Matilda Sofie

Das Leben steckt voller Überraschungen. So waren auch wir etwas überrascht und leicht überrumpelt, als am Sonntagabend während eines Lachanfalls meinerseits plötzlich mit einem leisen „knack“ die Fruchtblase gesprungen ist. In den letzten Wochen vor der Geburt ist jedem ja eigentlich klar, dass es jederzeit losgehen kann. Und wir hatten beide im Gefühl, dass klein Matilda sich schon früher auf den Weg machen würde. So früh war das allerdings nicht „geplant“. Ich war davon ausgegangen, noch mindestens eine Woche Zeit für diverse Vorbereitungen zu haben. Hauptsächlich für die ersten Wochen mit der kleinen Maus, denn für die nun bevorstehende Geburt war ich eigentlich bestens gewappnet. Schon in den Wochen zuvor hatte ich mich intensiv mit dem Thema Geburt auseinandergesetzt, verschiedene meiner „Baustellen“ aufgeräumt, mich über die Abläufe einer natürlichen und die Möglichkeiten einer durchaus auch lustvollen Geburt informiert (ja, ich glaube noch immer, dass das tatsächlich möglich sein kann, denn es gab durchaus gewisse Schlüsselmomente während der Geburt diesbezüglich :-)). Insgesamt konnte ich dem Ereignis „Geburt“ mittlerweile recht gelassen entgegenschauen. Ich wusste, wie ich mir mein persönliches Geburtserlebnis idealerweise vorstellte – jedoch auch, dass es im Leben oft eben nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat. Sondern – so denke ich – es läuft so, wie man selbst für sich am besten an einer Situation wachsen kann. Ja, davon bin ich ganz fest überzeugt.

Mein Plan war, eine natürliche Geburt im Geburtshaus auf jeden Fall zu versuchen. Ich war mir auch sicher, dass ich es schaffen kann. Viel Mut und Inspiration habe ich dabei von meiner Hebamme Heike, sowie auch von meinen Geburtshaushebammen erhalten. Eine Klinik habe ich mir tatsächlich vorher gar nicht angeschaut. In den Tagen vor der Geburt habe ich für den Fall der Fälle meinen persönlichen Geburtsplan geschrieben, ein Blatt, auf dem ich alles festgehalten habe was ich während der Geburt möchte, bzw. nicht möchte, sofern es nicht zwingend notwendig wäre. Im Geburtshaus selbst hätte ich diesen eigentlich gar nicht gebraucht, da hier alles selbstverständlich so gemacht wird. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass ich diesen Plan geschrieben und ihn in meinen Mutterpass gelegt habe.

Nachdem also Sonntagabend klar war – jetzt geht’s los! – hab ich erst mal Chris angerufen, um ihr von dieser sicher auch für sie unerwarteten Neuigkeit zu berichten. Da noch keine Wehen eingesetzt hatten, riet sie mir dazu, erst mal noch ein wenig zu schlafen (das hatte ich mir schon gedacht, und ich hab es auch wirklich versucht – ich war aber glaube ich dann einfach zu aufgeregt) und dass wenn keine Wehen einsetzen sollten, wir uns spätestens am nächsten Morgen im Geburtshaus treffen würden. Die Wehen ließen jedoch nicht lange auf sich warten. Zum Glück, denn mein erster Gedanke war tatsächlich „ohje – jetzt müssen die Wehen kommen… egal wie, jetzt gibt’s kein Zurück.“ Von Anfang an kamen die Wehen relativ regelmäßig und in eher kurzen Abständen, sie waren jedoch zu Beginn noch recht einfach zu Veratmen und fühlten sich mehr wie das leichte Ziehen während der Periode an. Nach kurzer Rücksprache mit Chris (man weiß ja nicht sicher, wie stark denn starke Wehen nun tatsächlich sind) blieb ich weiter zuhause, die Wehen wurden stärker und gegen frühen Morgen war ich jede Wehe durch langes Tönen am Verarbeiten, was recht gut gelang. Ein erneutes kurzes Telefonat mit Chris bestätigte, dass es nun an der Zeit wäre, ins Geburtshaus zu kommen. Also machten wir uns auf nach Tübingen. Von der Fahrt habe ich schon gar nicht mehr so viel mitbekommen, da ich ganz bei mir und in die Wehenarbeit vertieft war. Im Geburtshaus angekommen wurden wir ganz lieb von Chris empfangen und vertönten die ersten Wehen am Rand des großen Bettes, das mein Mann nebenher bezog. Da ich bis dahin noch nicht geduscht hatte (soll ja wehenfördernd sein), ließ Chris erst mal die Badewanne ein. Eine kurze Untersuchung des Muttermundes ergab, dass dieser schon 4 cm geöffnet war. Immerhin – so viel hatte ich schon zuhause alleine geschafft. Das warme Wasser der Badewanne war sehr angenehm, bald schon war jedoch mehr Bewegung nötig, um die Kleine in die richtige Position zu bringen. So vertönte ich einige Wehen gemeinsam mit meinem Mann (glaubt mir, es bringt so viel, wenn jemand mit euch tönt und derjenige darf bloß nicht aufhören, wenn ihr gerade Luft holen müsst 😉 ) im Kniestand und im Stehen, immer nach der liebevollen Anleitung von Chris, die wirklich zu jeder Zeit die perfekte Mischung aus Hilfe und Zurückgezogenheit gefunden hat. Die Kleine ließ sich jedoch auch dadurch nicht so recht in Position rücken, also raus aus der Wanne und Treppen steigen. Danach zurück ans Bett um nochmals zu versuchen, sie zunächst im Kniestand, dann durch Schaukeln der Hüfte richtig einzustellen. Der Muttermund war zu dem Zeitpunkt immerhin bei 8 cm. Jedoch wollte die Kleine noch immer nicht so recht bzw. wurde sie irgendwie immer wieder zurückgezogen. Langsam ging mir dann auch die Kraft aus, denn die Wehen waren weiterhin sehr stark und regelmäßig mit gefühlt recht kurzen Pausen. Die ganze Zeit über waren Chris oder Silke im richtigen Maße für mich da, wofür ich sehr dankbar bin. Die Entscheidung dass es nun Zeit wäre, in die Klinik zu verlegen, da auch die Herztöne der Kleinen zweimal reagierten, traf Chris für mich tatsächlich nicht unerwartet. Auch mein Gefühl sagte mir, dass wir etwas „mehr“ Hilfe benötigen würden, um die Kleine gut und sicher auf diese Welt zu holen.

