Julina

Es sind nun ziemlich genau acht Monate vergangen und endlich finde ich die Zeit und die Muße meinen Geburtsbericht zu schreiben, denn ich so unbedingt schreiben wollte. 

 

Bereits zwei Wochen vor der Geburt dachten wir, es würde jederzeit losgehen. Wir waren fest davon überzeugt, dass sich unsere kleine Julina schon einige Tage vor dem errechneten Termin auf den Weg machen würde.

Schließlich kam Floris ohne jegliche Vorankündigung fünf Tage vor Termin auf die Welt, indem er einfach ganz spontan eines Morgens die Fruchtblase zum Platzen brachte.

Im Unterschied zu Floris „übte“ Julina sogar kräftig und ich spürte einige Übungs- und Senkwellen. Die Tage vergingen und nichts passierte.

Nach dem errechneten Termin wurde ich Tag für Tag ungeduldiger und war auch schon besorgt, die Geburt müsste eingeleitet werden. Während des Wartens nutzte ich die Abende  mich mental auf die Geburt einzustimmen. 

Mein fester Anker war, wie schon bei Floris die Badewanne. Insbesondere in Verbindung mit meiner vertrauten Mediations-Geburtsplaylist, gemütlichem Kerzenschein und angenehmen Duft, fühlte ich mich in der Wanne wohl, motiviert und voller Zuversicht. 

Dazu las ich dann meistens auch noch mein Geburtsdrehbuch, das ich in den letzten Wochen verfasst hatte. Ich brauche das Gefühl vorbereitet zu sein. Auch wenn mir klar war, dass eine natürliche Geburt nicht planbar ist, gab es mir Sicherheit.

Da ich also in den Tagen nach Termin immer ungeduldiger wurde, kontaktierte ich Maike, meine erste Hebamme und erkundigte mich, ob es denn Möglichkeiten gäbe, um dem ersehnten Start der Geburt auf natürliche Weise etwas nachzuhelfen. Schon am nächsten Tag durfte ich zur Akupunktur, zu ihr ins Geburtshaus kommen. Zudem gab sie mir noch einen Geburtstee, ein spezielles Massageöl für den Bauch, sowie Senfmehl für ein Fußbad mit. Alle diese Mittelchen kamen noch am selben Abend zur Anwendung. Am nächsten Tag war ich, wie es bereits an den Tagen zuvor immer wieder der Fall war, von unangenehmen Bauchschmerzen in der Darmgegend geplagt.

