Es ist Montag und ich wache morgens um 4 Uhr auf und muss zur Toilette. Wie jeden Tag.
Heute ist ET plus 13 und die letzten Tage waren für mich eine Achterbahn der Gefühle, zwischen Vorfreude auf unser Baby und Angst vor der Einleitung in der Klinik nach ET plus 14, übermorgen.
Mit Pia haben wir versucht das Baby etwas herauszulocken, aber bisher half nichts und insgeheim gehen mein Mann und ich schon von einer Einleitung aus.
Heute ist es aber dann irgendwie anders. Ich lege mich nochmal hin und versuche weiter zu schlafen. Das klappt aber nicht und ich habe ein komisches Gefühl, sind das Wehen oder ist das nur eine Magenverstimmung? Um halb 5 habe ich immer noch dieses komische Gefühl, ein Ziehen das sich aber nicht schmerzhaft anfühlt und ich beschließe, „Das sind Wehen“. Wie schön, denke ich mir. Auch wenn es vielleicht keine Geburtswehen sind, sondern nur Senkwehen oder so, hilft das meinem Kind bald auf die Welt zu kommen.
Ich mache meine Geburtshypnose an (Die Friedliche Geburt), höre einfach zu und liege im Bett.
Ich will mich noch nicht zu früh freuen, nicht dass es doch nicht losgeht. Das hört man ja bei Erstgebärenden oft, dass sich die Latenzphase über Tage ziehen kann. Außerdem habe ich Hunger. Richtig großen Hunger. Auch ein Grund, sich noch nicht zu freuen, habe ich doch gelesen, Frauen mit Geburtswehen haben keinen Hunger. Hm schade, denke ich mir.
Um kurz vor 7 Uhr schreibe ich Pia, dass ich leichte Wehen habe und noch nicht abschätzen kann, ob ich zu unserem Termin um 8.30 Uhr ins Geburtshaus komme. Kurz nach 7 wacht mein Mann auf. Ich sage ihm, dass ich glaube Wehen zu haben. Er ist ganz aufgeregt und freut sich. Ich bitte ihn, mir ein Brötchen ans Bett zu stellen, ich habe schließlich immer noch Hunger. Nach zwei Bissen bekomme ich dann doch nichts mehr runter. Ich schreibe Pia, dass ich lieber zuhause bleiben möchte und den Termin nicht wahrnehme. Ich habe auch Sorge, dass die Wehen sonst weg gehen, zuhause ist es erstmal gemütlicher, als jetzt mit dem Auto zu fahren.
Um 9.30 Uhr schmeiße ich meine Wehen App an. Sie sagt mir, dass ich regelmäßige Wehen habe, alle 4 bis 5 Minuten mit einer Dauer von 1 Minute. Sie rät mir, ins Krankenhaus zu fahren. So ein Quatsch denke ich mir, aber toll, ich beschließe mich zu freuen, es sind Wehen, juhu ich komme meinen Baby immer näher.
Um 10 Uhr sende ich Pia einen Screenshot der App und sie rät mir ein Bad zu nehmen.
Das mache ich dann auch. Aber irgendwie nervt mich das alles. Mein Mann springt irgendwo im Haus rum und holt scheinbar seinen gesamten Nestbautrieb kurz nach, räumt und saugt und tut. Es ist so unruhig. Das Wasser läuft so langsam ein und ist mir zu kalt, ich will es aber nicht wärmer einstellen, weil ich mein Baby nicht verbrühen möchte. Ich finde keinen Halt in der Wanne und fühle mich wie ein Walfisch in einer Sardinendose. Ich habe schon seit 10 min keine Wehe mehr, vielleicht ist es jetzt eh vorbei. Ich habe in der Wanne ein paar Wehen, vielleicht öfter als vorher. Ich denke mir, ok, Check bestanden, die Wehen sind geblieben. Nach nur 20 min bin ich wieder raus aus der Wanne.
