Yara

Nachdem ich schon einige Tage über dem (nach vorne korrigierten) Termin war und immer wieder mal Wellen da waren, die aber spätestens in der Wanne wieder aufhörten, war ich inzwischen sehr entspannt. Wir hatten uns entschlossen bei meinen Eltern zu bleiben und somit die Situation für den „Großen“ möglichst entspannt zu gestalten, da ja die Chance immer größer wurde, dass es bald so weit ist. Am Freitagabend dann waren meine Eltern das erste Mal seit einiger Zeit abends mal wieder unterwegs und genossen den Abend bei Freunden am Lagerfeuer. Ich war noch (wie fast jeden Abend gegen Ende der Schwangerschaft) gemütlich spazieren, während Jörn, mein Partner, den Großen ins Bett gebracht hat. Da wir den Abend alleine waren, beschlossen wir einfach Essen zu bestellen und uns noch einen Film oder ne Serie anzumachen. Das Essen war richtig lecker, aber kurz danach sind wir beide schon fast auf dem Sofa eingeschlafen und beschlossen ins Bett zu gehen.
Was solls, dann eben etwas mehr Schlaf statt Zeit zu zweit. So gegen 23 Uhr lagen wir also im Bett und kurz nach 1:30 Uhr bin ich aufgewacht, weil irgendwie alles nass war. Also los ins Bad um zu klären, ob es Fruchtwasser ist. Da die erste Geburt auch mit einem Blasensprung angefangen hatte und dieser einen recht langen Trip ausgelöst hatte, war mir etwas mulmig. Insgesamt war meine große Challenge mehr oder weniger unvoreingenommen an diese zweite Geburt ranzugehen. Nach der letzten schien nämlich die Option „zweites Kind“ aufgrund der Geburtserfahrung schier unmöglich. In dieser Schwangerschaft also war ich auf der Suche nach einer Möglichkeit, mich vorzubereiten und mir die Angst nehmen zu lassen und stieß auf „Die friedliche Geburt“. Nach einigen Hin und her kaufte ich mir den Zugang zum Onlinekurs von Christin von die friedliche Geburt (auf Raten) und übte die Hypnose. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich definitiv nicht so oft zum üben kam, wie es eigentlich gedacht ist und ich auch nicht so gut in den Hypnosen ankam wie sicher viele andere. Trotzdem gaben sie mir etwas: Vertrauen. Die Stimme von Christin und ihre Worte waren einfach Balsam für meine verängstigte Seele. Ich sah das Üben also als Kür, machte mir (zumindest die letzten Wochen) keinen Stress mehr und bereitete auch Jörn darauf vor, dass ich spontan entscheiden werde, ob ich in Hypnose gehe oder nicht. Irgendwie wollte ich auch mit meiner Außenwelt im Geburtshaus in Kontakt bleiben, also ließ ich mir das offen. Zudem war ich inzwischen in der Phase der Rufbereitschaft angekommen in der Silke, meine liebste Hebamme, Dienst hatte und ich konnte mir irgendwie nicht vorstellen stundenlang vor mich hin zu gebären ohne mit ihr zu sprechen. Naja, so viel dazu. Zurück in besagte Nacht: Im Bad angekommen musste ich fast lachen, so schwallartig wie das Fruchtwasser rauskam, stellte sich die Frage ob es welches ist nun wirklich nicht. Durch meine Erfahrung der sehr lange auf sich warten lassenden Wehen wollte ich aber unbedingt zurück ins Bett um Kraft zu tanken. Also kurz die Treppe runter und meiner Mutter Bescheid gegeben, dass sie möglicherweise in dieser Nacht zu unserem Großen hoch soll, die Unterhose mit Handtüchern ausgestopft und wieder ab ins Bett. Kaum lag ich da, spürte ich die erste Welle anrollen. Sofort zog ich mich in mich zurück, atmete und visualisierte meinen sich öffnenden Muttermund. Fühlte sich irgendwie gut an. Dann kam auch relativ bald die nächste hinterher, hui. Nach der dritten Welle stand ich auf und gab Jörn Beacheid: Ich würde mal unten auf den Ball gehen und er könnte ja vielleicht schon Kaffee trinken gehen, wer weiß, vielleicht geht es ja doch schneller und bevor er dann ohne Kaffee los müsse… (Eine schnelle Geburt konnte ich mir aufgrund der letzten Erfahrung einfach nicht wirklich vorstellen…). So ist er also gemütlich Kaffee trinken gegangen und ich habe angefangen mich auf dem Pezziball zu bewegen. Nach etwa einer Viertelstunde dachte ich, ich könnte ja mal den Abstand der Wellen checken, da es mir doch recht zügig vorkam. Jep, alle 2-3 Minuten sagt die App. Sie machte mich darauf aufmerksam, dass ich doch schnellstmöglich ein Krankenhaus aufsuchen sollte. Naja, kann ja immer noch eine kurze Phase sein, dachte ich mir. Nachdem einige Wellen in dem Abstand auftauchten, schrieb ich Jörn „So 3 Minuten Abstand“, er antwortete „Oh, Dann los oder?“, ich: „Ich denk auch demnächst“. Kurze Zeit später kam er ins Wohnzimmer, meine Mutter bot noch an Brötchen zu schmieren, was ich dankend annahm. Jörn suchte noch ein paar Gegenstände (Ladekabel, Getränke) zusammen und um 3 Uhr saßen wir in unserem VW-Bus. Puuh da war ich doch ein bisschen aufgeregt und gab mir wirklich Mühe „in meinem Film zu bleiben“, da ich genau wusste, dass so ein Ortswechsel auch die Wellen mal wieder versiegen lassen kann. Obwohl ich diesbezüglich unsicher war, rief ich nun Silke an und klingelte sie aus dem Bett. Sie meinte sie hofft, vor uns dort zu sein, ich beruhigte sie, wir hatten ja einen sehr langen Anfahrtsweg mit etwa 50 Minuten und ich war ja auch entspannt, Zitat: „Sonst habe ich halt noch ein paar Wellen auf dem Parkplatz“… Den Tracker ließ ich übrigens weiter mitlaufen und siehe da, die erste Welle im Auto dauerte direkt mal über fünf Minuten. Ich konnte sie aber weiterhin ganz gut veratmen und war begeistert. Durch die schmerzfreien Pausen dazwischen, war es zwar schon anstrengend (vor allem nicht in die Schmerz-Angst-Spirale zu kommen), aber wirklich aushaltbar und in Hypnose zu gehen war gar nicht „nötig“. Die erste Hälfte der Fahrt unterhielten wir uns also in meiner Erinnerung zwischen den Wellen ganz entspannt, dann wurde es zunehmend unangenehmer. Es brannte immer mehr, ich konnte mich weniger aufs Visualisieren konzentrieren und es war immer wieder kurz schmerzhaft. Das steigerte sich so, dass ich Jörn etwa 5-10 Minuten vor Ankunft bat, anzuhalten. Ich könnte nicht mehr sitzen, ich will aussteigen, er solle auf den Waldparkplatz da vorne fahren usw. Zum Glück konnte er mich davon überzeugen, dass ich es noch bis zum Geburtshaus schaffe, während er immer weniger Führerschein-tauglich durch die Nacht düste. Zum Glück war ja quasi nichts los und es war dadurch total ungefährlich. Auch empfand ich die Ruhe und die Dunkelheit auf der Fahrt als absolut angenehm.

