Charly Michael

Eine Geburt mit einer Schwangerschaft voller Action: Hausbau und Geduldsprobe, sowie einem großen Herzenswunsch mit Happyend.

Viele Menschen in unserem Umfeld reagierten nicht so freudig, als wir verkündeten, dass unser zweites Kind unterwegs ist. Unsere Lucy, auch im Geburtshaus geboren, war knapp 10 Monate alt, als ich gewollt zum zweiten Mal schwanger wurde. Aber es gab jemanden, der sich wahnsinnig mit uns freute und wieder, einen diesmal etwas anderen steinigen Weg, mit uns ging. Hebamme Anja.
Da ich in der ersten Schwangerschaft ein für mich ganz besonderes Verhältnis zu Anja aufgebaut habe, wusste ich, dass wir nur die Hebammenbetreuung brauchen und keine Arztbesuche. Zum Glück hatte mir Chris aber damals Frau Wagner empfohlen, bei welcher ich mich dennoch wohlfühlte und den einen vom Geburtshaus geforderten Ultraschall wahr nahm.
Parallel zur Schwangerschaft bauten wir, okay, mein Mann, unser Eigenheim, was hieß, dass ich mit Lucy und meinem immer dicker werdenden Bauch alleine war, während der Papa das Nest von Anfang bis Ende errichtete. Die Termine im Geburtshaus zur Vorsorge waren deshalb für mich umso wichtiger. Manchmal hatte ich Zweifel, ob ich den kleinen Schatz im Bauch zu sehr vernachlässige, weil ich eben rund um die Uhr für unsere Tochter da bin, die ich auch noch stillte bis Ende ihres 13.Monats. Anja hatte ganz schnell wieder eine Verbindung zu unserem kleinen Wunder und so wurde jeder Termin für Lucy zum Fest. Sie durfte mit Blutdruck messen, das Dopton halten, mir eiskalt ohne Vorwarnung das Gel auf den Bauch schmieren und war dadurch nicht nur mir und Anja, sondern auch ihrem Geschwisterchen ganz nah. Kein Termin verpasste sie und es war unsere ganz spezielle Zeit im Geburtshaus. Je weiter die Schwangerschaft fortschritt, desto weniger hatte ich Angst, Lucy könnte eifersüchtig sein. Für jeden, der das hier liest und noch unentschlossen ist: im Geburtshaus entbinden oder sich von diesen Hebammen begleiten zu lassen, bedeutet eben viel mehr als nur Geburt. Wir wachsen, wir entwickeln uns weiter und wir durchleben nicht nur die schönen, rosaroten „ich bin schwanger“-Momente, sondern bekommen auch immer wieder ein bisschen Futter, um an uns zu arbeiten. Ursprünglich war geplant, dass Lucy bei einer Freundin bleibt, während wir zur Geburt gehen. Gegen Schluss merkte ich aber, dass sie immer anhänglicher wurde und ich sie einfach nicht „alleine lassen “ konnte. Somit ergab sich ein tiefer Herzenswunsch: Ich wollte so gerne wieder mit Anja entbinden, sie kennt mich so gut, sie hatte schon einmal mit meinem Muttermund, der anschwillte , gekämpft und sie und Lucy waren doch ein wahres Geburtsteam. Anja bestärkte mich, dass die Idee so in Ordnung ist, Lucy nicht schadet und weil ich meinen Mann bei der Geburt eher weniger „brauche „, er für unsere Tochter da sein kann. Auch unsere Zweithebamme Katharina sprach ich diesbezüglich an und sie machte ebenfalls Mut und gab mir das Gefühl, dass es genau so richtig ist. Da es für mich aus verschiedenen Gründen sehr schwer ist, jemandem zu vertrauen, wenn es um so etwas Großes, wie die Geburt, geht, war es umso schöner, dass ich mich auch mit Katharina so gut verstand. Sie unterstützte meine Vorstellungen und machte einen so warmherzigen, lebensfrohen Eindruck.
So kam es, dass mein Geburtstag verstrich, zwei Tage vor ET und unser Junge immer noch in meinem Bauch ruderte. Auch der ET ging vorbei, eine Woche drüber…8 Tage…9 Tage…. oh nein, ich war jetzt nicht mehr entspannt. Ich, die mit Klinik mal gar nicht einverstanden wäre und dann lieber eine Alleingeburt durchziehen würde, als dass sie 10 Pferde in ein Krankenhaus kriegen, bittete und bettelte unseren zweiten Schatz, endlich Wehen auszulösen. Ich bat um einen Cocktail. Brachte nichts … Tag 10…Tag 11…Tag 12 und der zweite Versuch mit dem leckeren Zaubertrunk. Nichts passierte bis 14 Uhr, als wir uns auf den Weg ins Geburtshaus machten. Mit dem Schritt hinein verlor ich Fruchtwasser und empfing die erste leichte Wehe mit meinem Mann wie einen besonderen Gast auf einem Fest. Anja traf ein, fragte schon ganz erwartungsvoll, wie es denn aussieht. Sie hakte meinen Namen unter den Schwangeren freudig ab mit den Worten: „Heute kommt dein Sohn zur Welt Jenny ..ihr bleibt hier…macht es euch gemütlich „. Ich hing eine Weile am „Pflichtctg “ (jegliche Untersuchungen, die nicht allein durch Hebammenhand erfolgten, sind