Am Tag an dem ich den positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt stellte sich für mich und meinen Mann bereits die Frage – wo soll bloß die Geburt stattfinden!? Am gleichen Tag schrieb ich Hebamme Maike an, eigentlich um nach einer Hausgeburt zu fragen. Wir lagen aber leider nicht mehr im Einzugsgebiet, so bot sie uns die Geburt im Geburtshaus an und nach einer Nacht darüber schlafen sagten wir zu. Eine der besten Entscheidungen, die wir wohl treffen konnten.
Schon als Teenager meinte ich immer Krankenhäuser sind, wie der Name sagt, für Kranke da und witzelte immer spaßhalber „Ich will lieber in ein Geburtenhaus gehen, wenn ich mal ein Kind bekomme“ – mehr als Wortwitz und ohne zu wissen, dass es sowas tatsächlich gibt. Ärzte sind super für Unfälle und Notfälle, aber bei so etwas Natürlichem wie einer Geburt nach einer problemlosen Schwangerschaft vertraue ich einfach mehr auf erfahrene Hebammen und eine angenehme vertrauensvolle Umgebung als Mittel meiner Wahl. Zu viele negative Geschichten von Krankenhaus Geburten hatte ich von meinen Freundinnen gehört, bei denen Zeit- & Kostendruck über ein schönes Geburtserlebnis gestellt wurden. Ich war mir sicher, dass geht auch liebevoller und selbstbestimmter. Im Notfall wäre ja die Tübinger Klinik nicht weit – ein beruhigender Nebengedanke.
Die Schwangerschaft lief super und Dank Corona-Krise sehr entspannt mit viel ruhiger Zeit daheim im Home-Office. Die Betreuung abwechselnd durch die Hebammen im 45 Minuten entfernten Geburtshaus und meine ortsansässige Frauenärztin war eine gute Kombination. Typisch wie ich bei allem bin, wollte ich möglichst gut vorbereitet sein. So nahm ich alles mit: von zuckerfreier Louwen-Ernährung, Geburtsvorbereitender Akupunktur, Schwangerschafts-Yoga und geburtsvorbereitenden Meditations- und Atemtraining. Zusammen mit dem Wissen in vertrauter Umgebung bei den kompetenten Hebammen im Geburtshaus entbinden zu können, war ich voller Vorfreude auf die Geburt und fühlte mich unbesiegbar. Ich denke, dass die Kombination all der Vorbereitungen, die vertraute Stimmung im Geburtshaus, die Unterstützung durch meinen wundervollen Mann und mein grund-positives Denken entschieden dazu beigetragen haben, dass ich tatsächlich meine Traumgeburt erleben durfte.
Los ging es am 20.8. bei SSW 36+6, also genau einen Tag vor dem Beginn der Rufbereitschaft im Geburtshaus. Nach meinem dreistündigen Online-Geburtsvorbereitungskurs legte ich mich ins Bett für eine der geburtsvorbereitenden Meditationen. Halb in Trance merkte ich kurz vor 15Uhr auf einmal wie schwallweise Wasser abging. Sehr überrascht griff ich zu den Fruchtwasser-Teststreifen, die ich erst 2 Tage zuvor im Geburtshaus beim 3. Vorgespräch bekommen hatte. Die Streifen schlugen positiv an. Wenige Minuten später kam mein Mann von der Arbeit und konnte an meinem entgeisterten Gesicht schon sehen, dass etwas passiert sein muss. Ich klärte ihn auf und rief unsere Hebamme Maike an. Da sie offiziell noch nichts unternehmen konnte riet sie mir erstmal den Frauenarzt oder das Krankenhaus aufzusuchen, um abzuklären, ob es tatsächlich ein Blasensprung war.
