Sieben Monate ist unsere Familiengeburt nun schon her und irgendwie fühlt es sich einerseits an wie gestern, andererseits wie Jahre. Es ist doch absolut bewegend, was in den letzten Monaten alles passiert ist, wie schnell dieses kleine Wesen nicht mehr wegzudenken ist und wie schnell der dicke Bauch und die Übelkeit vergessen sind. Was bleibt ist das warmem Gefühl ums Herz beim Erinnern an unsere ganz besondere Familiengeburt. Aber der Reihe nach …
Mit positivem Schwangerschaftstest in der Hand war sofort klar, dass wir zur Geburt unseres dritten Wunders wieder unbedingt ins Geburtshaus nach Tübingen gehen wollten, wo wir bei unserer zweiten Geburt schon waren. Wir wünschten uns so sehr, wieder Anja zugeteilt zu bekommen, da wir mit ihr zusammen damals eine wirklich wunderschöne Geburt hatten und waren super glücklich, als dies auch klappte. Während der Schwangerschaft lernten wir dann auch noch Anaïs kennen und konnten uns sehr schnell die Geburt auch mit ihr vorstellen. Auch sie war einfach so empathisch, fürsorglich und achtsam.
Unsere große Tochter Lotta hatte sich schon bei der zweiten Geburt gewünscht dabei zu sein, was ich mir damals irgendwie noch nicht wirklich vorstellen konnte, da ich noch keine Geburtshauserfahrungen hatte. Jetzt war dies anders und schnell war klar, dass wir uns eigentlich eine Familiengeburt wünschten.
Wie schon die zwei ersten Schwangerschaften war auch diese Schwangerschaft von ständiger Übelkeit und einigen kleinen oder auch, aufgrund der schweren Behinderung unserer Mittleren, großen Sorgen und Ängsten begleitet, die von beiden Hebammen stets empathisch wahrgenommen und gesehen wurden. Immer wieder überlegten wir zusammen, wie denn die Geburt mit den zwei großen Mädels zusammen aussehen könnte und ob dies wirklich eine gute Idee war. Immer wieder wurden wir bestätigt, dass es bestimmt eine tolle Erfahrung werden würde. Beide Mädels waren bei einigen Terminen im Geburtshaus dabei und wurden von Anfang an gleichberechtigt eingebunden, so dass es einfach selbstverständlich war, dass sie dabei waren. Jede mit ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen. Anaïs Tape-Künste waren unglaublich und nach wirklich wochenlangen Ziehschmerzen im Bauch waren diese plötzlich verschwunden.
Mittlerweile war der ET verstrichen und wir warteten sehnsüchtig auf den Beginn der Geburt. Unsere Große sollte am 11.9. eingeschult werden und dieser Tag rückte immer näher, so dass wir alle leicht nervös wurden. Was, wenn unser Baby bis dahin noch nicht auf der Welt wäre? Auch die nun öfteren Fahrten ins Geburtshaus strengten an und gipfelten in einer CTG-Kontrolle in der Frauenklinik am Sonntag, die ich einfach für mein gutes Gefühl brauchte, mit 4 Stunden Wartezeit. Wir waren genervt! Das erkannte auch Anja und lud uns für den nächsten Morgen zum Rizinuseierfrühstück ein.
In der Nacht hatte ich leichte Wellen, aber nichts wirklich Startgebendes und so fuhren wir am nächsten Morgen mit zwei Kindern, gepackten Taschen aber ohne Wehen erneut nach Tübingen. Im Geburtshaus hatte Anja bereits das vordere Zimmer wunderschön mit Geburtstagstisch und Kerzchen hergerichtet und nahm sofort unsere Lotta zur Seite, um mit ihr ein Geburtstagslied für die noch ungeborene Schwester zu singen. Ich war zu diesem Moment noch nicht überzeugt, dass diese heute geboren werden wollte und hoffte sehr, wir würden Lotta nichts versprechen, was wir nicht halten konnten. Aber Anja war davon überzeugt und überzeugte so auch erst mich und dann das Baby. Bereits während des Bratens der Eier erklärte sie uns, wie sie dachte, dass die nächsten Stunden ablaufen würden und ab hier wird es wirklich Gänsehaut-Kribbelnd…. weil es einfach genau so passierte: gemütliches Frühstück, kleiner Spaziergang, gemütliches Mittagessen, erste Vorwehen, Übergang in richtige Geburtswehen und dann rasche Geburt.
