Christian

Ungeplante Alleingeburt

Nicht dass die Geburt unseres ersten Sohnes nicht interessant gewesen wäre. Doch die folgende wird mich für immer stärken, weshalb ich anderen Müttern und Vätern davon berichten möchte.
Nachdem wir unseren Andreas schon Zuhause mit Hilfe der lieben Anja bekommen hatten, kam für uns nichts anderes in Frage. Vorausgesetzt es spräche medizinisch nichts dagegen.
So war es denn auch. Nach 40 Wochen und 5 Tagen unkomplizierter Schwangerschaft spürte ich eine leichte Wehe gegen Mitternacht. Nachdem ich die letzten Wochen immer wieder mit starken Übungs- und Senkwehen zu tun hatte, dachte ich mir nichts weiter dabei und schlief weiter. Ich wurde um 03:50 Uhr von einer stärkeren Wehe geweckt. Nun ging die Aufregung los. Ich ließ meinen Mann und unseren Großen schlafen und tigerte zunächst kopflos zwischen Badezimmer, Wohnzimmer und Küche umher. Der Schleimpropf löste sich, was ich an einer hellroten Blutung und Schleim feststellen konnte.
Immer wieder hatte ich Wehen. Ich verzichtete auf den geplanten Einlauf, der mir bei der ersten Geburt sehr geholfen hatte, um mich entspannen zu können. Ich hatte dieses Mal die Furcht es könnte die Wehen plötzlich stark voran treiben. Ich hatte aber das Gefühl ich brauche noch etwas Zeit.
Ich installierte eine Wehen-App auf dem Handy, duschte, putzte Zähne und schminkte mich etwas. Die Wehenabstände waren sehr unregelmäßig und die Wehen selbst waren sehr kurz. Ich machte mir nun keine Hoffnungen mehr, dass es schnell gehen würde.
Ich beschloss um 04:45 Uhr meinen Mann zu wecken. Den Großen ließen wir im Bett liegen und schlafen.
Nun ging ich in die Küche und stimmte mich auf die Geburt ein. Ich zündete Kerzen an, machte mir einen Himbeerblättertee und versuchte mich zu entspannen. Die Wehen waren echt okay. Ich musste schon tief atmen und fand Kraulen des unteren Rücken gut, aber es war total gut auszuhalten.
Mein Mann frühstücke, ich wollte nichts Festes essen und musste ständig auf Toilette mit leichtem Durchfall.
Kurz nach 6 Uhr ging ich hinaus auf die Terrasse. Es war ein traumhaft schöner Morgen. Es war kühl und die Sonne drang durch die Blätter. Ich ging auf und ab und schnupperte noch an einem Lavendel-Strauch, den ich zur Entspannung dorthin gepflanzt hatte.
Ich besprach das weitere Vorgehen mit meinem Mann, welcher der Ansicht war, ich sollte jetzt Chris anrufen und Bescheid sagen. Ich winkte zunächst ab. Als ich wieder in der Küche stand, kam mir der Gedanke, dass ab Platzen der Fruchtblase es sehr heftig werden könnte und so beschloss ich um 06:26 Uhr doch anzurufen.
Ich vertönte eine Wehe am Telefon. Nichts spektakuläres, nicht besonders laut oder intensiv.
Nach dem Telefonat wurden die Wehen intensiver. Ich drückte meinen Rücken gegen den Türrahmen und hielt mich daran fest. Eine tolle Methode, die auch bei der ersten Geburt viel Erleichterung brachte.
Nun sagte ich zu meinem Mann: „ohja, jetzt werden die Wehen so langsam richtig gut!“. Plötzlich überkam mich eine tiefe Bettschwere. Ich legte mich aufs Sofa und erholte mich kurz. Das tat wirklich gut!
Ich bekam das Gefühl ich müsste mich tiefer begeben. Ich legte eine gefaltete Decke vor das Sofa und kniete. Unser Hund lag auf dem Sofa vor mir und bestaunte was da vor sich ging. Mit einem Mal überkam mich eine heftige Wehe und es knackte. Etwas Schleim und Wasser landeten auf der Decke unter mir. Völlig ungläubig sagte ich zu meinem Mann, die Fruchtblase sei gerade geplatzt. Ich blickte auf die Uhr. 06:50 Uhr. Kurz darauf überkam mich schon die nächste Wehe. Sie war ausgesprochen heftig. Die Fruchtblase entleerte sich vollends. Ich konnte nicht wirklich darauf achten. Die Schmerzen dieser Wehe erfassten mich komplett. Ich dachte in dem Moment „noch so eine stehe ich keinesfalls durch!“. Ich krallte mich in den Oberschenkel von unserem Hund. Ich ließ schnell wieder los, um ihm nicht weh zu tun. Ich war verzweifelt. So plötzlich. So heftig. Und ich war auf mich allein gestellt. Nur unser Christian und ich.
Die nächste Wehe begann. Zu meiner völligen Überraschung musste ich pressen! Keine Schmerzen! Welch Erleichterung! Ich war völlig perplex. Ich sagte zu meinem Mann, der neben mir stand, dass ich pressen müsse. Und schon überkam mich ein enormer Drang zu drücken. Ich fasste instinktiv zwischen meine Beine, was ich mich bei der ersten Geburt nicht wirklich getraut hatte. Ich spürte den Kopf. Nicht nur einen Teil vom Kopf, sondern den gesamten! Bevor ich es realisieren konnte, spürte ich auch schon die Schultern. In dem kurzen Moment ging mir vieles durch den Kopf. Zum Beispiel dass ich eigentlich eine Wehe zwischen Kopf und Körper warten wollte, was ja nun nicht mehr klappte wie ich erstaunt für mich selbst feststellte. Beim ersten Kind hatte ich zu schnell gedrückt und war gerissen.
Ich teilte meinem Mann mit, dass der Kopf da sei. Und schon kam der restliche Körper hinterher. Ich hielt Christian in meinem Arm! Die ganze Aufregung und das Bangen umsonst! Er war da! Eine Presswehe und er war da! Ich setzte mich vor das Sofa mit Christian im Arm. Er krächzte zunächst nur. Ich legte ihn über meine Hand und rubbelte ihm den Rücken. Christian weinte kurz. Ich schaute auf die Uhr. Genau 7 Uhr. Wir knuddelten, mein Mann packte uns warm ein und so warteten wir auf Chris, die zur Plazenta-geburt kam. Der Große wachte kurz nach der Geburt auf und begrüßte völlig überrascht seinen kleinen Bruder.
Ich bin so unglaublich dankbar für dieses tolle Erlebnis. Ich bin stolz auf Christian, dass er selbstbestimmt und kompetent seine Geburt gemeistert hat. Ich bin dankbar, dass uns die Möglichkeit einer so freien und entspannten Geburt gegeben wurde. Ich liebe meinen Mann für seine tiefenentspannte, sichere Art.
Danke auch an das tolle Team vom Geburtshaus. Die unkomplizierte Art von Anja und Chris und Sonja hat mich die gesamte Schwangerschaft über gestärkt.

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