolle und fröhliche Begleitung! Du hast stets gespürt, was ich brauche und mich darin bestärkt, dass ich das schaffe. Ich bin sehr dankbar, dass ich unsere kleine Tochter in Geborgenheit und Ruhe zur Welt bringen konnte.