Dort angekommen (Es war 3:43 Uhr laut Hebamme) rief ich nur „Hol mich raus“, er rannte ums Auto und half mir vom Sitz (der ja relativ hoch ist beim T4). Dann rannte ich zum Eingang und betete nur, dass Silke schon da war. Puuuh, die Tür ging auf und ich rannte direkt ins ums Eck ins Bad, um aufs Klo zu gehen. Silke kam mir hinterher und fragte, ob sie kurz tasten dürfe. „Ja klar, aber schnell, ich muss aufs Klo“ Sie tastete nach dem aktuellen Stand und sagte: „Du musst nicht aufs Klo, das Baby kommt gleich, das Köpfchen liegt schon auf dem Beckenboden. Schaffst du es noch nach hinten in den Raum?“ Ich habe all meine Reserven zusammen genommen und bin breitbeinig in den Geburtsraum gelaufen, dort gab Silke Jörn schon Anweisungen. Er sollte die Matratzen und Decken mit unserer mitgebrachten Bettwäsche beziehen. Tatsächlich schaffte er nur die Matratzen zu beziehen, die die vor dem Bett lag (auf die ich mich dann kniete) und die andere auf dem Bett. Silke zog mir noch irgendwie die Leggins und die Unterhose aus und ich durfte endlich pressen. Was ich bis dahin nicht wusste: Genau das hatte mir gefehlt. Vermutlich, weil ich einfach nicht damit gerechnet hatte schon so weit zu sein, hatte ich das nicht in Erwägung gezogen. So kniete ich also vor dem Bett, stütze mich darauf ab, Silke links an meiner Seite und Jörn rechts von mir und scherzte in den Wehenpausen. Die mir übrigens ewig vorkamen. Ich habe sogar (mehrfach!) gesagt, wie erstaunt ich bin, dass man so glücklich beim Gebären sein kann. Verrückt. Nach einigen Wellen, während denen ich ordentlich mitschob, feuerte mich Silke nochmal an und bat mich, jetzt noch einmal über meine Grenzen zu gehen. Das Brennen war mega unangenehm, aber es hat sich irgendwie gut angefühlt, weil ich wusste ich hab es gleich geschafft. Prompt wurde der Kopf bis zur Nase geboren. Jetzt fand ich die Pausen irgendwie komisch, ich sollte einfach nichts machen bis zur nächsten Welle? Bei der nächsten kam das Köpfchen dann vollends und nach zwei weiteren war sie endlich komplett geboren. Es war 4:04 Uhr, sie wurde mir durch die Beine nach vorne gereicht, ich schaute sie an und drückte sie an mich, sie hat gequäkt, die Augen waren geschlossen. Jörn schaute nach und gab uns Bescheid, dass es ein Mädchen ist (wussten wir ja vorher nicht). Als ich mich umschaute, sah ich links von mir eine unbekannte Person sitzen und bin kurz erschrocken. „Ich bin Chris“, stellte sie sich lächelnd vor, ich mich dann auch, wobei wir alle etwas lachen mussten. Das war also die zweite Hebamme, die wohl gegen Ende dazukam, was ich aber gar nicht mitkriegte, wobei wir ja auch nur ne Viertelstunde dort waren, bevor die Kleine geboren wurde.

