Die Weihnachtszeit brach herein und wir warteten – wird es etwa ein Christkind? Mein ursprünglich vom Gynäkologen nach dem ersten Tag der letzten Periode errechneter Termin, war der 17. Januar 2016. Bei den nachfolgenden Untersuchungen korrigierte er diesen schließlich auf den 10. Januar 2016.
Als ich die erste Hebammenvorsorge hatte wurde mir als Geburtstermin schließlich der 22. Dezember 2015 genannt – ich war erschrocken, dass es so bald schon sein soll, aber auch wahnsinnig gespannt und in freudiger Erwartung. Es kam, wie es kommen musste: Ein zweiter Gynäkologe war der Meinung die Wahrheit läge wohl dazwischen und wir könnten uns zum Jahreswechsel startklar machen. Natürlich beschäftigte uns die Frage, wann unser Kindlein, denn nun tatsächlich kommen mag, immerhin war das schon ein ganz schön großer Zeitraum. Im Dezember konnte man es nicht einmal mehr anhand des Bauchumfanges sagen, der Bauch war bereits immens, nie dachte ich, dass er noch größer werden kann – aber er wurde es – mit jedem Tag und mit jeder Woche, die weiter verging und wir warteten.
Ich war froh, dass sich meine Hebammen im Geburtshaus zu dieser Frage nicht mehr äußerten und somit nicht noch mehr Geburtsterminsprognosen an der Tagesordnung standen. Beschäftigt hat es mich dennoch jeden Tag. Im Geburtshaus rechnete man mit dem im MuPass eingetragenen korrigierten Termin, dem 10. Januar.
So verging der Dezember und das neue Jahr begann. Ich hatte zwar immer wieder Wehen vor allem nachts, die auch recht ordentlich waren, jedoch ohne Regelmäßigkeit. Als der 10. Januar schließlich bereits drei Tage hinter uns lag, fing ich an hibbelig zu werden, weil ich das Gefühl hatte, dass es erstmal noch überhaupt nicht losgehen wird. Silke und Anja machten mir Mut und nach jeder Vorsorge war ich wieder erleichtert, weil es unserem Sohnemann prächtig zu gehen schien und ich zuversichtlich war, dass es nun bald so weit sein wird – schließlich war ich ja nun schon über den Termin.
Am 14. Januar waren wir schließlich beim Gynäkologen und es hieß der MuMu sei fingerdurchlässig und zum nächsten Termin nach dem Wochenende – war er überzeugt – werden wir uns nicht mehr sehen.
Auch das Wochenende verging ohne Geburt –
Als dann jedoch auch der 17. Januar einfach so verging, war ich nicht mehr nur ungeduldig und machte mir Sorgen, sondern in mir breitete sich meine größte Angst immer weiter aus, nämlich mein Baby im Krankenhaus auf die Welt bringen zu müssen und zudem die Sorge, ob es ihm denn wohl (noch) gut ginge.
Ich war verzweifelt. Immer wieder redeten mir die Hebammen im Geburtshaus gut zu und es war genau das, was ich in diesem Moment brauchte – Zuversicht und vertrauen in mein Baby, dass es schon wisse, wann der richtige Zeitpunkt ist.
Am 19. Januar kam ich morgens mit meiner Schwiegermama zu Silke ins Geburtshaus zur Vorsorge. Mein kleiner Bauchbewohner ließ sich durch absolut nichts aus der Ruhe bringen wie es schien. Es wurde kein Stück ruhiger in meinem Bauch – er wuselte und wuselte wie die Wochen zuvor auch. Oft hatte ich das Gefühl, dass er tagsüber an schlafen überhaupt nicht denkt (so ist das auch heute). Akribisch achtete ich auf jede kleine Veränderung die auf eine baldige Geburt hindeuten könnte – allerdings gab es keine. Alles war wie immer. In der Nacht wieder ein paar Wehen, genauso wie seit Wochen.
Am CTG tat sich auch nicht wirklich was, eigentlich hatte ich darauf gehofft, aber nein, alles war ruhig. Silke schlug mir vor, ich solle doch heute mal ein richtig gutes Buch lesen und völlig abtauchen, ohne mir Gedanken zu machen – es wird schon werden. Ich war frustriert. Da putzte ich seit zwei Wochen das Haus hoch und runter machte alles Mögliche aber nichts passierte aber ein Buch solle helfen? Naja, ich war ungläubig, traurig, frustriert, genervt und bewegen konnte ich mich meiner Meinung nach auch nicht mehr, geschweige denn mal richtig schlafen – kurz gesagt: Ich hatte es nun richtig satt.
