Joan Augustin Leon

geboren am 2. September 2015, 4:11

Bis Ende August hatten wir einen prima Sommer, sehr viele heiße Schwimmbadtage, schöne Tage am Neckar, an der Steinlach, immer wieder unter der Dusche. Auch den letzten richtig heißen Tag des Monats verbringe ich mit Freunden im Freibad, abends zelebrieren wir den letzten lauen Sommerabend im Biergarten und ich sitze mit dickem Bauch auf dem Holzmarkt, bis ich gegen 2 Uhr mit dem Fahrrad nach Hause radel. Über Nacht kühlt es ab, der Himmel bewölkt sich.
Am nächsten Morgen wache ich gegen halbneun auf, liege verschlafen und nachdenklich im Bett, da macht es in meinem Bauch ein „Flopp“ und es läuft warm zwischen meinen Beinen hindurch. Ich weiß sofort: das muss die Fruchtblase sein und weiß noch nicht was ich davon halten soll. Ich schaue auf die Uhr: 8:38, laufe ins Bad, es rinnt weiter warmes Wasser. Die Teststreifen färben sich irgendwie,  weiß aber nicht genau ob richtigfarbig, rufe lieber mal meinen Freund an. Der sitzt gerade im Auto auf dem Weg zur Arbeit und checkt die Lage – genau wie ich – nicht gleich. Wir überlegen: Soll er noch arbeiten gehen oder doch gleich wieder heimkommen? Er hält am Bahnhof an und telefoniert zunächst mit seiner Firma. Derweil fasse ich mich und schreibe ihm: Bitte komm heim, ich glaube ich brauche dich. Und langsam dämmert uns auch beiden, dass es wohl bald los geht! Ich rufe Silke an, die reagiert natürlich ganz gelassen: Okay, alles klar, dann heißt es jetzt auf Wehen warten! Falls diese nicht kommen, soll ich doch wie geplant am Vormittag um 11 ins Geburtshaus zur Akupunktur kommen. C.(mein Freund) kommt wieder zur Türe rein, wir laufen wirr umher und versuchen dennoch in aller Ruhe unsere 7 Sachen zu packen. Er räumt schon mal alles zusammen und ich horche immer wieder in mich hinein: zieht da was? Ist schon was zu spüren? Soll es jetzt wirklich losgehen? Die Aufregung und Spannung wächst einerseits, andererseits bleibt uns nichts übrig als gelassen zu warten. In der Zwischenzeit tausche ich ständig die kleinen nassen Handtücher zwischen meinen Beinen aus.

Wir fahren das erste mal an diesem Tag nach Hagelloch, das Zimmerchen sitzt schon voll mit den anderen Schwangeren, die alle ganz große Augen machen, als sie von meiner Situation erfahren. Es ist allen klar: für mich geht es bald los. Ich höre Kommentare: „Wie kannst du nur so ruhig sein?“ Und denke bei mir: wie soll ich denn sein? Wem bringt es was, wenn ich im Dreieck springe? Nach der Akupunktur, die heute etwas mehr gepiekst hat, die Mädels wünschen mir alles Gute, sprechen wir nochmal mit Silke. Sie empfiehlt uns ruhig zu machen, nochmal etwas frische Luft, was gutes Essen, durchschnaufen, vielleicht ein Senfbad, abwarten.
Bevor wir heimwärts fahren, machen wir einen kleinen Spaziergang im Nieselregen den Berg hinter Hagelloch hoch, das Fruchtwasser läuft weiter. Zu Hause lege ich mich nochmal zum Nachmittagsschlaf hin, wir essen gemütlich Kartoffeln mit Spinat (leichte Kost J), hängen auf der Couch rum und warten. Irgendwie bekommen wir es hin uns nicht verrückt zu machen, vor dem Szenario was da unaufhaltsam auf uns zu kommt. Eher siegt die Vorfreude darüber, dass wir sehr wahrscheinlich bald unser Kindchen begrüßen dürfen. Dennoch macht sich mit verstreichender Zeit bei mir die Angst breit, dass es mit der Geburtshausgeburt vielleicht nichts wird, wenn die Wehen weiterhin nicht kommen…Silke sagt: die kommen schon, macht euch keine Gedanken, wir treffen uns gegen 20 Uhr nochmal im Geburtshaus für ein CTG.