Voller Vorfreude frühstückten wir also gemeinsam und spazierten zum Spielplatz in der Nähe. Wir witzelten herum, wippten und spielten Fange. Zurück im Geburtshaus lauschten wir den Herztönen der Bauchbewohnerin und ließen uns von ihr erzählen, dass sie es auch noch gemütlich hatte. Also machten wir uns auf in die Stadt, schlenderten dort ein bisschen herum und aßen gemeinsam Mittag. Immer mal wieder spürte ich nun ein leichtes Ziehen, das mit der Zeit regelmäßiger wurde und so machten wir uns gegen 14 Uhr auf den Weg zurück ins Geburtshaus. Anja lauschte erneut den Herztönen unserer Kleinen, schrieb mit Lottas Hilfe ein CTG und Anaïs schaute mit Silke vorbei. Auch zu diesem Zeitpunkt war ich noch nicht ganz überzeugt, ob die Wellen wirklich den Beginn andeuteten oder wie in der Nacht, wieder aufhören würden. Wir schickten Anja zum Mittagessen nach Hause und machten es uns gemütlich. Wir fühlten uns wirklich super wohl und fast wie daheim. Cleo, unsere Mittlere machte mit meinem Mann einen kleinen Mittagschlaf. Lotta und ich legten Musik ein und tanzten gemütlich einen Geburtstagstanz auf nun doch regelmäßiger und kraftvoll werdende Wellen. Ich visualisierte meinen Muttermund und versuchte ihn durch meine Atmung weicher und weiter werden zu lassen. In den Wehenpausen konnte ich mich gut mit Lotta unterhalten und nochmal erklären, was jetzt passieren würde. Es war eine unglaublich schöne, friedliche Stunde zusammen, in tiefer Verbundenheit mit dem Baby, die wir alle sehr genießen konnten.
Gegen 16 Uhr kam Anja wieder und allein ihre Anwesenheit schien die Wellen anzuschubsen und mir Mut zu machen. Mit einem Mal wurden die Wellen stärker und stärker und ich spürte schon einen deutlichen Druck nach unten, so dass der Papa und die Mädels schnell das Bett überzogen, um dann noch einen kleinen Spaziergang zum TanteM Laden zu machen. Anja flüsterte ihnen dort wohl schon zu, sie sollen sich beeilen, es würde jetzt schnell gehen. Kurz danach untersuchte ich mich auf der Toilette selbst und konnte wirklich nicht glauben, dass der Muttermund schon fast vollständig geöffnet war.
Im Vierfüßlerstand vor dem Bett verarbeitete ich Welle für Welle und schaffte es irgendwie nicht so richtig in meine Meditation hineinzufinden, was mich aber nicht störte. Wieder hatte ich mich mit der friedlichen Geburt vorbereitet, doch dieses Mal schon damit gerechnet, dass ich vermutlich nicht leicht in einen hypnoseartigen Zustand finden würde, weil ich auch die Anderen um mich herum miterleben wollte. Dennoch merkte ich, wie wichtig die Konzentration war und wie ich mich auf meine Wehe konzentrieren musste, um nicht total in den Schmerz zu fallen. Immer wieder tastete ich nach dem Köpfchen und äußerte frustriert, dass es schon wieder ganz nach oben gerutscht sei. Mein Mann und die Mädels kuschelten auf dem Bett und beobachteten bewundernd, was vor sich ging. Als wieder eine kräftige Welle heranrollte, mich fast überrollte und schon kräftig mit schieben ließ, erinnerte Lotta uns daran, dass wir doch eigentlich in die Wanne wollten und so war Turbo angesagt…. Mittlerweile waren erst die Hebammenstudentin Liddy und dann auch Anaïs angekommen. Liddy übernahm sofort die Kamera und wir haben ihr die wundervollsten Fotos unserer Traumgeburt zu verdanken.
Das Wasser war noch nicht ganz eingelassen, da nutzte ich eine Wehenpause, um mit Hilfe der Anderen ins Bad zu gelangen. Lotta hatte alle Hände voll zu tun und half beim Bad vorbereiten, beim Anzünden und Tragen der Kerze, …. Auch unsere Cleo wurde ins Bad getragen und lauschte dem lauten Singen der Mama. Leider kippte ihre Stimme und so tönten und jammerten sie und ich im Wechsel. Anaïs kümmerte sich liebevoll um sie und ich konnte mich trotz allem total auf mich und die schlüpfende Bauchbewohnerin konzentrieren. Ich war sehr glücklich, als ich in die Wanne gestiegen war. Ich konnte mich richtig gut entfalten und in den Wehenpausen gemütlich auf der Seite liegen. Hier muss ich an Sissi Rasche und Kareen Dannhauer aus ihrem Hebammensalon denken, die berichten, dass Wasser wie eine PDA sei. Ja, irgendwie hatte Wasser bei mir auch diese Funktion.