Im Laufe des Nachmittages wurde es sogar so unangenehm, dass ich auf dem Spielplatz einfach nur noch mit einer Wärmflasche am Sandkasten saß. Glücklicher Weise waren zwei Freundinnen zur Unterstützung mitgekommen und halfen mir dabei, Floris und mich nach Hause zu bringen. Eine der Freundinnen war fest überzeugt, es würde noch am selben Tag losgehen. Bei ihr war das wohl auch so mit den Bauchschmerzen. Daran glaubte ich jedoch nicht. Julius, mein Mann, kam zum Glück auch kurz darauf nach Hause und ich konnte mich zur Entspannung aufs Sofa legen und etwas lesen. Dann merkte ich etwas und mir war ziemlich schnell klar, dass es ein Blasensprung war. Yes! Endlich geht’s los! Es war in etwa 20 Uhr und Floris war bereits im Bett. Wir kümmerten uns um die letzten Vorbereitungen und da in der Badewanne immer noch keine Wellen zu spüren waren, versuchte ich auch noch etwas zu schlafen, um Kraft zu tanken. Die Bauchschmerzen waren so unangenehm, dass ich nicht recht in den Schlaf fand. Schließlich entwickelten sich aus den Bauchschmerzen heraus die Wehen und ich wechselte ins Wohnzimmer, um diese dort zu „veratmen“. Irgendwie wusste ich nicht recht wohin mit mir und was ich jetzt tun sollte. Ich war doch eigentlich so gut vorbereitet. Aber die Badewanne war halt einfach immer ein wesentlicher Bestandteil meiner Vorbereitungen und schließlich hatte ich ja auch wieder eine Wassergeburt „geplant“. Also ließ ich erneut die Badewanne ein. Bevor ich hineinstieg, weckte ich Julius und er kam mit ins Badezimmer. Die Wellen waren wieder ziemlich schnell ziemlich regelmäßig. Aber ich konnte sie noch relativ entspannt „veratmen“ und „vertönen“. Julius trackte fleißig mit der Wehenapp , die wir schon bei der ersten Geburt benutzt hatten. Als uns die App schon eindringlich nahelegte, uns auf den Weg in die Klinik zu machen, rief ich in einer Pause Maike an und wir vereinbarten einen zeitnahen Treffpunkt im Geburtshaus. Als ich aus der Wanne stieg überkam mich ein unglaublicher Wehensturm, der mich fast pausenlos lauthals Tönen lies. Mein Schwiegervater war auch bereits angekommen und wir konnten uns auf den Weg machen. Ich habe die ganze Nachbarschaft zusammengebrüllt und stelle mir noch heute die Frage, wer davon wohl alles wach geworden war. Wie beim letzten Mal hatte ich meine Zweifel, ob wir es noch rechtzeitig ins Geburtshaus schaffen würden. Vom Hypnobirthing Kurs hatten wir eine Trance für den Weg ins Geburtshaus zugeschickt bekommen. Da davon eh nichts zu hören war durch mein tönen, wechselte Julius schnell wieder zu unserer gewohnten Playlist. Im Geburtshaus angekommen (es war etwa viertel vor sechs Uhr morgens), halfen mir Julius und  Maike dabei, zügig in die Wanne zu kommen. Musik und Kerzenschein folgten. Kaum hatte ich mich ins warme Wasser gesetzt, fühlte ich mich unglaublich erleichtert. Augenblicklich schien sich mein Körper wieder Entspannen zu können und das erste Mal seitdem ich die Badewanne zuhause verlassen hatte, spürte ich zwischen den Wellen endlich wieder sowas wie kleine Pausen, in denen ich wieder etwas Kraft für die darauf folgenden Wellen tanken konnte. Maike überprüfte wie weit sich der Muttermund sich schon geöffnet hatte. Ich rechnete fest mit guten acht Zentimetern. Als Maike uns über den aktuellen Stand von vier bis fünf Zentimetern informierte, war ich total entmutigt. Was?! Das konnte doch nicht sein! Und dabei war ich überzeugt davon, es schon fast geschafft zu haben. Ich begab mich in die gleiche Stellung, die ich bei der Geburt meines ersten Kindes so gut wie die gesamte Zeit über eingenommen hatte und versuchte alles wieder genauso zu machen wie damals. Nach einiger Zeit ermutigte mich Maike, zwischendurch auch mal andere Stellungen in der Wanne einzunehmen, um die Eröffnung etwas voranzutreiben. Eine gefühlte und anstrengende Ewigkeit nach der ersten Messung, schaute Maike nochmals nach meinem Muttermund. Es waren fünf bis sechs Zentimeter und meine Motivation und meine Zuversicht, es bald geschafft zu haben, wurden ein erneutes Mal gedämpft. Aus heutiger Sicht und eigentlich schon während der Geburt wünschte ich mir, ich hätte es nicht wissen wollen. Um noch weitere Positionen und Übungen ausprobieren zu können, war es Maike wichtig, zwischendurch die Badewanne zu verlassen und ins andere Geburtszimmer mit dem großen Bett zu wechseln. Natürlich war ich von einem Ortswechsel alles andere als begeistert aber mir blieb auch nicht viel anderes übrig, als ihr zu Vertrauen und mich von ihr anleiten zu lassen. Beim Wechsel kam Antje dazu. „An Land“ empfand ich die Wellen wieder deutlich