Dann hab ich mich noch vollends ausgezogen und bin mit ihr aufs Bett geklettert. Silke inspizierte mich auf Geburtsverletzungen und fand nichts, was mich sehr beruhigte. Wir gaben meiner Mutter Bescheid, die Zuhause mitfieberte und schickten das erste Foto von unserer neuen Erdenbürgerin. Das erste Anlegen klappte auch richtig gut, sie saugte und saugte einige Zeit. Im Anschluss haben wir dann noch Getränke bekommen und insgesamt haben wir uns wirklich gut aufgehoben und versorgt gefühlt. Um 4:35 habe ich dann die Plazenta im Knien vollständig geboren. Zwischendrin und danach haben wir einfach gekuschelt und bewundert und vor allem gestaunt, wie schnell das ging und wie gut es uns geht. Im Vergleich zur vorherigen Geburt war einfach alles anders. Kein tagelanger medizinischer Höllentrip mit Schmerzen von Anfang bis Ende und einer völlig erledigten Mutter danach, sondern eine tatsächlich schöne Erfahrung. Wir waren baff und glücklich.

Jetzt wurde die Kleine noch untersucht und angezogen. Zu unserer aller Erstaunen (okay, aufgefallen war es uns schon), war sie viel größer und schwerer als nach der strapaziösen Schwangerschaft erwartet. Gut, dass sie sich mit dem auf die Welt kommen noch etwas Zeit gelassen hatte vermutlich. Nachdem mein Kreislauf stabil genug war, um auf Toilette zu gehen, zog auch ich mich an und Jörn und Silke packten und brachten alles ins Auto. Um 6:30 Uhr fuhren wir wieder Richtung Heimat und kamen gegen 7:30 Uhr an. Der „Große“ war mit seinen 1,5 Jahren total begeistert, dass dieses ominöse „Baby“ nun wirklich da ist und wir ihm anscheinend keinen Mist erzählt hatten. Außerdem war es für ihn natürlich toll, dass er neben der Oma aufgewacht ist und wir nicht lange weg waren. Gegen halb 8 saßen wir dann schon mit unserer kleinen Tochter auf dem Sofa und packten die vorbereiteten Brötchen zum Frühstück aus und es begann eine wundervolle Kennenlernzeit im Rahmen der kleinen Großfamilie. Von der (also unserem Wochenbett bei meinen Eltern) erzähle ich euch gerne noch mehr, wenn ihr wollt.

You are currently viewing Yara
seg_soft