Ich bat Anja mich zu untersuchen, da ich das Gefühlt hatte, das Köpfchen würde nicht richtig nach draußen finden. Anja, tastete super einfühlsam und vorsichtig eine Muttermundslippe, die sie in der nächsten Wehe, auf meine Bitte hin, reponierte. Nun ging es wirklich zügig, ich schwebte in wechselnden Positionen durchs Wasser und schon war die noch intakte Fruchtblase sichtbar. Kurz vor dem Verzweifeln an der Kraft der Wellen unterstützte Anja mich super fokussierend, was mir mega half. In der nächsten Welle baten wir meinen Körper um eine kurze Pause, damit ich Durchschnaufen konnte. Auch bei unserer zweiten Geburt hatte mir Anja, als ich zwischen den stärksten Wehen nicht mehr konnte, erklärt, ich solle dies meinem Körper sagen, dann würde er mir eine Pause gönnen, was unglaublicher Weise erneut passierte. Noch eine Welle, dann stand das Köpfchen und wieder gönnte mir mein Körper eine Pause, so dass alle das Köpfchen streicheln und bewundern konnten. Strahlend, andächtig und vorsichtig streichelte die große Schwester das erste Mal die Kleine und war überglücklich. Ich holte tief Luft, atmete zur Bauchbewohnerin, gab meinem Körper das okay, dass es weitergehen sollte und schob mutig, eine Wehe nach der Kopfgeburt, unsere Fritzi kraftvoll und unkompliziert ins Wasser. Anja fischte den Neumensch aus dem Wasser, da ich in diesem Moment keine Kraft dafür hatte, und legte sie mir auf die Brust. Als wir unsere Kleine das erste Mal erblickten, wurde eine große Welle Oxytocin ausgeschüttet und die Welt stand wieder einmal einen Moment still.
Es folgten wundervolle, überglückliche Minuten, in denen wir Fritzi, eingehüllt in warme Handtücher auf meiner Brust, in unserer Familie begrüßten und ihr lauschten, was sie uns von ihrem Weg auf die Welt erzählen wollte. Erleichtert gingen wir in Euphorie und Liebe auf. Anaïs berichtete uns danach, dass ihr Lotta in diesem Moment überglücklich ins Ohr geflüstert hatte „Ich bin so stolz auf meine Schwester und auf meine Mama.“ Die Plazenta folgte unkompliziert und sollte noch eine Weile an der Kleinen bleiben, da es uns wichtig war, die Verbindung zwischen mir, dem Baby und diesem Wunderorgan nach der Geburt nicht abrupt zu beenden. Also kletterte ich mit Hilfe aller Hebammen und meines Mannes mit Baby am Herz und Plazenta im Schüsselchen aus der Wanne und ins Bett, wo gleich in aller Ruhe weitergekuschelt werden konnte. Lotta, Cleo und mein Mann kuschelten sich dazu. Wie atemberaubend schön. Diesen Moment hatte ich mir während der Schwangerschaft so oft visualisiert, aber in echt war er noch viel schöner als in meinen Träumen.
Unsere Cleo war nun allerdings wirklich nicht mehr zufrieden und weinte immer doller, so dass sich mein Mann mit ihr auf eine Abendschlaffahrt machte. Fritzi begann in der Zwischenzeit ungestört gierig an der Brust zu nuckeln. Dieses erste Stillen nach der Geburt war auch ein drittes Mal unbeschreiblich. Und auch die Nachwehen taten mit Zielstrebigkeit ihre Arbeit, wobei ich darauf wirklich hätte verzichten können. Nachdem Anja mich untersucht hatte und glücklicherweise keinerlei Verletzungen fand, schauten Lotta und sie sich zusammen ganz genau die Plazenta an. Was für ein faszinierendes Wunderorgan, auf das wir Frauen wirklich stolz sein können und wie super wertvoll, sich die Zeit zu nehmen, um diese Schöpfung der Natur ganz genau zu bewundern. Nachdem die Vollständigkeit bestätigt wurde, konnten wir ein letztes wundervolles Bild von Fritzi und ihr machen. Für mich war es erneut so besonders, unser Baby noch eine ganze Weile mit der Plazenta verbunden zu sehen und zu sehen, wie eng die beiden die vergangenen Wochen miteinander gearbeitet hatten. Dann nabelten Lotta und der Papa gemeinsam ab. Lotta hatte in den letzten Tagen extra nochmal das Knoten geübt und so saß das wunderschöne Blatt-Nabelschnurbändchen perfekt.
Jetzt schnappte sich Lotta Liddy und die Plazenta und die Beiden erstellten wundervolle Plazentaabdrücke, während der zurückgekehrte Papa nun endlich auch ein bisschen Kuschelzeit bekam. Dann erfolgte die U1, erneut mit Lottas tatkräftiger Unterstützung und das erste Anziehen der kleinen Schwester. Der einzige Moment, in welchem ich manchmal doch eine Hausgeburt präferieren würde: Weil dadurch das erste Anziehen viel später stattfinden könnte.
Nicht mal drei Stunden nach der Geburt verließen wir nun also zu fünft das Geburtshaus und fuhren ins „Schulbeginnwochenbett“. Für uns hat es sich total richtig angefühlt, diese Geburt mit unseren zwei großen, wundervollen Mädels erlebt zu haben. Ich konnte genau so loslassen und die Geburt genießen und für die Mädels war es ein großes Selbstverständnis und ein ganz besonderes Erlebnis, von dem sie bestimmt noch lange stolz berichten.
Wir bedanken uns so sehr bei Anja, Anaïs und Liddy für ihre Unterstützung, Begleitung, ihr Sehen, ihr Sein und dem ganzen Geburtshausteam für Alles, was sie für uns und alle anderen Familien leisten.
Wir fünf finden: Alle Menschen sollten ein Recht auf so eine selbstbestimmte und behütete Geburt haben. Was für ein Luxus!