Alek Victor

In den Monaten dieser ersten Schwangerschaft habe ich mich mit der Schönheit der Geburt beschäftigt. Damit, die Wehen als Freundin zu sehen, die mich in der Geburt unterstützt, Lichter durch meinen Körper fließen zu lassen um diesen zu entspannen und zu öffnen. Ich habe mich mit Kraftbildern und Meditation auf eine kraftvolle aber entspannte Geburt eingestellt.
Als ich beim Cafèbesuch mit einer Freundin erste Bewegungen meiner Gebärmutter spürte freute ich mich riesig. Ich hätte diese jedoch nicht für Wehen gehalten da sie zwar intensiv, jedoch nicht schmerzhaft waren. Im Laufe des Tages nahm der Abstand dazwischen ab, noch immer erzählte ich meinem Mann beim Abendessen etwas von möglichen „Senkwehen“.
Erst als ich nach einem Bad am Abend und dem Versuch einzuschlafen etwas Blut im Höschen bemerkte, entschieden wir uns, unsere ortsansässige Hebamme anzurufen.
Ich hatte ihr und Katharina bereits am Nachmittag Bescheid gegeben dass sich etwas tut, jedoch in aller Seelen Ruhe.

Eine kurze Untersuchung der Hebamme gegen 23 Uhr ergab einen weit geöffneten Muttermund und eine pralle Fruchtblase. Wir sollten sofort losfahren.

Um kurz nach 00.00 Uhr kamen wir im Geburtshaus an. Auf der Fahrt war die Fruchtblase geplatzt, alle drei Minuten veratmete ich die Wehen fast liegend auf dem Beifahrersitz. Die Strassenverkehrsordnung waren eher ‚Richtlinien‘ – mein Mann ist ein großartiger Autofahrer. „Nur noch eine Wehe bis Ankunft Schatz!“

Nahezu auf allen Vieren krabbelte ich ins Geburtshaus, die Sitzbank im Flur dient als erster Halt um übergelehnt die Wehen zu veratmen. Katharina begrüsst mich herzlich – schön, angekommen zu sein!

Sie hatte alles wundervoll vorbereitet. Das Licht war gedämmt, etwas Badewasser war eingelassen, nahezu heimisch. Und wie immer strahlte sie eine fröhliche Art der Ruhe aus.

Ein, zwei weitere Wehen veratme ich im Badezimmer während mein Mann das Bett bezieht. Bald darauf kommt die Schülerin Michelle dazu, sie habe ich während der Vorsorge schon ins Herz geschlossen.
Ich knie auf der Matte vor dem Bett und halte mich an meinem Mann fest, der auf der Kante sitzt. Ich fühle mich gut. Ich spüre den Drang zu schieben. Katharina ist hinter mir, ich fühle mich sicher.

Unser Sohn hat sich in den letzten Wochen vor Geburt mehrmals gedreht und uns über seine Position im Unklaren gelassen – erst eine Woche zuvor zeigte der Ultraschall die Schädellage. Gott sei Dank! Wir können ins Geburtshaus! Und dann kam die große Überraschung.

„Das ist nicht der Kopf der da voraus kommt“ sagt sie plötzlich. Wie konnte das passieren? Unrelevant. Mir sind die Konsequenzen bewusst. Rettungswagen. Krankenhaus. Womöglich Kaiserschnitt. Bitte nicht!
Katharina geht zum telefonieren raus, alles geht wahnsinnig schnell. Als sie zurück kommt ist schon Chris bei ihr. Ich freue mich sie zu sehen – wir versuchen es hier!

„Danke, danke“ – denke ich, wir dürfen hier bleiben! Wir werden es meistern! Ich halte mich fest an meinem Mann und schiebe weiter mit. Ein paar Mal, Chris prüft stets die Herztöne. So ganz will er noch nicht, er braucht noch etwas Zeit, denke ich mir.
Es sind erst wenige Minuten vergangen.
Doch das Risiko ist den Beteiligten zu groß, der Rettungswagen kommt 5 Minuten später an.
Ich schaue meinen Mann an, wohlwissend dass er weiß wie sehr mich das betrübt. Ich fühle mich als Versagerin, nicht alleine fähig mein Kind zu gebären. Wären da nicht diese Wehen würden nun die Tränen fließen.
Mit Hilfe ziehe ich mir etwas über und laufe die wenigen Schritte zum Rettungswagen. „Wir sehen uns gleich wieder, alles wird gut!“ sagt mein Mann.
Ich nehme die Hand des Sanitäters der mir beim Einsteigen helfen will als mich die nächste „Freundin“ überkommt. Ich drücke seine Hand, einen Fuß bereits auf der Stufe zum Wagen und sage „jetzt kommt der Po!“
„Alle wieder zurück!“ sagt Katharina hinter mir, alle wieder zurück!
Wir alle gehen zurück in den Geburtsraum, mein Mann kommt mir entgegen, ich werfe mich um seinen Hals, bleibe stehen und schiebe kräftig mit. „Komm schon Baby, wir wollen doch nicht ins Krankenhaus!“ denke ich. Ich schiebe nochmal und nochmal und spüre wie mein Baby kommt. Nochmals schiebe ich, ein letztes Mal, und der kleine Mann ist geboren – erst der Po, dann sein Körper und letztendlich sein Kopf.

Chris und Katharina nehmen ihn auf während ich mich vorsichtig auf den Boden setze. Mein Mann ist bei mir. Mein Baby schreit. Ich bin stolz. Wir haben es alleine geschafft! Keine zwei Stunden sind seit unserer Ankunft vergangen. Die erste Geburt, trotz Beckenendlage, trotz Krankenwagen und allem was hätte anders laufen können stellen wir in diesem Moment fest: Unser absolutes Wunschkind ist da. Gesund und Munter.

Alles weitere geschieht für mich wie in Trance. Es wird wird gelacht und Witze werden gerissen, alle scheinen erleichtert zu sein. Mein Baby und ich werden versorgt. Mein Charakter-Kind.
Ich sehe meinen Mann mit unserem Sohn im Arm und bin überwältigt. Das wundervollste was ich jemals gesehen habe – an Schönheit nicht zu übertreffen.

Ich möchte mich von ganzem Herzen bei Katharina, Chris und Michelle bedanken – und meinem Mann. Eine vier zu eins Betreuung die mir diese kraftvolle, selbstbestimmte Geburt im Kreise meiner Liebsten ermöglicht hat. Es hätte nicht besser sein können. Danke.

You are currently viewing Alek Victor