Für die Verlegung war zwar Zeit, ich wollte jedoch nur schnellstmöglich, dass es weiter geht denn ich kam langsam auch ans Ende meiner Kräfte und die Wehen waren zwar kräftig, jedoch offensichtlich einfach nicht so effektiv wie sie zu dem Zeitpunkt hätten sein müssen und vielleicht habe ich mich daher einfach auch zunehmend verspannt und es nicht mehr in die nötige Entspannung in den Pausen geschafft. So wurde also in Windeseile alles zusammen gepackt und wir sind mit Chris in die Frauenklinik nach Tübingen gefahren. Dort angekommen bekam ich sofort meinen Kreissaal, einen Raum, der zwar nach Klinik aussah jedoch trotzdem eine irgendwie angenehme Atmosphäre verströmte. Um die ersten Wehen abzumildern und die nun (leider, und doch zum Glück gibt es diese Hilfe) notwendige PDA möglich zu machen, bekam ich zunächst Lachgas, was einen ziemlich beschwipsten Zustand hervorrief und tatsächlich kurzfristig Entspannung brachte. Dann wurde die PDA gelegt und innerhalb weniger Minuten schaffte ich es, mich endlich ein wenig zu entspannen und durchzuatmen. Dennoch stimmt es, dass einen die PDA auch zunächst etwas aus dem Geburtsvorgang herausholt. Ich habe mich bemüht, immer wieder mit Matilda Kontakt aufzunehmen und ihr zu vermitteln, dass alles gut ist. Und ich denke, dass sie das auch gehört hat, denn auf dem Dauer-CTG, das natürlich nun auch folgte, blieben die Herztöne bis auf einen kleinen harmlosen Aussetzer konstant. Nachdem ich mich ein wenig erholt hatte, ging die Geburtsarbeit natürlich weiter. Schließlich war die kleine Maus noch immer am Arbeiten, und durch die Entspannung ging der Muttermund tatsächlich so weit auf, dass der kleine Kopf seinen Weg hindurch finden konnte. Nun bekam ich natürlich die Vor- und Nachteile der PDA und des Wehentropfes zu spüren. In meinem Geburtsplan hatte ich klar geschrieben, dass ich auf all dies möglichst verzichten möchte. Ich war mir zu diesem Zeitpunkt sowieso sicher, dass der Plan hinfällig wäre, nun da ich mich in einer Klinik befand. Um so mehr war ich sehr positiv überrascht, als die Hebamme mich auf meinen Geburtsplan ansprach und mir versicherte, dass sie sich weiter an diesen halten werden – soweit es denn möglich wäre. Meine ganzen Befürchtungen in Bezug auf die Klinik konnten sich nicht bestätigen. Zu jeder Zeit habe ich mich aufgehoben gefühlt, die Hebammenschülerinnen (von denen immer eine bei mir blieb), die Hebammen und auch die Ärzte haben ihre Arbeit wirklich toll gemacht. Sie haben eingegriffen oder mich ignoriert, wo es nötig war (besonders Dankbar bin ich der Hebammenschülerin der zweiten Schicht, die mein „ich kann nicht mehr“ – ein Punkt, an den wohl fast jede Frau unter der Geburt irgendwann kommt, und der oft vielleicht auch mehr einem „ich mag nicht mehr“ entspricht – so vehement ignoriert hat. 😉 Sie hat mich nicht aufgeben lassen. Dafür bin ich wirklich sehr, sehr dankbar). Über alles was notwendig war wurde ich vorher informiert, nichts wurde einfach über meinen Kopf hinweg entschieden oder gemacht. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt wirklich einfach nur noch froh darüber war, dass mir und der Kleinen irgendwie geholfen wurde, das ganze doch noch auf dem natürlichen Weg zu schaffen. Da wir nach und nach auf die 18 Stunden nach Blasensprung zusteuerten (eine Antibiotika-Gabe bei mir wurde dadurch und durch die Blutwerte notwendig) wurde es wirklich Zeit, der Kleinen nochmal den letzten Schubs zu geben. Mit etwas Hilfe am Bauch für sie zum Abdrücken und einem Dammschnitt, da das Gewebe zu fest war und trotz aller Anstrengung nicht reißen wollte (selbstverständlich alles nicht, ohne mich vorher zu fragen), haben wir es dann endlich geschafft. Ohne weitere Hilfsmittel hat die kleine Maus das Licht der Welt erblickt, etwas fertig durch die längere Zeit im Geburtskanal und auch die PDA hat man ihr angemerkt, dennoch war sie wach, hat die Augen aufgemacht und uns ganz groß angeschaut. Ich durfte sie selbst zu mir hoch nehmen, die Nabelschnur durfte vollständig auspulsieren und ich habe sie selbst abgenabelt. Alles verlief nun also wieder „nach Plan“. Es wurde noch ein Mittel für die Plazenta gespritzt, diese kam jedoch recht schnell von allein und war auch vollständig. Und auch in der Klinik hat man die Möglichkeit, diese mit nachhause zu nehmen. Die Kleine durfte erst mal lange Haut auf Haut bei mir liegen, denn das Bonding war einer der mir wichtigsten Punkte auf meinem Geburtsplan. Dann wurde sie im Zimmer kurz gewogen, gemessen und untersucht und kam sofort wieder zu mir. Alle Werte waren super. Da es bereits Abend wurde beschloss ich, die erste Nacht mit der Kleinen auf Station zu verbringen. Der Papa konnte so zuhause alles für die Ankunft der Kleinen vorbereiten, was wir bis dahin noch nicht geschafft haben. Etwa 4 Stunden lag die Kleine nach ihrer Geburt bei mir, bevor sie angezogen, und so wieder zu mir ins Bett gebracht wurde. Dort blieb sie bis auf kurze Wickelunterbrechungen die ganze Nacht. So konnte ich von Anfang an stillen was auch super geklappt hat. Ich denke, egal wie die Geburt verläuft – denn letztlich hat man das wohl nicht immer komplett in der Hand (doch ich rate jeder Frau, es im Geburtshaus zu versuchen, denn ich bin wirklich super froh, dass ich hier ganz in Ruhe anfangen konnte) – das Wichtigste für die Kleinen ist, dass direkt danach die Mama oder der Papa für sie da sind – Haut auf Haut ganz nah und warm. Und ja, die Oxytocin-Ausschüttung war sicherlich durch PDA und Wehentropf beeinträchtigt und auch das Adrenalin beim Baby. Dennoch konnten wir die ruhigen Stunden nach der Geburt für eine wundervolle Bindung und eine gute Grundlage für die tolle Stillbeziehung, die wir heute haben, nutzen.

