Mädchen

Als ich im Juni 2020 einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt, war uns schnell klar, dass wir unser Baby gerne an einem anderen Ort als in einem Krankenhaus zur Welt bringen wollten. Nicht zuletzt da mein Mann selbst zu Hause geboren wurde und immer mehr Horrorgeschichten von Frauen kursierten, die ihr Kind im Krankenhaus aufgrund strenger Corona-Regeln alleine zur Welt bringen mussten. Eine Hausgeburt war mir wiederum doch etwas zu krass, sodass unsere Entscheidung recht schnell auf das Geburtshaus fiel. Wir meldeten uns noch in der 12. SSW an und erhielten sofort eine Zusage und Einladung von Chris. Bereits der erste Besuch im Geburtshaus hinterließ sowohl bei meinem Mann als auch bei mir einen durchweg positiven Eindruck. Chris war uns sofort sympathisch, stellte die Philosophie des Geburtshauses vor und beantwortete geduldig alle Fragen.

Im Laufe der Schwangerschaft nahm ich immer mehr Vorsorgetermine bei Chris war, was vor allem  daran lag, dass ich die Termine regelrecht genoss und das Geburtshaus immer mit einem guten Gefühl verließ. Bei meiner Frauenärztin musste ich immer lange Wartezeiten über mich ergehen lassen und war mit dem doch oft schematischen und unpersönlichen Vorgehen (bei jedem Termin ein Ultraschall und gegen Ende am Liebsten jedes Mal ein CTG, obwohl es unserem Baby bestens ging und keine Auffälligkeiten vorlagen) nicht einverstanden. Das erste und letzte CTG brach ich nach etwa einer halben Stunde ab, da ich mich nicht wohlfühlte und sich auch unser Kleines ständig weg drehte, was zu einem komischen Geräusch des CTG führte. 

Auf Chris‘ Hinweis hin besorgte ich mir noch EPINO. Auch nahm ich an dem Geburtsvorbereitungskurs von Antje vom Geburtshaus teil und meldete mich bei „Die friedliche Geburt“ an. Ich wollte bestens vorbereitet sein.

Die Vorbereitung mit „Die friedliche Geburt“ fiel mir nicht so leicht, da ich bei den Meditationen meistens einschlief und meist nur zwei Meditationen am Tag schaffte. Dennoch fand ich die Erläuterungen von Kristin und das Konzept sehr stimmig und bereichernd.

In den letzten 3 Wochen vor meinem ET steigerte ich die Anzahl an Meditationen, begann mit der Dammmassage und mit EPINO. Letzteres war anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, manifestierte sich in Kombination mit einer „Affirmations-Audio“ von Kristin ( Die friedliche Geburt) aber zu einer täglichen Routine.

Gut 3 Wochen vor ET hatte ich auch zum ersten Mal Übungswehen. Ein leichtes Ziehen im Unterleib verbunden mit einer Verhärtung meines Bauches. Ich dachte daher zu wissen wie es sich anfühlt, wenn es ernst wird. Als meine Gynäkologin mir bei einer der letzten Untersuchungen eröffnete, dass unser Baby schon sehr tief im Becken liege und der Gebärmutterhals bereits verstrichen sei, war ich mir sicher, dass unser Kleines (das Geschlecht wollten wir erst bei der Geburt erfahren) früher kommen würde. Die Geburtshaustasche war gepackt, es konnte los gehen.

