Milo – ein neues Kapitel
Wir haben uns für eine Geburt im Geburtshaus entschieden, da ich mir für meinen Sohn eine natürliche Geburt ohne überflüssige Interventionen wünschte – und wusste, dass ich nur dort die Atmosphäre finden würde, mir selbst zu vertrauen und genug Zeit bekommen würde, dass alles seinen natürlichen Gang gehen darf.
Gerade ist der 5. Tag nach ET angebrochen – um 1 Uhr morgens beginnen die Wehen. Ich mache es mir gemütlich und dank einer oft geübten Entspannungsübung kann ich die Wehen gut annehmen und veratmen. Die nächtlichen Stunden, bevor jemand außer mir weiß, dass bald unser Baby da sein wird, sind eine magische Zeit für mich, allein mit dem Baby. Gegen 8 Uhr wacht mein Mann, der auf dem Sofa geschlafen hat, auf und kommt ins Schlafzimmer, in dem ich schon tönen muss, um die Wehen zu veratmen.
Er macht mir einen Porridge, bringt mir Obst und Tee. Gegen 11 schreibt er Silke, dass die Geburt angefangen hat, und um 11:30 telefonieren die beiden. Silke kommt kurz nach 12 vorbei und untersucht mich vaginal, der Muttermund ist schon weich und der Gebärmutterhals kurz. Sie ermutigt mich, weiter gut zu tönen, mich intuitiv zu bewegen und wenn möglich, Wehen abwechselnd auf der rechten und linken Seite liegend zu veratmen, damit der Kopf des Babys ins Becken rutschen könne. In den nächsten Stunden werden die Wehen deutlich stärker. Ich verliere kurz den Mut, doch mein Mann ist bei mir, wir atmen gemeinsam, er erinnert mich daran, dass jede Wehe mich dem Baby näher bringt und ich kann mich wieder darauf einlassen. Gegen 14:30 spüre ich zusehends Druck nach unten und mein Mann ruft Silke an. Sie schlägt vor, dass wir uns im Geburtshaus treffen. Ich brauche ziemlich lange, um mich zum Aufbruch zu motivieren, da mir die Vorstellung, ins Auto zu steigen, sehr widerstrebt. Doch gegen 15:30 sind wir dort – und werden herzlich und behutsam von unseren Hebammen empfangen. Die erneute Untersuchung zeigt, dass der Muttermund bereits zu 9cm eröffnet ist. Wir gehen auf Silkes Vorschlag in die große Badewanne. Mein Mann stützt mich und ich versuche, die Fruchtblase beim Pressen zum Platzen zu bringen – es tritt aber nur wenig Flüssigkeit aus und die erhoffte Erleichterung bleibt aus. Silke überwacht die Herztöne des Babys wiederholt. Irgendwann taste ich das Köpfchen meines Babys mit den Fingern, spüre es auf den Boden des Beckens drücken und wieder zurückweichen. Nach einer guten Stunde verlassen wir, wiederum auf Silkes Vorschlag, die Wanne. Mein Mann hockt sich im Zimmer auf die Bettkante, ich zwischen seinen Knien, von ihm gehalten in der Hocke. Das Köpfchen ist sichtbar – Silke zeigt es uns in einem Handspiegel – wir freuen uns, er ist schon so nah. Nun geht es nicht mehr lange: in der nächsten Wehe wird der Kopf, zwei Wehen später der Körper, auf einer Welle von Fruchtwasser reitend, geboren. Unser Sohn starrt uns hellwach an. Zu dritt legen wir uns aufs Bett, werden kurz untersucht, das Baby auf meiner Brust. Die Hebammen lassen uns in dem gemütlichen Zimmer immer wieder kurz allein, um anzukommen. Sie schauen zwischendurch, ob es uns gut geht. Milo braucht einen Moment, um zu seine Benommenheit abzuschütteln – dann fängt er an zu schreien und schreit eine halbe Stunde lang. Dann niest er zehnmal – und ist zufrieden. Mit etwas Hilfe trinkt er zum ersten Mal an meiner Brust. Währenddessen näht Silke eine kleine Verletzung (mit großartigem Betäubungstuch: ich spüre nichts! :), über die sie mich vorher aufgeklärt hat. Wir verbringen noch ein paar Stunden im Geburtshaus, Milo bekommt die U1, ich werde bei meinen ersten beiden Gängen zum Klo begleitet und erhole mich schon etwas mit Snacks und Cola, ehe wir nach hause fahren, durch den Regen. Es könnte nicht romantischer sein – und wir nicht verliebter und glücklicher. Die begleitenden Hebammen haben uns Raum gelassen für alles, was unter dieser Geburt Raum brauchte, uns Sicherheit und Zuversicht gegeben, und uns körperlich professionell versorgt. Genau so habe ich es mir gewünscht, und bin unglaublich dankbar.