Also liebe Bald-Mamis: traut euch und wachst an der Erfahrung, die eine Schwangerschaft und eine Geburt für euch bereit halten. Habt Vertrauen in euch, euer Baby und euren Körper, nehmt die Hilfe an, die ihr braucht und seid euch gewiss, dass wenn ihr denkt ihr könnt nicht mehr – könnt ihr noch so viel mehr. Jede Geburt ist eine einzigartige und die wahrscheinlich wundervollste Grenzerfahrung für alle Beteiligten und die Zeit danach ist wunderschön, wenn man annehmen kann, was ist (und klar ist nicht immer alles rosa Wölkchen, doch wenn ihr dann eine tolle Hebamme an eurer Seite habt, dann ist ganz schnell alles wieder gut 🙂 An dieser Stelle auch nochmal ein ganz ganz großes Dankeschön an Heike für die tolle und liebevolle Geburtsvorbereitung und körperliche und seelische Pflege im Wochenbett!). Ach und genießt das erste Kennenlernen zu zweit/dritt als kleine Familie! Diese Zeit gehört ganz euch.

Ein riesen großes Danke an alle Beteiligten! Danke liebe Chris, liebe Silke, danke mein wundervollster und bester Mann der Welt, und Danke auch an all die tollen Helfer in der Frauenklinik in Tübingen! Ihr macht das klasse!

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