Wir fahren also ein zweites Mal nach Hagelloch, wir haben es ja nicht weit. Das CTG zeigt aber rein gar nichts, keine Wehentätigkeit, nichts. Wir entscheiden uns dafür, dass ich im Anschluss zu Hause einen Rizinuscocktail trinke, Silke übernachtet (schlauerweise) im Geburtshaus, dann ist sie vor Ort, wenn es losgeht. C. mixt für mich den Cocktail (die Versuchung nach Sekt ist da, lassen wir dann in Anbetracht der Nacht aber doch weg), wir schauen nochmal halbkonzentriert eine Doku, C. entscheidet früh ins Bett zu gehen. Um 23 Uhr merke ich, dass sich im Darm was bewegt und ich schreibe vom Klo (herunter komme ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr) an Silke eine SMS:
„Hey Silke, es tut sich was – sitze das zweite mal auf dem Klo. Ob gerade nur der Darm schafft, oder auch die Gebärmutter arbeitet kann ich noch nicht einschätzen, immerhin ist was in Bewegung J wir melden uns, wenn es hoffentlich dann deutlich losgeht oder? Lg Mareike“ Silke: „ Alles klar, ich lege mich jetzt hin. Bin im Geburtshaus. Schafft`s gut!“ Ich: „Ok, dann noch gutes ausruhen und bis hoffentlich später! Was machen wir, wenn die Wehen bis morgen früh nicht wirklich kommen?“ Silke: „ Dann meldet euch gegen 7 mal…Aber die kommen! Sonst auf jeden Fall auch bisschen schlafen.“

Rückblickend sind das tatsächlich die ersten Wehen, ich laufe umher, C. steht nochmal auf und weiß nicht recht, wie mir helfen. Er legt sich wieder hin, für mich kann er gerade nichts tun. Langsam merke ich, dass es wirklich unangenehm wird, die Wehen gehen aber relativ kurz und kommen sehr unregelmäßig. Ich stehe, tigere im Kreis, setze mich an den Tisch, aufs Klo. C. steht wieder auf, wir machen wie geplant zwei Einläufe, ich habe aber weiterhin das Gefühl, ständig auf Klo zu müssen. C. telefoniert gegen 1 Uhr nochmal mit Silke und beschreibt die kurzen, doch mittlerweile regelmäßigeren Wehen. Sie mutmaßt, dass es noch ein Weilchen dauert, sagt aber auch, wir können jederzeit kommen, sofort, in zwei Stunden, am nächsten Morgen. Den Tipp, ich würde ihm schon zeigen, wann es Zeit ist ins Geburtshaus zu kommen beherzigt C. Er legt sich wieder hin, ich halte weiter aus, muss mich mehrmals übergeben, sitze wieder auf dem Klo, weiß nicht wirklich was mit mir anzufangen. Irgendwie verstreicht die Zeit, mal sind es richtig heftige Wellen, mal geht es schnell vorüber. Ich habe das dringende Bedürfnis, mich in den Pausen auszuruhen, mich hinzulegen, Augen zu,…als ich auf die Idee komme, mich zu C. ins Bett zu legen, übermannt mich eine Wehe, bei der nochmals viel Fruchtwasser kommt und ich das Gefühl habe, pressen zu müssen. Ich bekomme es etwas mit der Angst und für C. steht fest, dass wir jetzt sofort los müssen – zum Glück! In der nächsten Pause rennen wir die Treppen runter, eine Wehe wird vor dem Auto veratmet, es hilft mir, dass C. mich stützt, mitatmen finde ich aber noch sehr bescheuert.

