Joscha

Für mich war schon von Anfang an klar, dass ich mein Baby gern im Geburtshaus und nicht in der Klinik auf die Welt bringen möchte.
Wenn ich das so erzählt habe, habe ich meist von meinem Umfeld eher Unverständnis und Sorge erlebt: „So ganz ohne Ärzte?“ – „Und wenn was passiert?“.
Ich habe allerdings das Glück, dass sowohl ich selbst als auch ein Großteil meiner Familie (Geschwister, Tanten, Onkel, Cousins, Cousinen etc.) bei ein und der selben Hebamme in einem Geburtshaus im Schwarzwald auf die Welt kamen; so wusste ich aus erster Hand, dass so eine Geburt nicht nur einfach klappen, sondern auch ein unglaublich schönes Erlebnis in intimem Rahmen sein kann.

Ein wenig Recherche im Internet und bald war für mich klar: das Geburtshaus in Hagelloch soll es sein – und mit etwas Glück habe ich dann den letzten freien Platz für Oktober ergattern können. Schon beim ersten Vorgespräch alleine und den späteren dann mit meinem Partner zusammen haben wir ganz tief drin im Bauch gewusst: das ist das Richtige für uns. Genau in dieser Atmosphäre soll unser kleiner Sohn auf die Welt kommen.
Und auch eine Kreißsaalführung in der Tübinger Frauenklinik hat uns nur noch mehr in unserer Entscheidung bestätigt.

Bereits in der Schwangerschaft und bei den Vorsorgeuntersuchungen haben wir uns im Geburtshaus einfach rundum wohl und gut aufgehoben gefühlt – fast wie daheim eben. Als es dann endlich soweit war, haben wir uns demnach auch recht entspannt auf den Weg machen können.

Am Tag X war bei uns im Ort gerade noch die bekannte Sau-Kirbe in vollem Gange und wir waren abends noch dort im Festzelt. Ich selbst nur um etwas zu essen, mein Freund hingegen musste noch eine Arbeitsschicht absolvieren.
So um 11 hat es mir dann allerdings auch gereicht und ich bin nach Hause gegangen; nicht ohne dass mein Freund mir eingeschärft hatte mich sofort zu melden, falls etwas sei.

Und als hätten wir es geahnt: Ich hatte es mir gerade noch mit einem Film auf dem Sofa gemütlich gemacht – denn schlafen wollte ich dann doch irgendwie noch nicht – als um zirka 1Uhr nachts mit einem „knack“ die Fruchtblase platzte.

Da es unser erstes Kind ist, habe ich eine kleine Weile gebraucht um zu realisieren, dass es wirklich die Fruchtblase war die eben geplatzt ist. Danach habe ich zuerst einmal Jana vom Geburtshaus angerufen um zu fragen was wir denn nun machen.
Wir hatten das zwar sicher mal in einem Vorgespräch davon gehabt, allerdings wenn es dann wirklich soweit ist…
Die ganze Zeit über war ich seltsamerweise sehr ruhig und entspannt. Und nach dem Telefonat mit Jana umso mehr.
Die Wehen hatten noch nicht eingesetzt und ich sollte einfach daheim abwarten ob sich was tut, oder eben am nächsten Morgen ins Geburtshaus kommen. Auch diese Nachricht habe ich eher gelassen entgegen genommen und dementsprechend auch meinem Freund Bescheid gegeben: „Schatz, die Fruchtblase ist gerade geplatzt. Aber Du musst noch nicht gleich los. Wir warten erst noch auf die Wehen …“

Etwa eine Stunde später haben dann tatsächlich die Wehen eingesetzt. Noch einigermaßen aushaltbar und auch noch nicht in „kritischen“ Abständen; also tun, was man im Geburtsvorbereitungskurs mal gelernt hat und erstmal eine entspannte heiße Dusche nehmen.
Vorher dann allerdings doch noch kurz dem Freund Bescheid geben, der ja immer noch beim Arbeiten war. „Wehen haben eingesetzt, wäre gut, wenn Du dich dann bald auf den Weg machen würdest, aber ganz in Ruhe! …“

Nach der Dusche waren die Wehen immer noch da – gefühlt sogar stärker geworden – und die Antwort von meinem Freund auf dem Handy: „Verabschiede mich eh gerade. Komme sofort heim.“ War dann genau das worauf ich gehofft hatte.
Seltsamerweise hatte aber auch er die Ruhe weg und konnte sich noch so von den anderen verabschieden, dass keiner mitbekam wohin genau er unterwegs ist.