Der Frauenarzt lehnte uns sofort ab und schickte uns direkt ins nur 5 Minuten entfernte Krankenhaus. Dort bestätigte sich gegen 17Uhr nach einer Stunde Untersuchung mit CTG und Ultraschall, dass es tatsächlich ein Blasensprung war. Dem Kind ging es aber weiterhin super und es war noch genügend Fruchtwasser vorhanden. Die Ärzte hätten mich am liebsten gleich dortbehalten und an den Antibiotika Tropf gehangen, da ich auf einen B-Streptokokken Test in der Schwangerschaft verzichtet hatte. Ich bestand aber ohne mit der Wimper zu zucken darauf im Geburtshaus entbinden zu wollen. Zudem wollte ich nicht, dass mein Kind gleich prophylaktisch Antibiotika erhält, noch bevor es überhaupt geboren ist. Nach ein paar Unterschriften, dass ich gegen den Rat der Ärzte mich selbst entlassen habe, spazierte ich glücklich und selbstbewusst mit geplatzter Fruchtblase händchenhaltend mit meinem Mann aus dem Krankenhaus.
Zurück zu Hause telefonierten wir erneut mit Maike und drückten gemeinsam die Daumen, dass sich unsere kleine Bauchprinzessin bis zum offiziellen Rufbereitschaftsbeginn um Mitternacht Zeit lassen würde. Wir nutzten die Zeit für ein letztes Babybauchfoto (einen Abdruck hatten wir glücklicherweise eine Woche zuvor gemacht). Auch die Geburtshaus-Taschen waren erst diese Woche fertig gepackt worden und nun um ein paar letzte Gegenstände ergänzt. Dann wurde nochmal die Wohnung auf Vordermann gebracht und mein Mann bereite das Beistellbett vor, schließlich würde ab morgen der Haushalt eine untergeordnete Rolle spielen. Alles sah nun top aus und gemütlich – bereit für unseren kleinen Schatz.
Um 19 Uhr (über 4 Stunden nach dem Blasensprung) begann ich das erste Mal leichte Wehen wahrzunehmen, wie das Ankündigen eine Periode am Vortag. Zusammen mit meinem Schatz genossen wir ein letztes Candle-Light Dinner zu zweit bei Sonnenuntergang auf der Terrasse bei tropischen Abendtemperaturen um die 30°C. Es war wunderschön so unserem Pärchen-Leben Ade zu sagen und zu wissen, dass wir innerhalb der nächsten 24 Stunden Eltern werden würden.
Ab 21 Uhr wurden die Wehen stärker, so dass ich zwischen dem Abendessen immer mal wieder unterbrechen musste um mich auf den Atem zu konzentrieren. Der Abstand war aber immer noch bei etwas mehr als 5 Minuten. Vor dem Schlafen hörten wir mit unserem kleinen Dopton Gerät, dass wir bislang kaum genutzt hatten nochmal nach unserer Maus. Es tat gut ihren kräftigen Herzschlag zu hören und zu wissen, dass sie ab Morgen in unseren Armen schlafen würde. Um 22 Uhr legten wir uns in Bett und ich schaffte es tatsächlich noch für 2 Stunden zu dösen – auch wenn es eher viele kleine Powernaps zwischen den Wehen waren.
Glücklich stellte ich um Mitternacht fest, dass wir nun die Rufbereitschaft erreicht hatten und somit mein Traum von der Geburtshausgeburt in greifbare Nähe rutschte. Bis 2 Uhr lag ich noch im Halbschlaf im Bett. Gegen 2 Uhr zog ich auf die Couch um, da die Wehen immer stärker und unangenehmer wurden und ich meinen Mann nicht wecken wollte damit er für die Nachtfahrt fit war. Meine Katze kam, kuschelte mit mir während der Wehenpausen auf meinen Bauch und verfolgte mich auf Schritt und Tritt, wenn ich mal auf die Toilette ging. Auf der Couch hielt ich es nicht lange aus, also ging es um 3 Uhr unter die heiße Dusche. Sie tat wirklich gut, half aber nichts gegen die Wehen, die nun wie wirklich starke Regelschmerzen waren und alle 2-3 Minuten kamen. Um 3.30Uhr weckte ich meinen Schatz und sagte, dass wir so langsam ans Aufbrechen denken sollten. Kurz vor 4 Uhr riefen wir Maike an und verabreden uns auf 5 Uhr im Geburtshaus.