Ich schreibe Pia, dass die Wehen in der Wanne geblieben sind, mir das Baden aber nicht besonders gut gefallen hat. Komisch, ich habe mir die Geburt immer als eine Wassergeburt vorgestellt. Ich schreibe ihr auch, dass ich nun rötlichen Ausfluss habe. Pia erklärte mir hinterher, dass wohl die Fruchtblase in der Wanne geplatzt sei. Ich gehe auf die Toilette und finde etwas großes Schleimiges vor und denke es ist der Schleimpfropf. (Es war nicht der Schleimpfropf, sondern Teile der Fruchtblase.)
Mein Mann ist da und fragt was er tun kann. Er hilft mir kurz Haare zu föhnen und anziehen und dann brauche ich wieder meine Ruhe. Ich höre die ganze Zeit die Geburtshypnose und bin entspannt und zuversichtlich, jedoch habe ich nicht das Gefühl wirklich in der geübten Tiefenentspannung zu sein. Ich laufe durch die Wohnung und finde keine gute Position um entspannt in die Wehen zu gehen. Um 11 Uhr schreibe ich meiner Schwester, die mit der Entspannungsmethode selbst eine tolle Geburt erleben durfte. Sie spricht mir gut zu und schreibt, dass die Geburt bestimmt wahnsinnig schön wird. Ich freue mich wieder.
Die Wehen fühlen sich nicht so an wie ich mir das vorgestellt habe. Mir zieht jede Wehe mit viel Druck in den Po. Pia und ich telefonieren kurz, sie hört eine Wehe am Telefon mit und ermahnt mich das Atmen nicht zu vergesse und nicht die Luft anzuhalten. Ich versuche es, schaffe es aber nicht wirklich. Endlich habe ich eine Aufgabe, wie mein Mann mich unterstützen kann. Ich rufe ihn, bitte ihn alle Arbeiten zu beenden und mir beim Atmen zu helfen. Ich laufe durch das Wohnzimmer, mein Mann ist irgendwo im Hintergrund. Er versucht die Tipps aus dem Vorbereitungskurs umzusetzen, ich möchte aber weder ermutigt noch massiert werden und sage ihm das auch. Der Arme, denke ich mir. Es hilft mir aber zu wissen, dass er nun da ist. Ich sehe ein, es gibt wohl einfach keine Position um entspannt den Wehen zu begegnen und lege mich ins Bett. Mein Mann legt sich dazu, es ist wahrscheinlich 13.30 Uhr. Ich wehe und krampfe vor mich hin, mein Mann erinnert mich an das Atmen, wenn ich es vergesse. Ich bitte ihn, eine Wehenapp auf sein Handy zu laden und ein paar Wehen aufzunehmen. Nach 5 Wehen sagt die App wieder, ab ins Krankenhaus. Mein Mann ist aufgeregt, er wäre gerne schon längst im Geburtshaus und drängelt mich nun loszugehen, er habe auch alles schon im Auto. Ich telefoniere mit Pia, sie bietet an vorbei zu kommen. In einer halben Stunde kann sie da sein. Ich schaue ständig auf die Uhr und kann es kaum erwarten bis 15 Uhr ist und Pia kommen müsste. Endlich jemand der Ahnung hat und weiß wie es geht. Gleichzeitig habe ich auch Angst, dass sie sagt, der Muttermund ist erst bei 2 cm.
Mein Mann lässt Pia rein. Ich nehme die Hypnose aus den Ohren und bin erleichtert Pia zu sehen. Sie fragt mich direkt, ob ich einen Pressdrang habe. Ich denke mir, keine Ahnung, ich hatte mir ja schon Wehen anders vorgestellt, wie soll ich nun wissen wie sich Pressdrang anfühlt. Ich glaube aber ich sage, sowas wie „Nein, aber es zieht so feste in den Po“. Meinen Mann fragt sie, ob ich schon lange so liege und drücke, als er sagt, ja schon eine Weile und ich Pias Gesicht sehe, mache ich mir doch kurz Gedanken, ob alles gut ist.
