Matilda

Heute ist Stichtag, aber der Vorsorgetermin mit Chris am Vormittag ist unauffällig. So verabschiedet sie sich bis zum übernächsten Tag zur nächsten Vorsorge.

Nachdem Chris gegangen ist, stelle ich beim Toilettengang gegen 14 Uhr Blut im Ausfluss fest und freue mich! Das muss das Gebärmuttersiegel sein, das sich gelöst hat und zumindest bei meiner Schwägerin hat es nach diesem Zeichen nur noch 2 Tage gedauert bis die Geburt dann tatsächlich losging! Mein Wunschtermin für unsere Kleine war der 14.12. – vielleicht klappt es ja? Ich rufe Chris an und informiere sie. Sie freut sich mit mir, weist mich aber auch darauf hin, dass es dennoch noch einige Tage dauern kann und ich entspannt bleiben soll. Das bin ich, aber ich bin auch voller Vorfreude.

Den Nachmittag verbringe ich mit letzten Büroaufgaben und auch Essensvorbereitungen, schließlich sind abends noch Freunde eingeladen. Ich bemerke hin und wieder ein Ziehen im Unterleib, aber das kam in den letzten Tagen immer mal wieder vor und ist mir deshalb nicht neu. Und da mein Bauch sich auch noch nicht gesenkt hatte, interpretiere ich das Ganze als die viel beschriebenen Senkwehen und ich nutze diese vermuteten Übungswellen zum HypnoBirthing-Atmenüben.

18 Uhr treffen unsere Freunde samt Tochter bei uns ein. Das Ziehen hat zwischenzeitlich zugenommen, doch dank der Atem-Übungen habe ich sie kaum wahrgenommen. Aus reiner Neugier kann ich mir ein Blick auf die Uhr nicht verkneifen und wundere mich, dass auch Übungswellen bzw. Senkwehen in regelmäßigen Abständen kommen – jetzt alle 15 bis 20 Minuten.

Nach dem Essen und noch einem Schwangerschaftspaarfotoshooting verabschieden sich unsere Freunde gegen 21 Uhr. Meine Freundin empfiehlt mir ein warmes Bad und einen Tee dazu, um gut in die Nacht zu kommen. Schließlich soll ich ausgeruht sein, wenn es losgeht. Nachdem mein Mann Mark und ich die Küche aufgeräumt haben, steige ich in die warme Badewanne während Mark es sich mit einem Film gemütlich macht.

In der Wanne sitzend staune ich: diese Übungswellen werden nicht schwächer, im Gegenteil! Inzwischen muss ich mich bei jeder einzelnen voll konzentrieren, um gut durch sie hindurch zu kommen. Bin ich doch schon in der Geburt und nicht noch in der Übung?

Gegen 23 Uhr bitte ich Mark den Abstand zu messen und kann es nicht glauben: Gerade einmal 3 bis 4 Minuten liegen zwischen den einzelnen Wellen. Durch das Bad und den Tee ist mir sehr heiß geworden, deshalb ziehen wir uns an für einen Spaziergang. Das Laufen in der Eiseskälte, Dunkelheit und Ruhe tut mir gut. Inzwischen sind die Wellen kräftig spürbar. Mein Mann ist eine große Stütze und ich brauche ihn, um in die Wellen konzentriert zu arbeiten.

Nach unserer Ankunft wieder zu Hause gegen 24 Uhr bitte ich Mark, Chris anzurufen und über den aktuellen Stand zu informieren. Sie möchte, dass wir weiterhin ruhig bleiben und versuchen, noch ein wenig Schlaf zu bekommen. Also legen wir uns ins Bett. Mark kann sofort einschlafen. Ich bin damit beschäftigt die nach wie vor kräftigen Wellen entspannt und konzentriert durchzustehen und döse nur vor mich hin. Irgendwann kommt eine besonders kräftige Welle und spüre und höre ein innerliches „Blong“ und mir wird bewusst: Das war die Fruchtblase! Jetzt nehmen die Wellen noch einmal an Fahrt auf. Türrahmen helfen mir, durch sie hindurch zu kommen bis das Wasser im Geburtspool ausreichend hoch ist.

Inzwischen ist es ca. 1 Uhr und nach einem Anruf von Mark ist nun auch Chris bei uns eingetroffen und beginnt mit der Tastung und checkt, ob alles in Ordnung ist. Das ist es und ich kann es kaum glauben, aber mein Muttermund ist bereits zu 7 cm geöffnet! Nach der Untersuchung steige ich in den Geburtspool und das warme Wasser ist sehr angenehm. Den ersten Wellen begegne ich dort knieend und auf meinen Mann gestützt, der am Rand sitzt. Es dauert nicht lange und ich merke, dass die Wellen sich verändert haben und ich schon so etwas wie Pressdrang verspüre. Nach einer neuen Tastung gibt Chris ihr Okay und nun beginne ich aktiv, Matilda mit jeder Welle weiter raus zu schieben. Chris lässt mich machen, sorgt aber dafür, dass ich mich in jeder Pause entspanne und gibt mir dadurch Sicherheit, dass alles gut läuft.

Auch Gesche ist inzwischen bei uns eingetroffen und sorgt eifrig dafür, dass wir mit Fotos versorgt werden und so eine tolle Erinnerung haben. Ich kann bereits Matildas Köpfchen tasten und ich weiß, es ist nicht mehr weit. Nach zwei Positionswechseln muss Matilda eigentlich nur noch über den Damm rutschen, doch genau jetzt habe ich das Gefühl, dass meine Wellen nicht mehr stark genug sind. Chris gibt mir den Hinweis, dass es jetzt nur noch eine psychische Entscheidung ist – es liegt an mir, diese letzte Schwelle zu überschreiten, damit unsere Matilda bei uns sein kann. Und so ist es auch: Ich sammle meine Kräfte, ich will Matilda jetzt hier haben und mit diesen Gedanken schiebe ich sie vollständig aus mir heraus. Ihr Köpfchen und dann auch ihre Schultern tauchen im Wasser auf. Ich bin sprachlos und noch mehr, als ich sie dann selbst komplett heraus- und zu mir hochziehe. Ein Wahnsinnsgefühl! Mark und ich sind überglücklich und können es kaum fassen. In aller Ruhe lassen wir Matildas Nabelschnur auspulsieren während sie auf meiner Brust liegt, sich verkriecht und dann aber uns auch ab und zu ganz wach und interessiert anschaut.

Nach der Abnabelung wechselt die Kleine auf Papas Arm. Chris und Gesche helfen mir dabei, die Plazenta rauszuschieben und es gelingt ohne Probleme. Nun ist es geschafft! Wir drei ziehen ins Bett um, wo Chris und Gesche sich um meine Erstversorgung kümmern. Die Kleine schlummert selig neben mir. Gegen 6 Uhr verabschiedet sich Chris (Gesche war schon früher gegangen). Mark, Matilda und ich sind komplett – geschafft, aber voller Glück starten wir in unser Leben zu dritt.

Danke an Gesche für das Dasein und dafür, dass wir die Erinnerungen an unsere schöne Geburt bebildert haben. DANKE an Chris für die wundervoll starke und dabei zurückhaltende Art, mit der du mich und uns durch die Schwangerschaft und vor allem dann durch die Geburt geführt hast. Die Schwelle zu überschreiten hat meinen Horizont erweitert. Danke an Mark, dass ich dieses Wunder mit dir teilen darf und wir zusammen unserem Sonnenschein entspannt auf die Welt verholfen haben.

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