 

Am Tag vor dem ET, es war ein Freitag, war tagsüber alles wie immer. Mit meinem EPINO kam ich mittlerweile auf einen Durchmesser von 9 cm, was einem Kopfumfang von 30 cm entsprach. Auch die Tiefenentspannung klappte immer besser. Vor allem die Ankersetzungen zusammen  mit meinem Mann waren sehr hilfreich gewesen. Zum Abendessen gab es Käsespätzle. Kurz nach dem Essen spürte ich ein Ziehen im unteren Rücken, das eine gute Minute anhielt und dann auch wieder verschwand. Nach wenigen Minuten kam es schon wieder. Nach gut einer Stunde war uns klar, dass das Wehen sein mussten – völlig anders als die Übungswehen und schon recht regelmäßig und in kurzen Abständen. Ich setzte mich aufs Sofa, wo ich bislang auch immer die Meditationen geübt hatte, dimmte das Licht, machte die Wellen-Audio von „Die friedliche Geburt“ an und versuchte mich in eine Tiefentspannung zu begeben. Gefühlt gelang mir dies nur in den Pausen. Während der Welle versuchte ich nicht über das Ziehen im unteren Rücken nachzudenken, sondern mich auf die Visualisierung in Form der Öffnung des Muttermundes zu konzentrieren und zu atmen.
Mein Mann war zu diesem Zeitpunkt noch sehr entspannt. Als ich ihn um 23 Uhr bat, Chris anzurufen, fragte er mich, ob das wirklich nötig sei. Offensichtlich machte ich einen sehr entspannten und gefassten Eindruck auf ihn. Chris wiederum bedankte sich für die Info und wollte bald ins Bett gehen, dass falls es morgen früh tatsächlich los gehen sollte, sie ausgeruht ist. Wir sollten sie auf dem Laufenden halten und uns ebenfalls ausruhen. Mein Mann schlug deshalb vor ins Bett zu gehen. Ich konnte seinen Vorschlag kaum glauben. Wie sollte ich denn so im Bett liegen und schlafen? Auf der anderen Seite dachte ich, könnten die Wellen im Bett vielleicht angenehmer zu veratmen sein, weshalb ich es ausprobieren wollte. Es dauerte keine 2 Wellen da hörte ich meinen Mann neben mir schnarchen, während ich weiterhin tapfer die nun alle 3 – 4 Minuten wiederkehrenden Wellen veratmen musste. Ich empfand es als sehr ungerecht neben meinem schlafenden Mann zu liegen und selbst „arbeiten“ zu müssen. Deshalb entschied ich mich gegen Mitternacht dazu wieder zurück auf‘s Sofa zu liegen. Ich hatte mein Handy bei mir, während mein Mann das seine auf laut gestellt bei sich im Schlafzimmer hatte.

Gegen 3 Uhr kam von einer Sekunde auf die andere während einer Welle der Drang zu pressen dazu. Ich erinnerte mich an Antje‘s Worte aus dem Geburtsvorbereitungskurs, dass es bereits am Tönen zu hören ist, wenn es in die heiße Phase geht. Auch spürte ich eine Flüssigkeit zwischen meinen Beinen.

Etwas hektisch rief ich meinen Mann an. Gleichzeitig ermahnte ich mich selbst ruhig zu bleiben und weiterhin Kristin‘s Stimme zu lauschen, die seit 21 Uhr ununterbrochen in Dauerschleife gelaufen war. Ich war froh als mein Mann wenige Minuten später neben mir stand. Als er mich bei der nächsten Welle hörte, wurde auch ihm klar, dass es dieses Mal kein Übungsfall mehr war, sondern sich unser Kleines tatsächlich zu uns auf den Weg machte. Er rief sofort Chris an, die ebenfalls meinem Pressdrang lauschte und meinte: „Packt eure Sachen und dann ab ins Geburtshaus. Keine Hektik, aber auch nicht länger warten.“ Mein Mann bereute es, die Geburtshaustasche nicht bereits am Abend zuvor ins Auto gebracht zu haben. Als dies nun erledigt war, stützte er mich beim Gang zum Auto. Im Erdgeschoss angekommen veratmete ich auf einem Stuhl am Eingang noch ein Welle und befand mich schon kurz danach auf dem Beifahrersitz. Auch während der Fahrt konzentrierte ich mich auf Kristin‘s Stimme, visualisierte den Muttermund und versuchte mich in den Wellenpausen zu entspannen.