nicht so mein Freund) nach Cocktail und hatte nach 16 Uhr auch stärkere Wehen. Den Gang auf und ablaufend, während Lucy mit Papa auf dem Spielplatz war, veratmete ich die noch flauschigen Wehen. Gegen 17 Uhr fand ich keine so richtig angenehme Position. Anja ließ mir das Wasser in die Wanne. schon bei Lucy wollte ich darin entbinden und schaffte es kurz vor Geburt nicht mehr hinein, sodass sie mir diesmal half , meinen Wunsch umzusetzen. Das tat auch super gut. Schon davor spürte ich bei jeder Wehe, wie sich das Köpfchen einen Weg bahnt. Unglaublich schönes Gefühl, welches ich bei der ersten Geburt nicht wahrnehmen konnte. Ruckzuck war auch der Muttermund bei 8-9 cm und mein Mann war ganz überrascht als er vom Spielplatz kam. Während ich dann schon einmal begann mit Anja durch die Wehen zu singen, bezogen Lucy und Papa das Geburtsbett und bereiteten alles andere vor. Auch Charlys Geburtskerze, die täglich in der Schwangerschaft brannte, wurde hinter der Badewanne aufgestellt und ein ganz besonderer Engel von meiner Mama durfte nicht fehlen. Nach 18 Uhr verspürte ich einen unangenehmen Druck…es fühlte sich alles anders an als zuvor. Der Kopf versuchte jeder Wehe weiter zu kommen und stieß gefühlt gegen eine Wand. Ich versuchte die Blase zu leeren, was nicht funktionierte. Katharina war derzeit auch eingetroffen. Ich vermutete , dass ich wie bei der ersten Geburt eine dicke Muttermundslippe hatte, die den Kleinen daran hinderte den Geburtskanal zu passieren. Anja wunderte sich erst , weil es wohl selten ist , dass diese Situation sich beim nächsten Kind wiederholt und stellte dann aber bei der Untersuchung doch fest, dass da ein dickes Hindernis war. Jetzt folgte der einzig unangenehme Teil der Geburt … während den Wehen musste diese Lippe von Anja über den Kopf gestülpt werden. Dazu waren ein paar Versuche nötig. Leider fühlen sich die Wehen dann aber nicht mehr nach normalen Geburtswehen an, sondern es sind einfach starke Schmerzen (alle anderen Wehen empfand ich bei beiden Geburten nicht als Schmerz in dem Sinne, weil es einfach natürlich abläuft). Unangenehme Übelkeit begleitete mich auch die ganze Zeit, die auch mit Globuli nicht verschwand. Das nervte mich irgendwann so richtig, weil ich bei mir bleiben wollte, die Geburt genießen und nicht vor Übelkeit jammern.
Lucy mit Papa mal bei mir und mal draußen. Ganz liebevoll und ruhig stand sie an der Badewanne , sagte zaghaft „Mama“. Doch während diese blöde Muttermundslippe die Geburt bremste, konnte ich nicht brav singen und tönen, da half nur schreien. Bis Anja mir sagte, ich könnte dies in Schieben mit geschlossenem Mund verwandeln… für meine Tochter, dann kann sie wieder reinkommen – sie wurde nämlich eine Weile raus geschickt und weinte bitterlich vor der Tür, weil sie zu mir wollte. Ich dachte niemals, dass ich das schaffe, aber ich riss mich zusammen- nicht laut zu sein war möglich – mittlerweile glaube ich mit so viel fürsorglichem Leiten und Begleiten durch Anja ist alles möglich.20.22 Uhr war reponiert, sodass der Kopf um 20.24 Uhr geboren wurde und unser kompletter Sohn um 20.26 Uhr in die Badewanne tauchte. Anja gab in mir in die Arme. Es wurde nicht nur unser zweites Kind geboren, sondern auch eine große Schwester, die vom ersten Tag der Schwangerschaft bis zu diesem Moment an meiner Seite war. Da lag er nun in meinen Armen, unser Charly, wurde direkt mit „Baby“ von Lucy begrüßt und wusste jetzt wohl, wer das war, der immer auf ihm rumturnte als ich mit ihm schwanger war.
Wie so vieles, verging die Zeit leider wie im Fluge, dabei sind diese Stunden im Geburtshaus doch die magischen und die, die man am liebsten nicht loslassen würde. Wir wechselten auf das Geburtsbett , damit wir zu viert kuscheln konnten. Große Müdigkeit machte sich bei Lucy jetzt breit , so schlief sie eine Runde im Tragetuch bei meinem Mann, während ich Charly versuchte zu stillen. Als er es gelernt hatte, wie man die Brust festhält, ließ er nicht mehr los. Wieder einmal hatte ich schon richtig Milch, von reinem Kolostrum keine Spur. Katharina verabschiedete sich – ich fragte mich, wie sie mich so lange in der Badewanne halten konnte. Sie stützte mich nämlich die ganze Zeit von hinten, damit ich nicht wegrutsche, weil eine Geburtswanne scheinbar nicht für Zwerge geschaffen wurde. Egal wie ich mich darin positionierte, trieb ich mehr vor mich hin, als dass ich mich irgendwo abstützen konnte.