Wir sitzen im Auto, es ist genau 3 Uhr als C. Silke Bescheid gibt, das wir losfahren, um 3:08 sind wir erneut im Geburtshaus angekommen.
Silke begrüßt uns und sieht mir sofort an, dass es mir nun ganz anders geht, sie untersucht mich gleich und ist erstaunt: Der Muttermund ist komplett offen und ich hätte das mit dem Pressen absolut richtig empfunden. Gut, dass wir da sind! Sie ruft die zweite Hebamme hinzu und jetzt geht alles recht schnell. C. kommt fast nicht zum Bett beziehen, ich knie nun davor, er hält mich und das tut gut. So richtig habe ich das Ganze noch nicht realisiert und frage nach, wie es denn mit der Badewanne und einer Wassergeburt so aussieht. Als Silke antwortet, sie könne die Wanne schon einlassen, weiß aber nicht ob sie noch voll wird, kapiere ich langsam, dass das hier wohl überhaupt nicht lange dauern wird. Juhe! Bisher war ich ganz automatisch von einer langen schwierigen Geburt ausgegangen, dass war jetzt mal ne Nachricht! Und diese natürlich sehr sehr motivierend! Stück für Stück beginnen die Presswehen über mich herzufallen, echt nicht ohne, aber ich wusste ja warum. Und endlich kann ich was tun, außerdem ist unser kleines Kindchen nicht mehr weit von uns entfernt! C. und Silke feuern mich an und ich beginne über mich hinaus zu wachsen, immer noch ein bisschen mehr. Mit dem Spiegel sehen wir die runzelige Kopfhaut unseres Babys, ein bewegender Moment. Schon nach gefühlt zwei Wehen ist noch mehr zu sehen, dann kommt der Kopf und schwuppdiewupps habe ich mein Kind auf der Brust liegen. Es ist winzig, verschmiert, strampelt und schreit. Von Ankunft Geburtshaus bis zum diesem Moment hat es 1 Stunde und 3 Minuten gedauert!!!

Irgendwie werde ich nach hinten auf das Bett bugsiert, liege nun da, mit unserem Baby auf dem Arm! Ich kann es kaum glauben, dass es das nun gewesen sein soll, C. kullern die Tränen und ich habe nur Augen für den Kleinen. Nachdem C. nicht die Verbindung zwischen Mutter und Kind zertrennen will, zerschneide ich kurzerhand die Nabelschnur. Wir drei haben nun Zeit uns kennenzulernen, der Kleine robbt zur Brust und trinkt schnell. Nachgeburt und kleine Naht läuft relativ nebenher, das Glück ist auf unserer Seite. Der kleine grimassenschneidende Maulwurf auf meinem Arm fordert meine ganze Aufmerksamkeit, während C. im Nebenraum einen Kaffee trinkt und alle Formalitäten geregelt werden. Nach unserer ersten gemeinsamen Zweisamkeit und Dreisamkeit wird der Kleine durchgecheckt: es ist alles dran. Anschließend zieht C. ihm Windeln und Klamöttchen an. Im Sessel warte ich, bis C. vom Bäcker frische Brötchen für ein Frühstück daheim im Bett geholt hat und wir drei uns um kurz nach 7 ins Auto setzen. Silke will gleich mittags nochmal vorbeischauen.

Auf dem Heimweg dämmert es und wir glauben kaum, dass alles wirklich soso schnell über die Bühne ging. Nur vier Stunden im Geburtshaus gewesen? Das glaubt uns Keiner! Zu Hause schaffe ich es nach einer Pause im Eingangsbereich gerade so hoch in den dritten Stock. Es ist wunderbar ins eigene Bett zu sinken, den kleinen Joan in den Armen und zu wissen, dass wir nun alle Zeit der Welt haben werden uns kennen und lieben zu lernen. Nicht zu vergessen, einfach nur schlafen, schlafen, schlafen! Achja, und eins der besten Frühstücke der Welt mit Blick auf das eigene schlummernde Kind zu genießen!

Vielen herzlichen Dank an das Geburtshaus-Team, das mit viel Optimismus und Gelassenheit in der Vorsorge, Vorbereitung und während der Geburt (im besonderen Silke) zu einer so entspannten und tollen Geburt beigetragen hat!!

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