Geschrieben aus der Sicht des Vaters
Es ist der Morgen des 02.05.2018 und ich wache gegen 6.20 Uhr auf, als mir meine Frau noch im Bett sagt: Schatz Du kannst noch etwas liegen bleiben, denn heute brauchst Du nicht zur Arbeit gehen…Denn Ihre Fruchtblase ist die Nacht um 2.45 Uhr gesprungen.
Dann soll es also am 02.05.2018 soweit sein, dass wir unser Kind (aktuell wissen wir noch nicht ob sich ein Junge oder ein Mädel uns zeigen wird) auf den Weg zum Licht begeben wird. Das es dann doch ein Marathon weit in den 03. Mai werden wird, kann zu dem Zeitpunkt ja keiner ahnen.
Wir schreiben daraufhin unserer Hebamme Katharina eine SMS mit den wesentlichen Infos und trinken erstmal entspannt einen Kaffee und lauschen mal mit einem klassischen Hörrohr nach den Herztönen, also im guten Bereich von rund 130 FHF/min.
Während eines lockeren Spaziergangs am Rande des Schönbuchs werden die Wellen allmählich kräftiger im Takt von ca. 12-15 Min, aber alle noch sehr moderat. Katharina kommt gegen 11.45 Uhr für einen ersten Check der Lage. Da wir ja eine Hausgeburt planen, vereinbaren wir, uns wieder zu melden, wenn die Wellen im Takt von < 5 Min und intensiver kommen.
Den Nachmittag verbringen meine Frau und ich mit der Vorbereitung der Wohnung und gemeinsame Einstimmung auf das was kommen mag. Wir sind beide sehr bei uns und frohen Mutes die kommenden Stunden als „Geburtsteam mit Katharina und Sonja“ zu erleben.
Gegen 17 Uhr sind die Wellen dann sehr deutlich zu veratmen und im Zeittakt von 3-4 Minuten, so dass Katharina und Hebammenschülerin Sonja kurz vor 18 Uhr dann mit „Sack & Pack“ bei uns einziehen.
Ich sorge dafür, dass sich unser „Geburtsraum = die Wohnung“ mit angenehmer Atmosphäre füllt, durch entspannte Musik, entzünden von Räucherstäbchen und später auch Kerzen. Dies folgend den Wünschen meiner Frau den Ort zu schaffen, wo Sie sich am wohlsten fühlt.
Gegen 19.15 Uhr fühlt meine Frau selbst, dass Ihr Muttermund gut 2 Finger breit geöffnet ist, es geht also tatsächlich in die heiße Phase, wobei meine Frau nach mittlerweile rund 12 Std Wellentätigkeit sicher eine weitere Öffnung erhofft hatte.
Im weiteren Verlauf des Abends, unterstützt Katharina mit vielen Hinweisen, Vorschlägen und Ideen, immer wieder neu Positionen zu finden, um die Eröffnung des Muttermundes weiter voran zu bringen. Meine Frau ist somit mal in der Hocke in der Küche, dann vorn übergebeugt auf einem Stuhl sitzend oder anlehnend, in Seiten oder Rückenlage bei unserer Couch und dann auch in der Badewanne ganz tapfer am „Wellen Reiten“…Dabei misst Sonja immer wieder die Herztöne unseres Krümels, hier bleibt alles sehr relaxed im guten Bereich von immer 125 – 150 FHF/min. Auch wenn es meiner Frau mit fortlaufender Dauer immer schwerer wird Kraft und Puste zu finden, scheint es den Knirps im Bauch nicht zu beeindrucken.
Diversen Musik- und Stellungswechseln folgend, kommt gegen 0 Uhr der Hammerschlag auf den Mut und die Hoffnung meiner Frau. Nach gut 24 Stunden wach (da sie nach der Öffnung der Fruchtblase nicht mehr schlafen konnte) ist der Muttermund erst ca. 5-6 cm geöffnet. Eine gewisse Resignation beginnt meine Frau in Besitz zu nehmen, da auch die Energie von Stunde zu Stunde abnimmt. Wir beschließen, dass Katharina und Sonja sich etwas ausruhen. Ich gehe derweil mit meiner Frau ins Bad, damit Sie sich in der Wanne etwas entspannen kann. Ich spüre, dass es nun vollste Aufmerksamkeit, Mut und Entschlossenheit auch von mir als Ihr „Scherpa“ braucht, damit der Kraft und der Mut, den meine Frau doch so sehr ausmacht, wieder zurück kommt.
Meine Frau ist zu dem Zeitpunkt bereits seit langem in ihrer eigenen „Geburtstrance“, bekommt bei gezielter Ansprache zwar alles mit und antwortet, ist aber sonst ausschließlich bei sich und dem Kind.
Leider ist das Bad in der Wanne zu entspannend, so dass die Wellen von mal zu mal seichter werden und wir beschließen gegen 2:45 Uhr wieder ins Wohnzimmer zu gehen.
Hier folgen wieder von Katharina toll initiierte Wechsel der Stellungen, ich supporte indem ich mit meiner Frau gemeinsam um unsere Kochinsel marschiere, frische Luft hilft die nicht mehr vorhanden Krafttanks etwas zu füllen.