Anja untersuchte die Plazenta auf Vollständigkeit, sowie eventuelle Geburtsverletzungen. Diesmal nur ein minimaler Dammriss, der nicht genäht wurde. Was ein Glück. Mein Steißbein war wohl diesmal aber schon wieder angeknackst, wie ich sofort spürte.
Da mittlerweile schon ein bisschen Zeit vergangen war, trennten wir die körperliche Verbindung von Charly und mir mit Kerzen. Drei Kerzen – eine für Gesundheit, eine für Geborgenheit und eine für Lebensfreude – hielten wir zusammen mit Anja unter die Nabelschnur. Die Stimmung war dafür perfekt. Draußen war es mittlerweile dunkel geworden, auch im Raum brannte kein Licht, nur Charlys Geburtskerze neben mir. Da Lucy immer mehr mit ihrer Müdigkeit kämpfte, hier aber nicht schlafen konnte, beschlossen wir, den Rest der Nabelschnur durchzuschneiden und bald nach der U1 heimzufahren. 23.45 Uhr war es, als wir das Geburtshaus verließen. Der längste Abend für Lucy mit einem ganz besonderen Happyend. Auch diese Geburt war insgesamt trotz kleinerer Umstände perfekt für uns.

D*A*N*K*E
-Dir Chris für das Erschaffen dieses wunderbaren Geburtsortes.
-Anja, für alles…einfach alles…für die letzten paar Meter über Termin, für so viel Liebe und Herzlichkeit, für deine Weisheit und noch viel mehr. Danke für all die magischen Momente, deine kalte Hand auf dem Bauch 😉 , das Reponieren, das mit uns Kämpfen und Lernen und für noch so viel mehr. Du weißt glaube, wie wichtig du uns bist.
– Danke für so lange (Durch)Halten Katharina. Danke auch, dass du mich von der ersten Minute an so akzeptiert hast, wie ich bin und mit deiner frischen Art, deinem zauberhaften Lächeln immer für gute Laune gesorgt hast.
-Lieber Ehemann und Papa, für unsere wertvolle eigene Familie, deine Fürsorge und nun unser eigenes Nest.

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