Michel

Schon wieder keine ‚normale‘ Geburt… oder die ‚natürlichste‘ Geburt der Welt

Schon immer wollte ich, dass meine Kinder eines Tages durch eine natürliche Geburt (möglichst zuhause) auf die Welt kommen sollten. Nachdem unser erstes Kind aufgrund einer Plazenta prävia per geplantem Kaiserschnitt geholt werden musste, freute ich mich riesig über das Baby, war aber traurig über das fehlende Erlebnis einer spontanen Geburt. Meine Hebamme half mir sehr, diese Situation anzunehmen, vorzubereiten und das Erlebnis zu verarbeiten.
Als ich mit unserem zweiten Kind schwanger war, gab es glücklicherweise keinerlei Komplikationen und so durften wir eine Geburt im Geburtshaus planen. Zwei Tage vor dem ET war es so weit, endlich spürte ich in der Nacht die ersten Wehen! Unsere Hebamme Anja und eine Hebammenschülerin betreuten uns im Geburtshaus geduldig und einfühlsam über viele Stunden.
Anja hatte uns nach einem langen Tag mit gefühlt tausenden Wehen geraten, in eine Klinik zu fahren, da es nicht weiterging und ich der Erschöpfung immer näher kam. Das Köpfchen war sehr hoch, unser kleiner Schatz fand den Weg einfach nicht. Letztendlich wurde unser zweites Kind nach einer 26 Stunden langen Geburt doch noch spontan und ohne Geburtsverletzungen in der Filderklinik geboren. Am Ende ging es so schnell, dass ich das Baby (wie ich es mir immer gewünscht hatte) nur in Anwesenheit einer Hebamme und meines Mannes gebären durfte – der Arzt kam zu spät. Wir waren sehr glücklich über die geglückte Spontangeburt nach Kaiserschnitt, auch wenn die Geburt nicht im Geburtshaus zu Ende gebracht werden konnte. Die vielen Stunden im Geburtshaus hatten großen Anteil am Durchhalten und Gelingen dieser Geburt.
Fast zweieinhalb Jahre später meldete ich mich kurz nach dem positiven Schwangerschaftstest wieder im Geburtshaus an. Auch diese Schwangerschaft verlief ohne jegliche Komplikationen und abgesehen von der (echt abartigen) Übelkeit in der ersten Hälfte ging es mir prima. Die Vorsorge machte ich mit Ausnahme von drei Ultraschalls bei meiner Vor- und Nachsorge-Hebamme. Ich freute mich richtig auf die Geburt, die – da war ich mir sicher – im Geburtshaus in der
Badewanne stattfinden würde. Ein bisschen Sorgen machte ich mir, dass die Geburt wieder sehr lang werden würde, aber meine Hebamme und Ärztin machten mir Mut, dass es dieses Mal schneller gehen würde. Das Köpfchen war drei Wochen vor ET bereits tief im Becken und ich hatte häufig Vorwehen. Fünf Tage vor dem Termin spürte ich am späten Abend im Bett leichte Wehen und vermutete, dass es Vorwehen wären. Allerdings konnte ich schon bei der dritten Wehe
nicht mehr gut liegen und stand daher auf. Schon bald stellte ich fest, dass die Wehen regelmäßig alle 5-6 Minuten kamen und immer stärker wurden. Es war ca. 23:30 Uhr und so schrieb ich unserer Hebamme Katharina, dass ich Wehen hätte, aber noch etwas warten wollte, wie es sich entwickeln würde. Wir verblieben, dass ich mich wieder melden würde. Ich ging mit immer stärker werdenden Wehen duschen und verspürte den Impuls, einfach Badewasser einzulassen und in
unserer schönen großen Eckbadewanne zu bleiben. Nach Mitternacht weckte ich meinen Mann und sagte ihm, dass ich Wehen hätte, er aber nochmal schlafen könnte. Er stand jedoch auf und packte ein paar Sachen zusammen, während ich in der Küche bereits laut tönte und mich gegen die Wand oder auf dem Tisch abstützte. Die Wehen kamen nun alle 3-4 Minuten und ich wunderte mich etwas über die kurzen Abstände. Die Intensität war jedoch viel geringer als bei meinem