Mein Mann verrät Pia den Namen unseres Kindes. David.
Pia fragt mich, ob sie mich untersuchen darf, natürlich darf sie das. Sie sagt der Muttermund sei ganz offen, sie spürt schon den Kopf. Sie sagt wir fahren nicht mehr ins Geburtshaus, sie ruft Silke zur Unterstützung bei der Hausgeburt an. Mein Mann und ich sind völlig überrascht und perplex. Eine Hausgeburt? Ich frage noch kurz nach, wirklich? Und ich frage, hat er Haare? Pia sagt, ja sie hat Haare gespürt. Wahnsinn, ich bekomme heute ein Baby ZUHAUSE und es wird Haare haben. Ich fühle mich David ganz nah. Und schon bekommt mein Mann Anweisungen was er für die Hausgeburt holen muss. Pia und ich gehen ins Wohnzimmer, dort ist es wärmer wenn David kommt. Dass wir direkt über David sprechen, motiviert mich total und ich kann nicht glauben den Großteil der Geburt schon geschafft zu haben.
Im Wohnzimmer kniee ich mich vor einen Hocker, mein Mann sitzt vor mir, Pia hinter mir. Ich frage Pia, wie lange das wohl noch dauern wird und sie sagt, keine 2 Stunden mehr. Es ist ca. 15.30 Uhr. Während ich Pia das frage, sehe ich Silke. Ich freue mich sehr sie zu sehen. Ich kann den Kopf schon anfassen und bin überwältigt. Wahnsinn! Ich sage zu Pia, wie baff ich bin, dass die Geburt gar nicht schlimm ist.
15:44 Uhr, Pia leitet mich an die Position zu ändern. Mein Mann sitzt nun auf dem Hocker hinter mir und ich in der tiefen Hocke. Pia sitzt vor mir. Sie motiviert mich mutig in den Wehen zu pressen, David will schließlich raus. Sie beruhigt mich in den kurzen Wehen Pausen, dass ich das Atmen nicht vergesse. Es gibt mir so viel Energie und Vorfreude, dass David jetzt wirklich bald bei uns ist.
Pia leitet mich an, wann ich wie stark pressen soll, das ist gar nicht so leicht und ich muss mich konzentrieren. Ich taste nochmal nach Davids Kopf und sage zu ihm: „Oh du bist ja schon runtergerutscht. David, gleich hast dus geschafft!“ Dann ist der Kopf geboren, ich glaub ich dreh durch. Da hängt der Kopf meines Babys aus mir raus! Aufgeregt rufe ich meinem Mann, „Schau mal“, aber das möchte er nicht. Dann wenig später flutscht der Rest von David raus. Es ist 16.04 Uhr.
Da liegt er nun. Pia wickelt die Nabelschnur von seinem Hals und fährt David einmal übers Gesicht um Schleim zu entfernen. Dann gibt sie ihn mir direkt in die Arme und mein Mann und ich können ihn nur noch anschauen. Ich bin ganz baff wie hübsch er ist, gar nicht zerknautscht oder dreckig und sage das wohl auch öfter, wie hübsch unser Sohn ist. Ich sage zu David: „Das hast du so toll gemacht!“
David hat bisher diesen berühmten ersten Schrei noch nicht gemacht. Er ist noch etwas verschleimt und röchelt. Pia sagt, wir sollen ihn mal anpusten und dann klappt auch das Schreien wunderbar und David macht sich lautstark bemerkbar. Wir sitzen eine Weile so, leider kann ich das Gesicht meines Mannes nicht sehen da er hinter mir sitzt, habe aber eh nur Augen für David. Ich bitte Pia ein Bild von uns zu machen und ich finde, es ist das schönste Bild, das je von uns gemacht wurde.
