Emma Yasmin

Hausgeburtsbericht – Emma

 

Immer wieder höre ich während meiner Schwangerschaft Berichte von anderen Frauen, die Geburt sei beim zweiten Kind leichter und schneller als beim ersten Mal. Nachdem meine zweite Schwangerschaft sehr ähnlich wie die erste verlaufen war und der Geburtstermin immer näher rückt, habe ich nach und nach jedoch meine Zweifel, ob das bei mir wirklich so sein wird. Um den errechneten Geburtstermin herum bekomme ich täglich Wehen. Jeden Tag habe ich Kontraktionen, die aber immer wieder nachlassen. Übungswehen.

Auch bei den CTG Terminen werden fast immer Wehen geschrieben. Doch als der errechnete Termin verstreicht und immer noch kein Geburtsbeginn in Sicht ist – es ist Juli 2022 und der Sommer zeigt sich von seiner heißesten und trockensten Seite seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – werde ich langsam ungeduldig und nervös. Einerseits sehne ich mir nichts sehnlicher herbei als die Geburt, andererseits habe ich Respekt, auch Angst davor.

Nachdem sechs Tage nach dem errechneten Termin immer noch kein Geburtsbeginn in Sicht ist, schmiede ich mit meiner Hausgeburtshebamme Chris einen Plan. Wir warten bis zum kommenden Samstag, ob sich etwas tut. Falls nicht, wäre dann eine Möglichkeit, die Geburt einzuleiten. Das tut gut, endlich ein Ziel vor Augen, nicht mehr dieses passive Warten. Die Tage vergehen, wie auch die Tage und Wochen zuvor, mal tut sich was, mal ist es ganz ruhig und jede auch nur kleinste Veränderung wird von mir gespannt aufgenommen. Doch es bleibt ruhig, keine Geburtswehen.

Nun ist es Samstag und ich bin guter Dinge, die Sonne scheint, ich freue mich auf den Besuch von Chris und ich weiß, dass es jetzt ernst werden könnte. Aber das macht mir keine Angst mehr, plötzlich bin ich sehr entspannt und irgendwie gelöst von allen Sorgen und Gedanken der vergangenen Wochen. Wie ausgewechselt, die Anspannung der letzten Wochen und das viele Warten sind wie weggeblasen, plötzlich ist alles so klar. Keine Zweifel mehr, ich will die Geburt einleiten, mein Baby darf kommen – ich fühle mich bereit und ich bin voller Zuversicht, dass alles gut werden wird.

Nach der Untersuchung durch meine Hebamme und einem guten Gespräch, nehme ich also ein Vanille-Eis mit Rizinusöl zu mir. Der Geschmack des Öls ist ziemlich neutral und das Eis schmeckt mir nach den vielen Wochen in der Louven Diät noch besser als sonst. Chris und ich vereinbaren, in den kommenden Stunden in Kontakt zu bleiben.

Zunächst passiert erst einmal nichts. Ernüchterung – also wieder nicht? Dann merke ich die Wirkung auf meinen Darm, so wie angekündigt. Es ist unangenehm und für einen Moment frage ich mich, ob es womöglich eine Schnapsidee war. Gegen 18 Uhr legt sich die Wirkung und alles wird ruhig. So ruhig, dass ich mit meiner Tochter noch im Garten verweile und mich nett mit den Nachbarn unterhalte. Ernüchterung – wieder keine Geburt? War alles umsonst?

Nachdem meine Tochter dann gegen 20 Uhr eingeschlafen ist, setzten bei mir plötzlich die Wehen ein. Wie ein Schalter der umgelegt ist, von jetzt auf gleich. Geht es los? Oder wieder nur Wunschdenken?

Die Kontraktionen sind schon stark, stärker als in den Tagen und Wochen zuvor, aber unregelmäßig. Ich bin mir noch nicht sicher, zu oft habe ich in letzter Zeit falsch gelegen und mich zu früh gefreut. Also nehme ich eine warme Dusche, um herauszufinden, ob die Wehen „echt“ sind. Das Duschen tut zwar gut, aber ich merke, dass die Wärme alles beschleunigt. Es wird stärker. Ich lächele in mich hinein. Doch nicht umsonst.

Anschließend telefoniere ich mit Chris und genieße dann, wie von ihr geraten, die schöne Abendluft auf der Terrasse. Es ist ein ruhiger, warmer Sommerabend, eine leichte Brise, es ist noch hell und ich genieße die letzten Sonnenstrahlen. Es tut gut, ganz bei mir und bei meinem Baby zu sein. Ich spreche mit ihr – bald wirst du da sein, das fühle ich nun. Du machst dich auf den Weg, Emma, und ich weiß, dass wir das gemeinsam schaffen werden. Ich helfe dir und zeige dir den Weg. Wir machen das gemeinsam.