Durch all die Gespräche und die aufkommende Nervosität vor der Fahrt verlangsamten sich die Wehen und kamen nur noch alle 7-10 Minuten, was ich dankend annahm. Mein Mann nahm noch ein Mini-Blitz-Frühstück zu sich als Nervennahrung, mir war definitiv nicht mehr nach Essen zumute.
Um 4.15Uhr machten wir uns im bereits am Vorabend gepackten Auto auf nach Tübingen. Nun fing ich auch endlich an die geführte Geburtsmeditation auf meinem Kopfhören zu hören und mich auf meine tiefe Bauchatmung zu konzentrieren. Das sehr langsame, tiefe Einatmen in den Bauch war gar nicht so einfach unter Wehen, tat aber dennoch wirklich gut. Die Wehen kamen alle 5 Minuten und die 45 Minuten Autofahrt, vor denen ich immer Bedenken hatte, bekam ich nur in Halbtrance mit. Ich konnte es kaum glauben, als wir schon vor dem Geburtshaus parkten und die Zeit durch die Meditation und Atmung so schnell und super vorbei gegangen war.
Es war 5 Uhr, alles war noch still und dunkel. In den Fenstern des Geburtshauses konnten wir schon die Kerzen flackern sehen und beim Betreten hörten wir bereits das Plätschern des Wassers in der Geburtswanne – alles war genau so, wie ich es mir seit Monaten vorgestellt und erträumt hatte. Maike begrüßte uns herzlich und untersuchte mich, währen mein Mann die Taschen rein trug und das Bett bezog.
Der Muttermund war, wie auch bereits im Krankenhaus am Vortag, 2cm offen. Maike schlug mir Buscopan und die heiße Wanne vor. Um 5.40Uhr stieg ich mit meiner Meditation auf den Ohren (dank wasserfester Bluetooth Kopfhörer) in die warme Wanne und genoss die Stimmung mit Jasminöl-Duft und Kerzen im Raum, während Maike sich nochmal versuchte hinzulegen. Entspannend war die Wanne jedoch nur ganz am Anfang. Die Wehen wurden immer stärker und mir wärmer. Mein Mann kümmerte sich liebevoll um mich, streichelte den Rücken, fächelte Wind zu und gab mir einen kühlen Waschlappen für die Stirn.
Ich wechselte fleißig die Positionen in der Wanne, am angenehmsten empfand ich aber tatsächlich einfach nur zu stehen und mich am Tuch festzuhalten. Den Vierfüßler in der Wanne, den ich mir vorher immer insgeheim als Geburtsposition vorgestellt hatte, empfand ich hingegen am unangenehmsten, da die Wanne auch nur halb voll war. Es blieb mir nichts anders übrig als spontan auf meine Intuition, meinen Körper und die Tipps von Maike zu hören, die mittlerweile wieder da war. Auch die tiefe Bauchatmung half, wenn sie auch ungemein schwer war und alle Konzentration benötigte. Der Druck wurde immer stärker und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl ganz dringend aufs Klo zu müssen oder mich gleich zu übergeben, was beides glücklicherweise nicht der Fall war.
2 Stunden nachdem ich in die Wanne gestiegen war um 7.40Uhr tastete Maike zum zweiten Mal und siehe da – der Muttermund war nun voll geöffnet. Ich bekam das alles nur geistig halb anwesend mit. Die Mediation, Atmung und harmonische Stimmung in der Wanne hatten wohl gut geholfen. Die zweite Hebamme, die liebe Silke, wurde hinzugerufen. Ich war unglaublich stolz und motiviert, dass es nun bereits ins Finale ging.
Erst dachte ich es sei ein Scherz, aber dann überredete mich Maike so gegen 8 Uhr doch die Wanne zu verlassen und eine Wehenpause zu nutzen, um ins Bett zu wechseln. Dort gingen die Presswehen gleich richtig stark weiter. Die Kopfhörer donnerte ich zwischendurch in die Ecke, an Meditieren und konzentriertes Atmen war nicht mehr zu denken. Mein ganzer Körper wollte einfach nur pressen und ich ließ es einfach intuitiv zu.