Ich frage wie das nun mit der Plazenta ist, Pia sagt ich soll mal drücken und da kommt sie auch schon. Pia untersucht die Plazenta und erklärt sie uns. Alles ist gut. Wenn ich David und die Plazenta so sehe, bin ich ganz baff wie das alles in mich reingepasst hat.
Wir wandern mit David und Plazenta aufs Sofa. Silke hat schon Unterlagen bereitgelegt und hilft uns beim Umzug. Silke und Pia räumen kurz auf, das dauert nur 5 Minuten und man sieht nicht mehr, dass hier gerade ein Kind geboren wurde. Silke und Pia umarmen sich und freuen sich über die schöne Geburt. Das berührt mich sehr. Beide lassen uns alleine und wir bestaunen unseren David. Dann wird David von meinem Mann abgenabelt und kommt bei ihm auf die Brust. Mein Mann sagt zu David: „Jetzt bist du wirklich angekommen auf der Erde“. Wie schön.
Ich gehe mit den Hebammen ins Schlafzimmer und zwei kleine Verletzungen werden versorgt. Wir gehen wieder zurück ins Wohnzimmer und Silke verabschiedet sich.
Pia zeigt mir wie ich David anlege. Es klappt sogar direkt und ich bin erleichtert. Pia bleibt noch etwas bei uns, ist aber im Hintergrund und wir schmusen mit David und bestaunen ihn.
Dann steht noch die U1 an. Pia und auch wir schauen uns David ganz genau an. Er ist mit 56 cm und knapp 4000 Gramm viel größer als ich gedacht hätte und alles an ihm ist perfekt.
Pia verabschiedet sich von uns und wir haben eine schöne schlaflose Nacht in der wir David bestaunen.
Nie hatte ich mir die Geburt so vorgestellt. Ich dachte immer, es dauert viel länger, ich liege in der Wanne im Geburtshaus und bin viel mehr bei mir selbst in der Hypnose. Stattdessen bin ich unruhig herumgelaufen, habe am Handy gehangen, habe mich über Badewanne und Kopfhörer aufgeregt.
Vorallem aber hätte ich nie gedacht, dass Geburt so schön ist. Dass mein Körper alles so selbstverständlich und selbstständig richtig macht. Alles war so friedlich und natürlich, nichts davon beängstigend oder wirklich sehr schmerzhaft. Nichts an der Geburt von David hätte schöner sein können.
In den anderen Geburtsberichten wird am Ende gedankt. Ich danke auch, weil diese Personen meine Traumgeburt ermöglicht haben.
Das ist einmal meine Schwester, die mich auf den Kurs der Friedlichen Geburt von Kristin Graf gebracht hat. Dieser Kurs war für mich die wichtigste Geburtsvorbereitung und hat mich voller Zuversicht, Vertrauen und Hingabe in die Geburt gehen lassen.
Dann natürlich Pia. Pia hat mir immer das Gefühl von Sicherheit gegeben und hat mich bestärkt meinem Kind und meinem Körper zu vertrauen. In den Tagen vor der Geburt ging es mir psychisch nicht besonders gut, wegen der drohenden Einleitung, aber nach jedem Termin mit Pia kam mehr Vertrauen zurück.
Vielen Dank auch dir Silke, dass du unsere Geburt begleitet hast. Deine Art ist so beruhigend und strahlt Sicherheit aus! Ich hätte mir kein besseres Hebammenteam wünschen können.
Dann natürlich meinem Mann. Mein Mann hat das wirklich super gemacht. Er hat mir unter der Geburt viel Kraft gegeben, aber vorallem ist er unglaublich über sich hinaus gewachsen.
Mein größter Dank und größter Anteil an dieser schönen Geburt gebührt aber meinem Sohn David. Ich bin mir ganz sicher, dass er genau wusste was er tat und noch freiwillig an ET plus 13 gekommen ist. Nur Dank ihm hatten wir so eine reibungslose und schöne Geburt! Er hat das so toll gemacht!
Ich kann jedem das Geburtshaus Tübingen nur wärmstens empfehlen!