Daheim angekommen hatte er gerade noch Zeit sich umzuziehen. Die Wehen kamen inzwischen recht regelmäßig alle 5 Minuten und wir fanden beide es sei dann wohl an der Zeit Jana nochmal anzurufen und alles Nötige ins Auto zu laden, was nicht ohnehin schon tagelang mitgefahren wurde.

Die „Sicherheit“ des Geburtshauses mit jemandem vor Ort der Bescheid weiß, und die Aussicht auf die dortige Badewanne gaben dann den Ausschlag: Wir beschlossen gemeinsam uns auf den Weg nach Hagelloch zu machen.
Eine gute halbe Stunde später waren wir – inkl. eines kurzen Stops um eine Wehe außerhalb des Autos zu Veratmen – auch schon im Geburtshaus angekommen. Inzwischen war es etwas nach halb 4.

Als wir ankamen empfing uns gleich eine warme Atmosphäre mit gedämpftem Licht und Kerzen. Die Ruhe die wir den ganzen Abend schon gespürt hatten setzte sich auch hier fort. Wir haben uns sofort aufgehoben und angekommen gefühlt; hatten sogar noch Zeit zu 1-2 Scherzen.
Jana ließ mir dann gleich die Badewanne ein und mein Freund richtete uns das Bett her. Die Wanne tat mir dann aber so gut, dass ich bis auf eine kleine Ausnahme über die gesamte Zeit der Geburt dort geblieben bin.

Die Wehen wurden heftiger und schmerzhafter und Jana kontrollierte ein paar Mal den Stand der Dinge. Herztöne des kleinen sind super, der Muttermund weitet sich auch. Später hat mein Freund erzählt, dass Jana ihm hinter meinem Rücken ein paar Mal den Daumen nach oben gezeigt hat.
Ich selbst habe davon währenddessen nicht viel mitbekommen, erst im Nachhinein sind die Erinnerungen an die Geburt wieder recht klar.
Immer wieder musste ich die Position wechseln – in ein und derselben hätte ich es nicht ausgehalten. Manchmal tigerte ich regelrecht durch die Wanne und hielt mich an der Wand fest, um in den Pausen einfach über den Wannenrand zu lehnen und die Hände meines Freundes festzuhalten und ihm in aller Ernsthaftigkeit zu versichern, dass ich das sicher kein zweites Mal mitmache 😀

Inzwischen ist auch Anja zur Unterstützung gekommen. Das bekomme ich zwar nur am Rande mit, freue mich aber ungemein meine beiden vertrauten Hebammen an meiner Seite zu wissen.

Und irgendwann heißt es: Muttermund bei 10cm – und man kann schon das Köpfchen tasten! Wir haben es bald geschafft!

Jana drückt meinem Freund ein Tuch in die Hand an welchem ich während der Wehen ziehen kann. Halb in der Wanne, halb über dem Rand lehnend ziehe ich ihn damit fast vom Stuhl – und dann ist es plötzlich ganz Still.

Keine Schmerzen mehr, gefühlt auch keine Bewegung mehr und ich sehe unseren Kleinen im Wasser neben mir schweben.
Ein kurzer Augenblick reicht zum Verlieben, bevor Jana ihm hilft komplett aufzutauchen und in der Welt anzukommen, respektive erstmal auf meinem Bauch und meiner Brust.
In diesem Moment ist wieder alles ganz klar und einfach: mein Freund und ich staunen beide über das kleine Wesen was sich da an mich kuschelt.
Ein kurzer Blick auf die Uhr – es ist inzwischen 7 Uhr morgens.

Irgendwann müssen wir dann aber die Wanne verlassen. Unser kleiner Joscha darf sich dafür an Papas Brust kuscheln und schon Mal mit ihm ins Bett umziehen.
Ich selbst nutze die Gelegenheit und putze mich gleich in der Wanne ein wenig ab, bevor auch ich mich zu meiner frisch gebackenen, kleinen Familie geselle. Jetzt haben wir ein wenig Zeit für uns – um uns zu beschnuppern und zu bestaunen – ein absolut perfekter Moment.

Nach einiger Zeit kommen Jana und Anja mit Tee für uns ins Zimmer und umhegen und umsorgen uns. Die beiden strahlen Freude, Ruhe und Sicherheit aus, wie schon die ganze Nacht über. Wir können nicht anders als uns einfach nur wohl und gut behütet zu fühlen und uns zu freuen, dass die beiden heute für uns da waren.
Selten habe ich mich irgendwo so rundum aufgehoben und wohl gefühlt, und auch mein Freund betont immer wieder wie klasse er die beiden fand – auch heute noch.

Für uns ist definitiv klar:
Die Entscheidung hier ins Geburtshaus zu gehen, war eine der besten Entscheidungen unseres Lebens!

You are currently viewing Joscha