 

Ich werde den Moment, als ich das Geburtshaus betrat, niemals vergessen. Das Licht war gedimmt und der Flur in einen orangefarbenen Ton gefärbt. Es war angenehm warm und roch sehr gut. Chris kam mir sofort mit offenen Armen entgegen und begleitete mich in das Zimmer mit Wanne, da kurz zuvor im Hauptzimmer ein Baby auf die Welt gekommen war. Sie hatte Wasser eingelassen und obwohl ich noch bei der Begehung der Räumlichkeiten im Rahmen des Geburtsvorbereitungskurses der festen Überzeugung war, niemals in der Wanne zu liegen, zog diese mich nun magisch an. Außer einem Bustier entledigte ich mich aller Kleidung und stieg in das warme Nass. Mein Mann saß hinter mir auf dem Wannenrand. Chris wollte zunächst den Muttermund untersuchen. Zu meiner großen Überraschung und Freude war dieser bereits bei 10 cm. Leider war die Fruchtblase nur angerissen, aber noch nicht vollständig geplatzt. Chris erklärte mir, dass sie das natürliche Platzen der Fruchtblase gerne abwarten würde und ich deshalb versuchen solle, weg von dem Pressdrang hin zu einem kontrollierten Atmen zu kommen, um den Druck von meinem Baby zu nehmen. Obwohl ich dies für unmöglich hielt, gelang es mir seltsamerweise recht schnell. Nach ca einer Stunde, es war mittlerweile 05:00 Uhr war immer noch nichts geschehen, weshalb Chris vorschlug, die Fruchtblase mit einem kleinen Picker aufzustechen. Ich willigte sofort ein und freute mich sehr über ihren Plan. Wenige Minuten später sahen wir, wie sich das Fruchtwasser mit dem Badewasser mischte. Es war ein wunderbar befreiendes Gefühl. Auch spürte ich wie unser Baby noch einmal ein Stück tiefer rutschte. Ich kann nicht mehr sagen wann, aber irgendwann war Katharina, die zweite Hebamme zugegen. Obwohl ich sie davor nicht kennen gelernt hatte, war ihre Anwesenheit für mich vollkommen in Ordnung und eher beruhigend, noch jemand in meiner Nähe zu wissen.

Nachdem ich mich nun fast 2 Stunden darauf konzentriert hatte, nicht zu pressen, sondern zu atmen, fiel es mir schwer, Chris Anleitung nun wieder mit zu schieben, nachzukommen. Chris schlug deshalb vor aus der Wanne raus auf die Toilette zu gehen. „Stell‘ Dir einfach vor Du gingst auf‘s Klo.“ Gesagt, getan. Dies half mir schon sehr weiter. Danach sollte ich auf einem Hocker Treppen laufen und mich an meinen Mann hängen. Ebenfalls sehr hilfreiche Übungen. Nun wieder zurück in die Wanne. Ich ging in die Hocke und stützte mich auf den Oberschenkeln meines hinter mir sitzenden Mannes ab. Das Mitschieben fiel mir nun wieder leicht, auch wenn ich das Gefühl hatte, bald keine Kraft mehr zu haben. Als Chris plötzlich meinte, dass man bereits die Haare sehen könne, fühlte mich mich so beflügelt, dass ich noch einmal alles geben wollte. Ich presste so sehr ich nur konnte und auf einmal war das Köpfchen da. Unser Baby schaute uns alle an – ein Sternengucker. Völlig überwältigt von dieser Tatsache, aber auch von dem plötzlichen Druck der damit einherging, konzentrierte ich mich auf die nächste Welle und schob noch bevor sie ganz da war unser Baby ins Wasser. Das kleine Menschlein schwamm im Wasser und machte ein Mündchen wie ein Fisch. Chris nahm es, legte es mir direkt auf den Oberkörper und hüllte es mit Handtüchern ein. Es stieß einen kurzen Schrei aus und schmiegte sich dann mit großen Augen an mich. Ich war so überwältigt von der körperlichen Anstrengung, aber auch von der Tatsache, dass da plötzlich ein kleines Baby auf meiner Brust lag, unser Baby, dass ich es zunächst nicht glauben konnte. Chris machte während dessen ein Foto von uns – das erste und schönste Foto, das ich jemals von uns 3 gesehen habe.