Dennoch setzte ich mich am Nachmittag aufs Sofa und tat wie mir geraten: Ich las ein Buch: Geschichten vom Franz – das Kinderbuch, das ich meinem Mann zu Weihnachten schenkte, aufgrund der Tatsache, dass unser Sohn Franz heißen sollte. Nach vier Seiten merkte ich auf einmal wie sich bei mir was tat – der Schleimpfropf ging ab.
Ich war aufgeregt – geht es nun endlich los? Ich wartete auf Wehen, doch eine Stunde verging, dann zwei, dann drei – nichts. Es war zum verrückt werden. Als mein Mann am Abend von der Arbeit kam war mir nur noch zum Heulen zumute. Alles tat mir weh – mein Mann, seit 10 Jahren mein Ruhepol und meine Krafttankstelle sah mich an und wusste was zu tun ist. Ich musste mich endlich entspannen und zwar dringend!
Wir verbrachten den Abend mit Kreuzbeinmassage und meiner Lieblingsmusik. Ich döste vor mich hin und genoss einfach. Ich hatte wieder Wehen (da es mir jedoch langsam Leid war, dass jedes Mal wenn ich anfing die Zeiten zu notieren die Wehen weg waren, dachte ich nicht mal im Traum daran das wieder zu tun – außerdem war ich schon richtig wütend auf diese Wehen – sie bleiben ja doch nicht!).
Es muss so um 22 Uhr gewesen sein, da riss mich ein regelrechtes „Plopp“ auf einmal hoch und ich saß kerzengerade im Bett – auch mein Mann hatte es gehört. Auf einmal stieg Angst in mir hoch, denn ich spürte irgendetwas ist nun passiert – es fühlte sich komisch an, als wäre mein Baby auf einmal meilenweit nach unten gerutscht. Da ich ihn jedoch spürte beruhigte ich mich schnell – Gott sei Dank das Baby ist in Ordnung. Ich sagte zu meinem Mann ungläubig „Vielleicht war das jetzt die Fruchtblase“, „Aber dann müsste da doch Fruchtwasser kommen? Ist doch alles trocken…“. Wir gingen zusammen ins Bad und machten den Teststreifen, den wir von Anja bekommen hatten. Keine Verfärbung – nichts. War ja klar dachte ich und wir gingen zurück ins Bett. Kaum hatte ich mich hingelegt da spürte ich wie warmes Wasser sich auf einmal seinen Weg bahnte „Oh Gott die Fruchtblase ist doch geplatzt!“, „Ach was, kann doch gar nicht sein wir haben doch grade getestet“, „Doch, doch, doch ganz sicher, es wird alles nass!“, „Vielleicht Ausfluss?!“, „Nix da Ausfluss!“-ich rannte ins Bad- mein Mann rief mir hinterher wir hätten ja nochmal einen Teststreifen. Im Bad angelangt platschte das ganze Wasser auf den Fußboden – auch mein Mann glaubte nun wir bräuchten nun doch keinen Teststreifen mehr – es ging endlich los!
Ich war auf einmal hochmotiviert und voller Energie – keine Spur mehr von Dösen und Müdigkeit und ich war aufgeregt, unser Kind machte sich endlich auf den Weg! Mein Mann rief Silke an und berichtete. Wir vereinbarten, dass wir uns melden würden, wenn wir gerne losfahren wollen– wir wollten es uns eigentlich erstmal Zuhause noch gemütlich machen.
Daraus sollte jedoch nichts werden. Kaum hatte mein Mann aufgelegt überrollte mich die erste RICHTIGE Wehe und ich dachte „Wow – das kann man tatsächlich nicht verpassen, wenn es losgeht“ (das war wohl meine heimliche Angst). Nach ungefähr 30 Minuten kamen die Wehen ziemlich heftig bereits in Abständen von wenigen Minuten – Wie? Erst will er nicht kommen und dann auf einmal jetzt gleich, sofort?! Wir riefen Silke an, dass wir in Anbetracht dessen wohl mal losfahren, denn schließlich hatten wir noch 35 Minuten Fahrt vor uns.