Die Wehen werden nun stärker und kommen häufiger, ich rufe also wieder an. Wir vereinbaren, dass ich mich nun an meine Aufgabe mache. Ich backe einen Kuchen. So haben wir es uns ausgemalt, um nach der Geburt dann bei einem Stück Kuchen gemeinsam zu feiern. Ich fange an, doch die Aufgabe wird zunehmend anspruchsvoller. Ich muss alle paar Minuten unterbrechen, um meine Wehen zu veratmen. Immer wieder frage ich mich, wie schwer es eigentlich sein kann. Das Rezept ist einfach, keine große Sache – eigentlich. Mein Mann beginnt zu scherzen. Mir wird klar, ich muss mit dem zusammenrühren schnell fertig werden, sonst schaffe ich es womöglich nicht mehr. Wir rufen wieder an und Chris macht sich voller Vorfreude auf den Weg. Ihre Euphorie tut gut, es erinnert mich an meine Vorfreude, die ich noch vor Kurzem auf der Terrasse verspürt habe. Während mein Mann die letzten Vorbereitungen trifft, bin ich nur noch mit meinen Wehen beschäftigt und laufe in der Wohnung auf und ab.

Mittlerweile kann ich gar nicht mehr richtig Denken, ich lasse mich einfach darauf ein, was passiert. Ich hinterfrage es nicht und interpretiere auch nichts, ich weiß, alles wird seinen Gang gehen, ich muss es nur zulassen.

21:30 Uhr, Chris ist da, es tut gut sie hier zu wissen, aber ich fühle mich noch gut allein und mache mein Ding erst einmal weiter. Auf und ab gehen, an der Wand abstützen, atmen.

Die Wehen kommen nun immer regelmäßiger und in kürzeren Abständen, die Intensität nimmt zu. Raum und Zeit spielen mittlerweile keine Rolle mehr. Ich spüre, dass die Wehen immer stärker werden und ich bin froh, dass Chris mir nun sagt, wie ich noch besser atmen kann.

Als die Hebammenschülerin eintrifft ist es 23 Uhr. Chris bietet mir an, mich zu untersuchen, ich freue ich mich. Gleichzeitig habe ich Angst – was, wenn ich noch ganz am Anfang bin und die Geburt noch in weiter Ferne ist? Dann ganz viel Erleichterung – Muttermund 6 cm, ich kann es nicht glauben und freue mich. Die Wehen werden immer stärker und lassen mir keine Zeit mehr, groß darüber nachzudenken. Die Wehen werden nun noch stärker, jetzt kann ich es nicht mehr allein und ich halte mich an meinem Mann fest, um die Wehen zu veratmen und den Druck auszuhalten. Ich verspüre einen sehr starken Druck nach unten, es ist kaum auszuhalten. Am besten komme ich in der Hocke zurecht. Chris gibt mir den Tipp, in den immer noch stärker werdenden Druck hineinzufühlen und mit meinen Gedanken dabei zu helfen, die Fruchtblase zum Platzen zu bringen. Bei der nächsten Wehe mache ich genau das und schon in der folgenden Wehe platzt die Fruchtblase tatsächlich. Was für eine Erleichterung, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin sehr froh und jetzt geht alles sehr schnell. Damit habe ich gar nicht gerechnet, ich bin selbst über meine Geduld überrascht. Jetzt denke ich nicht mehr darüber nach, es passiert einfach, ich folge den Anleitungen von Chris. Bei der nächsten Wehe hält Chris schon Emma’s Köpfchen. Ich kann es nicht fassen, sie ist fast da, bald geschafft. Bei der nächsten Wehe wird Emma ganz behutsam geboren, ich muss nichts mehr dazu tun, sie macht den Rest allein. Es ist 23:59 Uhr, es ist ein unbeschreiblicher, glücklicher Moment. Wie wenn die Welt uns umarmt und alles steht still. Da liegt unser kleines Mädchen direkt vor uns und schaut uns an, ich streichele ihre Wangen, sie ist ganz ruhig und schaut uns an – ein wundervoller Moment, den ich nie vergessen werde. Und dann schreit sie, was für eine süße Stimme! Ich nehme sie hoch zu mir, wir legen uns gemeinsam hin und sie trinkt tüchtig an meiner Brust. Dann übernimmt mein Mann und nimmt sie fest zu sich. Die Plazenta kommt und ist vollständig. Alles ist gut, ich muss nicht mehr viel tun.

Chris untersucht Emma, sie wird gewogen und gemessen. Ich kann mich ausruhen und beobachte meine kleine Tochter. Dann näht Chris meine kleine Damm Verletzung sehr schnell und ich verspüre dabei keine Schmerzen.

Wie gut, dass der Kuchen im Kühlschrank bereit steht und wir nun Emmas Geburt feiern.

So viel Glück, Freude, Erleichterung und Dankbarkeit in unserem zu Hause.

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