Nach einigen Minuten sagte Chris ganz leise: Wollt ihr nicht einmal nachschauen, was es denn ist? Aber nicht die Nabelschnur mit etwas anderem verwechseln 😉

Mein Mann schob die Handtücher beiseite und zu unserer Überraschung war es ein kleines Mädchen. Gesund und munter schaute sie uns an, als ob es das normalste auf der Welt wäre.

Nachdem die Nabelschnur auspulsiert war, durchschnitt mein Mann sie und nahm unsere Kleine an sich, während Chris bei mir blieb und mir mit der Nachgeburt half. Diese glitt völlig unproblematisch und schmerzfrei ins Wasser. Kurz danach fing mein Körper – vermutlich vor Erschöpfung und Unterzuckerung – stark zu zittern an, weshalb Chris noch einmal warmes Wasser einließ und mir danach beim Abduschen und Wechseln des Zimmers half. Dort warteten bereits mein Mann und unser kleines Mädchen mit Katharina. Während ich mich auf dem Bett in zwei Decken eingewickelt ausruhte und ein Salamibrot aß, untersuchten Chris und mein Mann unsere Kleine. Mit einem stolzen Gewicht von über 3500 Gramm und 52 cm hatte sie das Licht der Welt erblickt. Ich werde das Bild nie vergessen, wie mein Mann unsere Tochter in den Händen hielt und sie einfach nur anschaute. Chris freute sich über die vielen blonden Haare unserer Kleinen. Nachdem wir gemeinsam gekuschelt hatten, fuhren wir gegen 11 Uhr nach Hause. Da unsere Kleine noch  etwas Fruchtwasser spuckte, empfahl uns Chris, sie nicht in den Kindersitz zu setzen, sondern während der Fahrt auf dem Arm zu halten, was mir sehr entgegen kam – ich wollte sie am Liebsten nie mehr aus den Händen geben.

 

Unser Dank gilt in erster Linie Chris. Die Zuversicht und Stärke, die sie mir bei jedem einzelnen Termin im Geburtshaus, aber vor allem auch bei der Geburt gegeben hat, ist unbeschreiblich. Sie war stets da, ohne zu aufdringlich zu sein und bestärkte mich darin genau zu wissen, welcher Weg der für mich richtige und passende ist. Ich kann jeder Frau, die selbstbestimmt und mit viel Liebe und Vertrauen in sich und ihre weiblichen Kräfte gebären möchte, nur raten, im Geburtshaus oder mithilfe des Geburtshaus-Teams zu Hause zu entbinden. Die Tatsache, dass man sowohl den  Geburtsort aber vor allem auch die die Geburt begleitende Hebamme schon vorher kennen lernt, schafft gegenseitiges Vertrauen und eine Entspanntheit, die meines Erachtens für eine friedliche und schöne Geburt unglaublich wichtig ist. Ich erzähle gerne von meiner Geburt und bin stolz, diese so anmutig und nahezu schmerzfrei gemeistert zu haben. Dies merkt man auch unserer Tochter an, die vom ersten Tag an ein Urvertrauen und eine Gelassenheit ausstrahlt.

Vielen  vielen Dank für Alles liebe Chris – für deine Begeisterung, deine Liebe, deine Energie und deine Hingabe, die sich automatisch auf einen überträgt. Wir hoffen sehr dich oder eine liebe Kollegin bei unseren nächsten Schwangerschaft und Geburt wieder an unserer Seite zu wissen. 

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