zweiten Kind, so dass ich dachte, wir wären noch am Anfang der Geburt. Nachdem wir auch unsere Großen gut betreut wussten, fuhren wir los Richtung Tübingen. Die Fahrt nach Hagelloch dauert ca. eine halbe Stunde und die Wehen wurden immer stärker mit Abständen von zwei Minuten. Nach wenigen Wehen platzte unterwegs die Fruchtblase (ich hatte ein großes Badetuch für diesen Fall untergelegt) und kurz darauf spürte ich auf der Fahrt im Auto, dass die Pressewehen einsetzten. Ich konnte es nicht glauben: Sollte es nach so wenigen intensiven Wehen schon bald zu Ende sein? Als ich meinem Mann sagte, dass er anhalten müsse, da ich Presswehen habe, fuhr er auf einen Parkplatz am Waldrand. Während der Regen auf das Autodach prasselte und ich mich im gedämpften Licht des Autos sicher fühlte (wie in einer Höhle), spürte ich das Köpfchen. Mein Mann versuchte Katharina zu erreichen, aber irgendwie klappte das nicht. Währenddessen hielt ich mich an der Kopfstütze fest und auf dem Beifahrersitz kniend wurde zuerst das Köpfchen, dann hängen im Stand der Rest unseres kleinen Babyjungen geboren. Es lief alles nach einem automatisierten Programm ab – ich wusste einfach, was ich tun
musste, obwohl es mir keiner sagte.
Mein Mann hob unser kleines Wunder hoch und legte es mir auf den Bauch. Er band die Nabelschnur mit einem seiner Schnürsenkel ab. Kurz darauf kamen Notarzt und Rettungswagen. Da es unserem Baby und mir gut ging, konnten wir den Notarzt (der auch Kinderarzt war)
überzeugen, dass wir ins Geburtshaus gebracht werden wollten, dort wartete Katharina ja auf uns. Während der Fahrt legte ich den Babyjungen zum ersten Mal an. Mit großen Augen schaute er
mich an und saugte. Er hatte ganz viel dunkle weiche Haare und duftete ein wenig wie Himbeeren. Wie glücklich waren wir, als wir im Geburtshaus angekommen waren und von Katharina und Jana
begrüßt wurden. Da das große Zimmer und die Geburtswanne besetzt waren, wurden wir in das kleine Zimmer gebracht. Kerzenschein und warmes Licht taten nach dem hellen Licht im Rettungswagen so gut. Ich veratmete starke Nachwehen und während mein Mann noch unsere
Tasche aus dem Auto holte, wurde die Plazenta rasch geboren. Wir kuschelten uns mit unserem Baby ins Bett und konnten über diese große Überraschung nur staunen. Dass unser drittes Baby
nach kaum mehr als zwei Stunden im Auto am Waldrand geboren werden sollte, hätten wir nie gedacht. Und so kommt es, dass wir — wenn auch leider schon wieder keine Geburtshausgeburt – vielleicht die natürlichste Geburt erleben durften.
Anmerkung: Diese Art der Geburt (ohne Hebamme) war natürlich nicht das, was wir uns vorgestellt und gewünscht hatten. Und wir sind froh, dass alles so einfach war. Allerdings möchte ich mit diesem Bericht auch alle Müttern nach Kaiserschnitt und / oder langen bzw. schwierigen Geburten ermutigen: Oft ist eine normale Geburt nach Kaiserschnitt möglich.
Und eine zweite Geburt kann ganz anders verlaufen als die erste. Wir sind dankbar, dass wir die Möglichkeit der natürlichen Geburt bekommen haben und möchten uns ganz herzlich beim ganzen Geburtshausteam bedanken, besonders bei Anja und Katharina. Unsere Geburtserlebnisse waren anders als geplant und trotzdem wunderbar. Dies war nur durch die Unterstützung unserer Vor- und Nachsorge-Hebamme Heike und das Geburtshaus möglich!

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