Wir machten uns auf den Weg, stellten das Radio laut und ich sang aus vollen Kräften meine Wehen weg – ich hätte nicht geglaubt, dass man sich über Wehen so freuen kann! Mein Mann sang mit, es war ein wahnsinns Gefühl.
Im Geburtshaus angekommen musste ich mich auf dem Parkplatz an meinem Mann anlehnen um die Wehen zu veratmen. Ich berichtete Silke von den Geschehnissen des Tages und war froh im Geburtshaus zu sein. Wir sollten es uns bequem machen. Ich nahm im Sessel ein Fußbad und veratmete die Wehen – mir ging es super. Ich solle mich melden, wenn ich untersucht werden möchte, sagte Silke. Ich dachte mir wir warten damit aber noch eine ganze Weile, schließlich bin ich ja gerade erst gekommen und will nicht enttäuscht sein, wenn ich dann erfahre, dass sich noch nicht viel getan hat. Also tönte ich weiter.
Irgendwann kam Silke nach nicht allzu langer Zeit und schlug vor, dass es wohl ganz gut sei, wenn wir nun doch mal nach dem MuMu tasten, denn immerhin seien die Wehen ja richtig ordentlich. Ich stimmte zu und siehe da – schon acht Zentimeter! Ich konnte es kaum glauben, ich war immer noch der Meinung es hat doch gerade erst angefangen. Aber es motivierte mich, denn es schien alles super zu klappen! Und nun wechselten wir Positionen und die Zeit verging wie im Flug und ich hatte bereits Drang zu pressen und fragte, ob ich denn überhaupt schon dürfe. Allerdings konnte ich mir auch nicht vorstellen, diesen zurückzuhalten – es war immens und unglaublich anstrengend! Ich war wie in Trance, kann mich kaum erinnern, was um mich herum geschah, ich nahm lediglich wahr, was ich tun sollte und das die Hebammenschülerin immer wieder nach den Herztönen von meinem kleinen Bauchbewohner schaute, dem es blendend ging.
Als Silke schließlich Anja anrief wusste ich, wir haben es bald geschafft. Gott sei Dank, dachte ich, denn ich war mir nicht sicher, wie lange ich noch die Kraft haben würde zu pressen und hatte den Eindruck, dass die Wehen schwächer werden – das war auch so. Mehrmals bekam ich eine Art Nasenspray und wir wechselten zum letzten Mal die Position. Ich war nun in der tiefen Hocke, mein Mann hielt mich von hinten fest und ich hatte das Gefühl mein Becken würde in zwei Teile zerbrechen und wenn nicht mein Becken dann wohl meine Beine und alle Knochen die ich überhaupt habe. Ich glaube mich daran zu erinnern öfters gefragt zu haben, ob das wohl normal sei so, worauf mir versichert wurde, ja es sei normal so. Anja und Silke waren voller Freude und erzählten mir von einem kleinen Köpfchen mit blonden Haaren. Ob ich es mal anfassen möchte? Aber ich verneinte, ich hatte keine Kraft mehr – ich wollte, die letzte Kraft die ich noch hatte sammeln und ihn endlich auf die Welt bringen – gedacht – getan – schwups war er da. Es war 4.43 Uhr: Ein kleiner Mann mit riesengroßen blauen Augen, ganz warm und weich und in meinen Armen. Und ich war erleichtert und glücklich und völlig erstaunt darüber, dass so ein doch nicht ganz so kleines Kindlein einfach durch einen hindurch passt, ein wahres Wunder.
Wir kuschelten und waren einfach nur froh – ein kerngesundes, propperes Baby – unseres! Kurze Zeit später kam die Plazenta und Silke nähte mir einen kleinen Riss in der Scheide, von dem ich erstaunlicherweise jedoch überhaupt nichts spürte. Später machten wir uns auf den Heimweg, zum ersten Mal als kleine Familie mit unserem Sohn Franz.
Meinen Sohn im Geburtshaus zur Welt zu bringen, war die beste Entscheidung, die ich hätte je treffen können. Ich hab mich zu jedem Zeitpunkt sicher und wunderbar aufgehoben gefühlt. Alle waren sehr liebevoll und geduldig, es war eine tolle Atmosphäre und meiner Meinung nach war sie der Schlüssel für eine wunderbare Geburt die ich erleben durfte.