schmerzhafter als im Wasser. Wenn wir in der Klinik gewesen wären, hätte ich mir ohne zu zögern eine PDA legen lassen. Stattdessen fragte ich Maike, nach etwas, was meine Schmerzen lindern würde. Ich bekam ein Zäpfchen und kurz darauf ein paar Kügelchen. Ich empfand die Schmerzen allerdings noch immer als kaum erträglich, sodass mir Maike auf Wunsch ein weiteres Zäpfchen gab. Wir waren endlich bei acht Zentimetern. Um die restliche Öffnung etwas abzukürzen, stülpte Maike meinen Muttermund über das Köpfchen – oder so ähnlich. Das war gar nicht so unangenehm, wie es sich anhört. Wir wechselten auf den Boden und ich war gefühlt von einem Moment auf den anderen in der Gebärphase. Zumindest war ich in der Hocke und sollte während der Wehen aktiv pressen. Antje sprach mir ein paar warme ermutigende Worte zu. Aber eine Geburt „an Land“ konnte ich mir absolut nicht vorstellen. Ich musste unbedingt zurück in die Wanne! Mein Wunsch wurde sofort umgesetzt und ich befand mich schnell wieder in meiner „Komfortzone“ – der Geburtswanne. Nun fühlte ich mich voll und ganz bereit für die Geburt. Es war an der Zeit Julina aktiv rauszuschieben. Zur Unterstützung bat mir Antje liebevoll ihre Arme zum Festhalten und daran Ziehen an, die ich dankbar annahm. Dadurch und durch ihre einfühlsame und liebevolle Begleitung fühlte ich mich sehr geborgen und unterstützt. Gerade merke ich, dass ich Julius bisher kaum erwähnt habe. Er war die ganze Zeit lang mein sicherer Hafen im Hintergrund. Auch in der Wanne, während der Geburt, war er dicht an meiner Seite und gab mir den nötigen Halt, den ich brauchte. Es dauerte tatsächlich nicht mehr lange. Um 9:47 Uhr war unsere kleine Julina dann endlich da und ich konnte sie in meine Arme nehmen. Wir kuschelten einen kurzen Moment lang und ich genoss das Gefühl der Erleichterung. Und schon ging es auch schon los mit den im Vorfeld besprochenen Präventionsmaßnahmen. Bei der ersten Geburt verweilten wir noch einige Zeit in der Wanne bis die Nabelschnur komplett auspulsiert hatte und die Wanne nahezu leer war. Leider hatte ich dann starke Probleme mit meinem Kreislauf und es dauerte ziemlich lange, bis dieser sich wieder einigermaßen stabilisierte. Daher unternahmen wir dieses Mal alles Mögliche, um meinen Kreislauf stabil zu halten. Ich hielt Julina, die noch durch die Nabelschnur mit meinem Körper verbunden war, in meinen Armen und Julius und die beiden Hebammen halfen uns dabei ins gemütliche Geburtsbett rüber zu wechseln. Beim Aussteigen merkte ich, dass ich wohl einiges an Blut verlor und eine blutige Fußspur hinterließ. Aber ich beschloss nicht hinzusehen. Die Hebammen nahmen es völlig entspannt und mit Humor. Und ich fand es überraschender Weise auch nicht schlimm. Im Bett bekam ich gleich mein gewünschtes Cola und wir drei kuschelten zusammen, während im Hintergrund wieder unsere Geburtsplaylist lief. Ich genoss das gemeinsame Kuscheln zu dritt und fühlte mich richtig glücklich, stolz und erleichtert. Zwischendurch nutzte ich noch die Nachwehen für die Geburt der Plazenta. Natürlich auch wieder ganz ohne hinzusehen. Julius war bei der U1 mit dabei, und auch ich konnte vom Bett aus dabei zuhören und zuschauen. Es war eine richtig schöne, entspannte und humorvolle Atmosphäre. Die ersten Male Anlegen funktionierten auch richtig gut. Gegen Zwei machten wir uns dann auf den Weg nach Hause. Im Nachhinein betrachtet waren meine beiden Geburten ziemlich ähnlich und doch total verschieden. Die Geburt von Floris hatte etwas unglaublich magisches und selbstbestimmtes. Wir waren die gesamte Zeit über in der Wanne und ich ließ mich voll und ganz von der Kraft meines Körpers leiten. Das Tönen ging wie von selbst und ganz natürlich in ein Schieben über, dass ich sogar bewusst etwas dosierte, um Geburtsverletzungen möglichst zu vermeiden. Auch wenn ich weiß, dass jede Geburt anders ist, so hatte ich mir doch insgeheim wieder eine komplett selbstständige und selbstbestimmte Geburt erhofft. Dennoch bin ich unfassbar dankbar und glücklich darüber, dass alles reibungslos und ohne Komplikationen ablief und nach der Geburt war es einfach so wunderschön, wie im Bilderbuch.

 

Anais betreute uns im Wochenbett und unterstützte uns ganz arg bei unseren anfänglichen Stillschwierigkeiten. Mit Ihrer einfühlsamen und geduldigen Hilfe gelang es mir dran zu bleiben und darüber bin ich sehr froh und dankbar. Besonders genossen haben wir unser erstes gemeinsames Bonding Bad mit Julina. 

 

Vielen Dank liebes Geburtshaus Team für eure wunderbare Unterstützung! 

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