So vergeht auch diese Nacht und als der Tag anbricht, kommt für meine Liebste die nächste bewusste Ernüchterung: Ohje es wird schon hell ! und der Muttermund ist erst bei guten 9 cm.
Da ihre Kräfte nun buchstäblich am Boden liegen, bleiben wir auch auf eben selbigen in der Seitenlage, auch ich atme mit und halte Sie nach allen mit zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Es ist unglaublich wie tapfer und aufopferungsvoll meine Frau weiterhin in die Wellen einsteigt.
Aber all dies hilft zwar durchzuhalten, aber leider nicht, den Kopf unseres Krümels gänzlich durch den Muttermund zu bekommen.
Daher beschließt Katharina um 9.40 Uhr (und wir sind Ihr unser Leben lang dankbar für die weise Entscheidung), nun hier zu Hause abzubrechen und der ausgeschlafenen Hebamme Anja weiter zu versuchen. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der nun maximal geschwundenen Kräfte meiner Frau unsere letzte Chance, bevor für uns der notwendige Gang in die Klinik der letzte Rat sein würde. Ein Weg, den wir aber auf jeden Fall immer vermeiden wollten.
Also Taschen ins Auto, meine Frau auf die Rücksitzbank und ab nach Hagelloch. Dort angekommen fix Zimmer bezogen und Abstimmung zwischen Katharina und Anja wie nun weiter gemacht werden könne. Beide beschließen den Anschluss eines CTG`s.
Wir geben Anja und meiner Liebsten zu zweit den Raum und die Zeit nun gemeinsam zu arbeiten und nach knapp 20 Minuten hören wir aus dem Geburtszimmer 2-3 Urschreie meiner Frau. Ich freu mich, bin den Tränen nahe, denn es klingt nach dem, was uns auch Anja kurz danach mitteilt:
Es kommt, das Baby kommt hier auf die Welt. Welch eine erste Freude, auch dass unser aller Zuversicht – JA Meine Frau hat die eigene Fähigkeit und JA wir schaffen das als Gemeinschaft – sich wohl doch noch auszuzahlen scheint.
Daraufhin sind wir dann alle bei und mit meiner Frau und Krümel: Anja, Katharina, Sonja und ich. Jede Welle wird mit verschiedenen Möglichkeiten, wie Tüchern oder auch die bewusste Konzentration auf Körperregionen genutzt das Köpfchen immer tiefer ins Becken und allmählich an den Scheidenausgang zu bewegen. Unser Krümel arbeitet dabei sehr gut mit und entspannt sich nach jeder Welle wieder sehr gut. Aber es ist zum Verzweifeln, denn nach jeder der nun heftigsten Wellen, sieht man die Kopf bereits draußen, er zieht sich nach dem Abebben aber immer wieder komplett zurück.
Erneut eine kritische Phase für die allerletzten Tropfen des 3. Reservekanisters Kraft meiner tapferen Frau. Aber Sie bleibt dran, unheimlich wie Sie in der dieser Situation über sich hinauswächst, ich kann es hier mit Worten nicht beschreiben! Und dann mit einem mal, nach einer Welle mit einem gemeinsamen Schrei ist der Kopf geboren, nun noch 2 starke Wellen hinterher und es ist geschafft…Naja sagen wir fast, denn umgehend zeigt sich, warum Krümel immer wieder in die Scheide gezogen wurde, da sich die Nabelschnur 2 mal sehr eng um den Hals gelegt hatte. Daher durchtrennt Anja diese in rascher Folge und noch im Anreichen hoch zur stolzen und so unendlich tapferen Mama kann ich vor Tränen gerührt nur noch sagen: Es ist eine Junge, Schatz wir haben einen Sohn…
und zwar mit dem Namen Kian…Kian ist sofort putzmunter und schreit so dass unsere Geburtsschreie dagegen beinahe verblassen…Es ist der 03.05 um exakt 13.46 Uhr…!!!
Es folgen die unproblematische Geburt der Plazenta und die weitere Wundversorgung meiner Frau durch die fachfraulichen Hände von Anja und Katharina.
Am Ende waren es, wenn man ab den ersten deutlichen Wellen rechnet gut 22 Stunden, die unser Kian für seine Geburt in Anspruch genommen hat. Aus seiner Sicht mit der Nabelschnur der einzig sichere Weg, dies so langsam und behutsam wie möglich zu tun. Für meine Frau das Erleben, die Hoffnung in die innere Stärke, welche man selbst kaum für möglich hält und das Vertrauen in die Begleitungen nicht zu verlieren.
Unser hochachtungsvoller Dank, den man mit Worten nicht ausdrücken kann, geht an Katharina, Anja und Sonja. Euer Mut, eure Ruhe, Kraft, Liebe, Professionalität, Emotion, Empathie und Intuition in jeder Lage genau das Richtige zu tun, ist einfach phantastisch. Meine Frau und ich sind euch für unser ganzes Leben dankbar, dass IHR es unserem Sohn ermöglicht habt eine natürliche Geburt, seine erste und wichtigste Initiation ins Leben zu meistern.
In ewiger Dankbarkeit, ein stolzer Vater