Maike und Silke schlugen verschiedene Positionen vor, so wechselte ich von seitlich liegend in den Vierfüßlerstand. Mein Schatz streichelte mich dabei liebevoll und gab mir viel Unterstützung. Um 8.15Uhr konnte man bereits das Köpfchen sehen und es motivierte mich noch mehr mitzuarbeiten. Da meine Arme vom vielen am Tuch fest halten sehr erschöpft waren beugte sich kurzerhand mein Mann im Vierfüßlerstand vor mich. So konnte ich mich einfach über ihn legen und in den Pausen etwas entspannen. Die Geburt fühlte sich wie das härteste Fitness-Training an, dass ich je gemacht habe. Nicht unbedingt schmerzhaft, aber sehr intensiv, als starkes Druckgefühl und all meine Kräfte fordernd.
Das Köpfchen unserer Tochter ließ sich viel Zeit und rutschte immer mal wieder leicht raus und wieder zurück – eine halbe Stunde lang. Innerlich sprach ich die ganze Zeit wie ein Coach meiner kleinen Maus Mut zu, dass wir beide jetzt alles geben und uns gleich sehen werden. Um 8.45Uhr schaffte es der Kopf endlich geboren zu werden und sogleich fing ihr kleiner Mund an los zu erzählen. Mit der nächsten Wehe, 2 Minuten später, schaffe es dann auch der Rest von ihr auf die Welt.
Trotz der etwas kurz geratenen Nabelschnur wurde sie mir glücklicher Mama gleich auf den Bauch gelegt und diese wundervollen, kleinen, sehr weise dreinschauenden Augen guckten uns an. Noch vollkommen benebelt kuschelten wir zu dritt im Bett und waren einfach nur happy.
Um 9Uhr starteten die Nachwehen und gingen ca. eine viertel Stunde, bis auch die Plazenta geboren wurde. Die Nabelschnur durfte von meinem Mann durchtrennt werden als sie auspulsiert war. Alles nach der Geburt bekam ich noch vollkommen vernebelt, sehr müde aber glücklich mit (ich war ja breites seit 26 Stunden wach – die Powernaps mal nicht beachtet). Maike versorgte leichte Verletzungen bei mir, zeigte und erklärte uns stolz die Plazenta und half mir beim ersten Stillen. Silke wuselte im Hintergrund fleißig umher und säuberte alles bevor ich überhaupt einen Tropfen Blut wahrgenommen hätte. Ich ruhte mich solange aus und verschlang einen kleinen Snack, während mein Mann bei der U1 zusah und danach unsere kleine Prinzessin in ihr erstes Outfit einpackte. Gegen 12 Uhr lud mein Schatz dann all unsere Sachen ins Auto und wir verließen zum ersten Mal mit Baby on Board das Geburtshaus an einem wundervollen sonnigen 35°C Sommertag.
Wir danken von ganzem Herzen den wundervollen Hebammen des Geburtshauses. Maike und Silke haben uns so liebevoll und professionell begleitet – vor, während und nach der Geburt. Es war eine wundervoll selbstbestimmte Geburt und gleichzeitig waren alle Vorschläge von den Hebammen Gold wert. Auch die liebe Chris hat uns nach der Geburt bei einigen organisatorischen Sachen sehr lieb unterstützt. Da unsere Tochter 3 Wochen früher als geplant kam und das passend zu einem Wochenende in der Ferienzeit, liefen Dinge wie die U2, die Anti-D-Prophylaxe Spritze und das Neugeborenen Screening etwas anders und improvisierter ab als geplant. Aber auch dabei halfen und vermittelten die lieben Hebammen uns, so dass alles gut geklappt hat. Vielen lieben Dank, dass wir bei euch solch eine schöne Geburt erleben durften. Wir würden immer wieder diesen Weg wählen!